Vertriebspraxis der Dresdner Bank:"Terroranschläge als Chancenfenster"

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Interne E-Mails enthüllen, wie Vorgesetzte Berater zum Produktverkauf drängen.

Von Thomas Öchsner

Das Programm heißt "Die Neue Dresdner", und das Ziel ist hoch gesteckt. Das Frankfurter Geldinstitut soll "die beste Bank in Deutschland werden, die Nummer eins bei begeisterten Kunden und Mitarbeitern". So steht es in einem internen Faltblatt des Geldhauses.

Anleihen? Uninteressant!

Doch noch ist die Großbank, die sich in den vergangenen Jahren für den Mutter-Konzern Allianz zu einem Milliardengrab entwickelte, davon weit entfernt. Bankchef Herbert Walter hat sich deshalb zwei Dinge vorgenommen: "die Kosten fest in den Griff zu nehmen und die Erträge zu steigern".

Das spüren natürlich auch die Mitarbeiter in den Filialen. Sie sollen viel stärker als bisher auf jeden der mehr als fünf Millionen Kunden zugehen und ihn davon überzeugen, dass es nur gut für ihn sein kann, mit der Bank Geschäfte zu machen. Manchen Vorgesetzten scheint es dabei aber nur um die Erträge der Dresdner zu gehen.

Diesen Eindruck vermitteln jedenfalls interne E-Mails aus der Bank, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen. Am 23. Februar schrieb zum Beispiel eine Führungskraft: "Der Absatz der Rentenpapiere nimmt leider wieder deutlich zu. Bitte denken Sie daran, dass der Absatz der Renten unter Ertragsgesichtspunkten nicht sinnvoll ist. Des Weiteren sind die Rentenkäufe nach wie vor vom Filialleiter zu genehmigen."

Hedge-Fonds für jedermann

Mit anderen Worten: Die Berater sollen den Kunden möglichst den Kauf festverzinslicher Papiere ausreden und stattdessen Produkte wie etwa Fonds verkaufen, die höhere Provisionen für die Bank abwerfen.

Auch das Thema Hedgefonds wird in internen Rundschreiben aufgegriffen: Die Risiko-Fonds, die unter anderem durch den Einsatz von Termingeschäften versuchen, sich vom Börsentrend abzukoppeln, sind sicherlich nicht für jeden Anleger geeignet.

Trotzdem heißt es in einer Sammel-Mail: "Unser Ziel ist es, zehn Prozent des Anlagevolumens jedes Kunden in Hedge-Fonds zu investieren." Das Wort "jedes" ist dabei fett unterstrichen.

Und weiter: Jeder Anlageberater solle "mindestens fünf Termine pro Tag" vereinbaren. Bereits zwei Tage vorher hatte die Führungskraft dazu aufgerufen, "mit mindestens zehn Kunden pro Woche" Zeichnungen für die Hedge-Fonds abzuschließen. Diesmal ist das Wort "mindestens" unterstrichen.

Im Kampf um höhere Erträge werden sogar auch politische Ereignisse aufgegriffen. Elf Tage nach den Bombenanschlägen auf Madrid schreibt ein BankManager: "Bitte setzen Sie noch einmal alle Kraft daran, beim Absatz der Hedge-Fonds weiter voranzukommen! Aktuelle Chancenfenster (Terroranschläge, Unruhen in Israel) gibt es genug."

Ohne Prozent

Anleger ließen sich so "auf die Absicherung des Depots gegen solche Einflüsse mit Hilfe der Hedge-Fonds" ansprechen. Ergänzt wird die Aufforderung mit dem Rat, doch "den Kunden die Kursverluste nicht in Prozent, sondern in Euro" vorzurechnen.

Die E-Mails der Vorgesetzten richten sich nach den Recherchen der SZ an Mitarbeiter in den ostdeutschen Filialen der Dresdner Bank.

Nach Angaben des Geldinstituts handelt es sich aber "um einen bedauerlichen Einzelfall in einem einzigen Vertriebsgebiet der Bank, bei dem ein Mitarbeiter seine Kompetenzen überschritten hat".

Die von der SZ zitierten Empfehlungen stünden "im krassen Widerspruch zu der Anlagerichtlinie und der Anlagestrategie der Bank". Das zeige zum Beispiel der starke Anstieg des Kaufvolumens bei festverzinslichen Wertpapieren im ersten Quartal 2004.

Arno Gottschalk, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Bremen, sieht dagegen seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt. "Dem eigenen Anspruch, eine Beraterbank zu sein, wird hier offenkundig Hohn gesprochen. Die E-Mails zeigen, dass der Kunde eigentlich nur als Melkkuh angesehen wird und die Interessen der Bank vorgehen."

Ähnlich kommentiert Martin Faust, Professor an der Hochschule für Bankwirtschaft in Frankfurt, die E-Mails: "Der Verkaufsdruck ist bei allen Banken und Sparkassen sehr groß.

Meist gibt es eine Verkaufsaktion nach der anderen. Wenn Bausparwochen sind, werden Bausparprodukte verkauft und wenn Asienwochen sind, sind Asienfonds dran. Mit einer ganzheitlichen Beratung des Kunden hat das natürlich nichts zu tun."

© SZ vom 29.04.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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