Versicherungswirtschaft:Talanx-Gruppe übernimmt Gerling

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Mit der Großfusion erwächst der Allianz ein starker Konkurrent im Industriegeschäft. Zum neuen Konzern gehören unter anderem HDI und Hannover Rück. Die Prämieneinnahmen der neuen Gruppe summieren sich auf knapp 20 Milliarden Euro.

Stefan Weber

Drei Jahre nach der existenzbedrohenden Krise erhält die Gerling-Versicherungsgruppe einen neuen Eigentümer. Die Talanx-Gruppe, zu der unter anderem auch HDI und Hannover Rück gehören, will das operative Geschäft von Gerling übernehmen.

Das Gebäude der traditionsreichen Gerling-Gruppe in Köln. (Foto: Foto: dpa)

Mit Prämieneinnahmen von 14,2 Milliarden Euro ist Talanx die Nummer drei unter den Versicherungsunternehmen in Deutschland. Die Prämieneinnahmen der neuen Gruppe summieren sich auf knapp 20 Milliarden Euro.

Überraschende Wende

Lange Zeit hatte es so ausgesehen, als würde der amerikanische Finanzinvestor Cerberus bei dem traditionsreichen Kölner Versicherer das Rennen machen. Er hatte mehrere Monate exklusiv mit dem Großaktionär und Gründer-Enkel Rolf Gerling, der rund 94 Prozent der Anteile besitzt, verhandelt. Die übrigen sechs Prozent der Anteile sind Eigentum von Aufsichtsratschef Joachim Theye.

Talanx und andere Unternehmen aus der Versicherungsbranche hatten jedoch immer bereit gestanden, falls die Verhandlungen mit Cerberus doch noch scheitern sollten. Aus welchem Grund sich Gerling mit dem Finanzinvestor nicht einigen konnte, ist nicht bekannt.

Cerberus überboten

Als Knackpunkte für einen Verkauf galten lange Zeit die hohen Pensionslasten sowie die Risiken, die in dem noch in Abwicklung befindlichem Rückversicherungsgeschäft schlummern. Aber auch der Preis hat Brancheninformationen zufolge eine entscheidende Rolle gespielt. So soll Talanx den von Cerberus gebotenen Betrag von mehr als einer Milliarde Euro noch einmal überboten haben.

Im Einzelnen haben sich Gerling und Talanx darauf verständigt, dass der Hannoveraner Konzern die Gerling Beteiligungs-GmbH (GBG) zu 100 Prozent sowie fünf Prozent der Aktien der Gerling Lebensversicherungs-AG (GKL) übernimmt. Die GBG ist die Holdinggesellschaft der operativen Gesellschaften der Gerling-Gruppe. Sie besitzt insbesondere 65,4 Prozent der Aktien der Gerling-Konzern Allgemeine Versicherungs-AG, dem Schaden- und Unfall-Versicherer der Gruppe.

Größte Versicherungsfusion seit 1997

Außerdem hält sie die übrigen 95 Prozent der GKL. Über den Kaufpreis machten die Beteiligten keine Angaben. Das Zusammengehen von Talanx und Gerling ist die größte Fusion in der Versicherungswirtschaft seit der Schaffung der zur Münchener Rück gehörenden Ergo-Gruppe im Jahr 1997.

Schon mehrfach hatte es in den vergangenen zwei Jahren nach einem Schulterschluss zwischen beiden Unternehmen ausgesehen. Erstmals waren im April 2003 intensive, über sechs Monate dauernde Fusionsgespräche doch noch gescheitert. Dem Vernehmen nach hatte Talanx die Verhandlungen damals abgebrochen, weil man zu hohe Altlasten beim Lebensversicherer des Gerling-Konzerns vermutete. Im September vergangenen Jahres waren dann erneut Gerüchte aufgetaucht, Talanx und Gerling stünden kurz vor einer Einigung. Einige Monate später hieß es, exklusiver Verhandlungspartner sei Cerberus.

Die Talanx-Gruppe, zu der Unternehmen wie HDI und Hannover Rück gehören, ist mit Prämieneinnahmen von 14,2 Millairden Euro der drittgrößte deutsche Versicherungskonzern nach der Allianz und der Münchener Rück. Die Prämieneinnahmen der Gerling-Gruppe summieren sich auf mehr als vier Milliarden Euro. Davon entfällt etwa die Hälfte auf das Industriegeschäft.

Krise überwunden

In dieser Sparte zählt Gerling auf dem Heimatmarkt zu den drei größten Anbietern. Zusammen kommen Talanx und Gerling in der Industrieversicherung auf Prämieneinnahmen von etwa drei Milliarden Euro. Damit schließen sie zum Marktführer Allianz auf.

Der 101 Jahre alte Gerling-Konzern war in den Jahren 2001 und 2002 in eine tiefe Krise geraten, weil die Expansion in der Rückversicherung in Amerika zu hohen Verlusten geführt hatte. Eine Kapitalerhöhung, die von mehreren Industriekunden finanziert wurde, rettete das Unternehmen.

Der Rückversicherer Globale Rück stellte das Neugeschäft ein und wurde für die Abwicklung der Altverträge an den Versicherungsmanager Achim Kann verkauft. Abgegeben wurde auch die hoch profitable Kreditversicherung, so dass Gerling heute im Wesentlichen noch das Lebens- und Industrieversicherungsgeschäft betreibt.

Besonders der stark wachsende Industrieversicherer erfordert aber weiteres Kapital. Das kann Rolf Gerling nicht beisteuern. So ist der Versicherer in seiner Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt. Der Großaktionär hatte mehrfach betont, dass er sich bei passender Gelegenheit zurückziehen werde. Der Zeitpunkt für einen Verkauf erscheint jetzt günstig. Gerling erwirtschaftete 2004 ein Konzernergebnis von 132 Millionen Euro.

© SZ vom 08.11.05 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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