Versicherer:Neue Kapitalquelle willkommen

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Die Versicherer freut es, dass die Regierung über Privatinvestoren nachdenkt. Das finden nicht alle gut.

Von Anna Gentrup, Köln

Asphalt, Beton und Leitplanken - der Bau und Betrieb von Autobahnen hat wenig mit dem Geschäft von Versicherern zu tun. Dennoch wollen Gesellschaften wie Allianz und Talanx unbedingt in Deutschlands Fernstraßen investieren. Schuld daran ist der Niedrigzins, er zwingt die Versicherer dazu, alternative Investitionsmöglichkeiten zu suchen.

Wenn es nach Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) geht, kümmert sich bald eine Betreibergesellschaft um den Bau und Betrieb der Autobahnen. Der Bund soll die Mehrheit an der Gesellschaft halten, bis zu 49,9 Prozent könnten an private Investoren wie Banken und Versicherer gehen. "Ich halte das für eine geeignete Maßnahme", sagt Versicherungsanalyst Carsten Zielke. Die Versicherer müssten animiert werden, diversifizierter anzulegen. Die Wirkung sei aber begrenzt.

Die Assekuranz steckt in der Bredouille und muss dringend neue Kapitalquellen erschließen. Die Lebensversicherer leiden unter ihren großzügigen Garantieversprechen der früheren Jahre, die sie jetzt teuer zu stehen kommen. Heute gelingt es den Versicherern kaum, am Kapitalmarkt bei kalkulierbarem Risiko ausreichend Rendite zu erzielen.

Die Beteiligung an staatlichen Großprojekten kommt den Versicherern da gelegen. "Wir haben gerade im Lebensversicherungsbereich ein Portfolio mit sehr langen Laufzeiten", sagt Klaus Wiener, Chefvolkswirt beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). "Dafür brauchen wir planbare und stabile Erträge." Die Frage für die Versicherer ist, welche Risiken die Versicherer übernehmen und welche Rendite der Staat dafür zu zahlen bereit ist - es müsste auf jeden Fall sehr viel mehr sein, als er jetzt an Zinsen für Staatsanleihen zahlen muss.

Auch die Allianz Deutschland will erst die Bedingungen prüfen. "Wir finden das sehr interessant, aber es kommt auf die Ausgestaltung an", sagt ein Konzernsprecher. Die Allianz hat bereits in eine Reihe von Projekten erfolgreich investiert. Nicht so gut verliefen dagegen Anlagen in Gasleitungen im norwegischen Sektor der Nordsee sowie in Windräder in Spanien. Bei beiden Projekten änderten die Regierungen einseitig die Durchleitungspreise beziehungsweise die Einspeisepreise.

Die Versicherer strotzen vor Kapital. "Derzeit sind rund 0,5 Prozent der 1 500 Milliarden Euro Gesamtportfolio der deutschen Versicherer in Infrastruktur angelegt", sagt GDV-Mann Wiener. "Gelänge es, diesen Wert auf nur zwei bis drei Prozent anzuheben, könnte man 30 bis 45 Milliarden Euro für Verkehrsprojekte mobilisieren."

Der Versicherer Talanx würde gerne in das Straßennetz investieren. "Den Vorschlag, Autobahnen im Rahmen einer Infrastrukturgesellschaft privat finanzieren zu lassen, begrüßen wir sehr", sagt Konzernchef Herbert Haas. Talanx hat 1,5 Milliarden Euro in ähnliche Projekte investiert, bis Ende 2017 sollen es etwa zwei Milliarden Euro sein. "Langfristig halten wir fünf Milliarden Euro für machbar", erläutert Haas. Mit staatlichen Projekten hat Talanx Erfahrung. Der Konzern finanziert in Irland den Neubau, die Renovierung und den Betrieb von sieben Gerichtsgebäuden. Talanx und die japanische Bank of Tokyo-Mitsubishi UFJ bringen jeweils 73 Millionen Euro in das Public-Private-Partnership-Projekt ein. Die Finanzierung läuft über 26,5 Jahre.

Verbraucherschützer warnen davor, Versicherer bei der Autobahnfinanzierung an Bord zu holen. "Diejenigen, die das langfristige Geschäft mit Geld und Zins nicht nachhaltig beherrschen, sind die falschen Partner für langfristige Infrastrukturprojekte", warnt Axel Kleinlein, Chef des Bundes der Versicherten.

© SZ vom 17.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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