Vermögensverwalter:Mach's einfach

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Illustration: Stefan Dimitrov (Foto: Stefan Dimitrov / SZ; Stefan Dimitrov)

Unabhängige Vermögensverwalter suchen nach dem richtigen Rezept für ihre digitale Zukunftsstrategie, einige Start-ups sind da schon weiter.

Von Jan Willmroth, München

Zur Zeit der Wende begann auch im Bankgeschäft ein Umbruch. Marcel van Leeuwen kann sich noch gut erinnern, wie damals die ersten Direktbanken entstanden. Ende der Achtziger-, Anfang der Neunzigerjahre war das, als viele Menschen zum ersten Mal das Wort Internet hörten. Van Leeuwen war bei der Gründung mehrerer Institute dabei, als Strategieberater und Vorstand. "Die klassischen Filialbanken winkten lange ab", sagt er. "Niemand konnte sich vorstellen, dass sich das durchsetzt." Heute haben alle Banken auch Direktbank-Angebote, Internet-Banking ist Alltag, und wieder einmal setzen Jungunternehmen die Institute mit innovativen Geschäftsideen unter Druck.

Die Mehrheit der Bevölkerung will sich nicht mit dem Thema Vermögensbildung beschäftigen

Seit zehn Jahren ist van Leeuwen als unabhängiger Vermögensverwalter tätig und damit Teil einer Branche, der ein mindestens so tradiertes Image anhaftet wie den Banken mit ihrem Schalter-Geschäft und Überweisungsträgern aus Papier. Intensive Beratung, maßgeschneiderte Vermögenskonzepte, vertrauensvolle Betreuung - damit punkten die unabhängigen Verwalter bei ihren Kunden. Aber das Internet? "Wir haben heute, 25 Jahre später, eine ähnliche Situation wie damals bei den Direktbanken", sagt van Leeuwen, von dessen Kollegen viele bei Online-Angeboten noch skeptisch sind. Etwaige Kunden werde man ohne Ideen für Online-Angebote aber nicht mehr erreichen, glaubt er. Womöglich wird ihm recht geben, was schon jetzt in der Welt der Vermögensverwaltung passiert.

Denn längst wirbt eine ganze Reihe von Start-ups um den Anleger- und Sparer-Nachwuchs, oft mit auffallend vielen freundlich klingenden Vokalen im Markennamen. Die meisten nutzen dabei einen altbekannten Zusammenhang aus: "Die überwiegende Mehrheit, etwa 85 Prozent der Kunden, will sich nicht intensiv mit Vermögensbildung auseinandersetzen", sagt René Fischer, Experte für Vermögensverwaltung und Partner bei der Unternehmensberatung Oliver Wyman. Also werben die Jungunternehmen mit einfachen, verständlichen Konzepten, wenig Aufwand und verlässlichen Renditen. Drei Klicks, mehr nicht, und dann: zurücklehnen und schauen, wie das Vermögen wächst.

Das verspricht beispielsweise Vaamo. Das Logo des zwei Jahre alten Unternehmens zeigt ein Eichhörnchen - hier geht es um Sparen und Vorsorgen, das ist die Botschaft. Wer sich anmeldet, legt seine Sparziele fest, etwa ein neues Auto in fünf Jahren, und bekommt entsprechende Lösungen empfohlen. Dass es sich bei den zur Auswahl stehenden Aktien-, Renten- und Indexfonds (ETFs) um Kapitalmarktprodukte mit Verlustrisiken handelt, erfährt der Kunde zunächst nur am Rande. Wohl aber, alles sei wissenschaftlich fundiert.

Anbieter wie Vaamoo, die stark vereinfachte Anlagekonzepte anbieten, sind vor allem in den vergangenen Jahren seit der Finanzkrise entstanden. Die Gründungen fielen also in eine Zeit des Börsenbooms, die Geschichte vom Sparen mit Kapitalmarktprodukten lässt sich in solchen Phasen besonders gut verkaufen. Wegen anhaltend niedriger Zinsen haben sich Sparer überdies zunehmend nach Alternativen umgesehen. Und die sind nunmehr so zahlreich wie nie.

Um klassische Sparprodukte handelt es sich bei den Angeboten allerdings selten. Wer bei Firmen wie Vaamo, Easyfolio oder Cashboard investiert, setzt sich automatisch Marktschwankungen aus - und allen Betonungen zum Trotz steht nicht zu erwarten, dass alle Kunden wissen, was sie da tun. Teils funktionieren die Modelle rein computergestützt, bisweilen gibt es auch nur wenige ETFs zur Auswahl, wiederum andere setzen auf die Weisheit des Schwarms und bilden eine Art Börsen-Tippgemeinschaft. Bei vielen Angeboten soll schon nach fünf einfachen Fragen klar sein, welches Risikoprofil ein Anleger hat.

Was die Start-ups aber alle nicht tun: den Anleger persönlich beraten. Denn dazu braucht man eine Lizenz der Aufsicht, die den meisten Online-Spar-Angeboten fehlt. "Mit klassischer Vermögensverwaltung hat das dann kaum etwas zu tun", sagt van Leeuwen. Zu dieser gehöre, dass der Kunde stets Ansprechpartner für seine Fragen hat und beraten wird, welche Strategien zu seiner Situation und seinen Vorstellungen passen. Van Leeuwen hatte mit seinem Unternehmen Deutsche Wertpapiertreuhand von Anfang an eine Online-Vermögensverwaltung im Angebot. Kunden müssen mindestens 10 000 Euro mitbringen und außer ihrer Registrierung einen ausführlichen Fragebogen ausfüllen, zumeist führen sie noch zusätzliche Telefongespräche. Es ist also viel mehr Aufwand.

"Wegen der Regulierungsanforderungen wird das sehr schnell formalistisch", sagt Oliver-Wyman-Experte Fischer. Insofern könnten Vermögensverwalter von den Start-ups noch viel lernen, findet er. Auch van Leeuwen ist eigentlich nicht unglücklich mit der neuen Konkurrenz: "Ich freue mich über jeden neuen Online-Anbieter. Schließlich geht es doch immer darum, Alternativen zu provisionsgetriebenen Banken aufzuzeigen."

Eine Kampfansage an die klassischen Banken war auch die Gründung der Quirin Bank, die heute als erste reine Honorarberater-Bank firmiert. Seit Herbst 2013 hat das Haus unter dem Namen Quirion auch eine Online-Vermögensverwaltung im Angebot. Dort liegt der Mindestbetrag ebenfalls bei 10 000 Euro. Kunden können zwischen elf Standard-Portfolios wählen, wobei deren Aktienanteil je nach Risikovorlieben zwischen null und hundert Prozent variiert. Die Zahl der Kunden ist allerdings noch überschaubar. Zwar hat die Quirin Bank mehrere Preise mit ihrem Konzept gewonnen und das monatlich neu angelegte Geld hat sich auf zwei Millionen im Jahresvergleich verdoppelt, doch verwaltet sie aktuell nur 600 Depots mit insgesamt etwa 20 Millionen Euro. Ob sich derartige Modelle flächendeckend durchsetzen, ist noch ungewiss.

Bei der Deutschen Bank wird derzeit noch an einem Konzept gearbeitet

Der Wettbewerbsdruck auf die Deutsche Bank war immerhin schon groß genug. Im Herbst hatte das Institut angekündigt, eine Online-Vermögensverwaltung mit einem ähnlichen Modell wie die Konkurrenz einzurichten: Wenige Fragen, keine intensive Beratung, Einteilung der Kunden nach Risiko-Profil. Derzeit arbeitet die Vermögensverwaltungs-Tochter der Bank noch an dem Konzept. Mehr wolle man noch nicht sagen, lässt sie dazu mitteilen.

Allzu eilig hat man es mit dem neuen Geschäftsfeld offenbar nicht. "Aus heutiger Sicht ist vieles davon eine Wette auf die Zukunft", sagt René Fischer. Das galt vor 25 Jahren auch einmal für das Geschäftsmodell der Direktbanken.

© SZ vom 14.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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