Vermittlungsausschuss: Noch sieben Tage:Eine Frage des Geldes

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Die Parteien streiten um die Hilfen für Langzeitarbeitslose. Das Projekt ist weitaus folgenreicher und wirtschaftspolitisch bedeutender als eine mittelgroße Steuersenkung, die längst im Gesetzbuch stand.

Von Robert Jacobi

(SZ vom 12.12.03) - Im öffentlichen Gezerre um die Steuerreform geht der schwierigste Teil des Vermittlungsverfahrens unter. Es handelt sich um die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, die weitaus folgenreicher und wirtschaftspolitisch bedeutender ist als eine mittelgroße Steuersenkung, die längst im Gesetzbuch stand und womöglich ein Jahr früher kommt.

Während draußen der Steuerstreit tobte, ging es denn auch während der Auftaktsitzung des Vermittlungsausschusses stundenlang nur um die Details und finanziellen Folgen der beiden Vorschläge zur Sozialreform: Das Paket von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement läuft unter der Marke Hartz IV, die Union unterstützt den Entwurf von Hessens Ministerpräsident Roland Koch für ein Existenzgrundlagengesetz (EGG).

Die Positionen liegen weit auseinander, einig waren sich die Verhandler nur darin, dass die Reform wegen ihrer Komplexität erst im übernächsten Jahr in Kraft treten kann.

Schärfe des Streits schwer zu verstehen

Die Schärfe des Streits ist schwer zu verstehen, weil die Parteien sich über das grundsätzliche Ziel der Reform einig sind: Endlich soll es für die rund zwei Millionen Langzeitarbeitslosen nur noch eine Hilfsleistung geben, das Arbeitslosengeld II.

Das bürokratische Parallelwesen von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe wird abgeschafft - nur wer wegen Krankheit oder Drogensucht nicht erwerbsfähig ist, kann sich in Zukunft der Vermittlung durch Jobcenter entziehen.

Auch die Höhe der Leistung, die in etwa auf Sozialhilfeniveau liegen soll, ist nicht strittig. Zwar will die Union verhindern, dass es einen zweijährigen Aufschlag gibt für jene, die in die Langzeitarbeitslosigkeit abgleiten. Weil dies der Bund zahlen würde, ist die Leidenschaft aber gering.

In dem Konflikt geht es also nicht um das Ziel der Reform, dafür aber umso heftiger um ihre Organisation und ihre Finanzierung. Weil der Bund die Leistung zahlt und so die Städte und ihre Sozialämter entlastet, soll die Bundesanstalt für Arbeit nach Clements Vorschlag verantwortlich sein.

Auch hätten nur die Arbeitsämter den Überblick über den Arbeitsmarkt. Koch entgegnet, dass die Kommunen sich besser um Langzeitarbeitslose kümmern könnten, die sie jetzt schon im Rahmen der Sozialhilfe betreuen. Die Bundesanstalt sei längst überfordert. Clement sieht jedoch nicht ein, dass die Kommunen verantwortlich sind, der Bund aber zahlt.

Annäherung

Die Bundesregierung hat Schwachpunkte in ihrem ersten Konzept eingeräumt und sich in den vergangenen Wochen der Union genähert: In den Jobcentern sollen Arbeitsämter und Kommunen in einer "Arbeitsgemeinschaft" gleichberechtigt wirken. Während sich die Bundesanstalt um die Auszahlung des Arbeitslosengeldes II und um die Vermittlung kümmert, bleiben die Kommunen für Schuldner- und Drogenberatung zuständig. Auch übernehmen sie die Zuständigkeit und die Finanzierung von Unterkunft und Heizung für die Langzeitarbeitslosen. Das Jobcenter soll die "einheitliche Anlaufstelle" bleiben, in der alle Leistungen aus einer Hand kommen.

Auch ihr erstes Finanzierungskonzept hat die Regierung zurückgezogen: Der Bund nimmt den Kommunen 11,6 Millionen Euro an Sozialhilfekosten ab, dafür sollen jetzt die Kommunen 8,9Milliarden Euro für die Unterkunftskosten bezahlen. Einen Teil der Differenz dürfen die Kämmerer behalten. Weil die Ostländer mit ihrer hohen Zahl an Arbeitslosenhilfeempfängern benachteiligt würden, soll es einen Ausgleich über die Umsatzsteuer geben.

Unklar ist, wie Niedriglöhne gefördert werden - und welches der Modelle letztlich teurer wäre. Kochs Unionskollegen streuen, dass die Regierungslinie sich durchsetzen könnte. Die Kommunen selbst wollten den Job wegen des Finanzrisikos ohnehin nie übernehmen.

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