Vermittlungsausschuss: Noch acht Tage:Neue Last für den Mittelstand

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Experten empören sich über geplante Gesetzesänderungen im Steuerrecht. Die Mehrbelastungen für Unternehmen seien drastisch und gingen zu Lasten des Standorts Deutschland.

Von Marc Beise

(SZ vom 11.12.03) - Bis hart in die Nacht hat am Mittwoch der Vermittlungsausschuss gerungen, um Einigkeit zwischen Bundestag und -rat über zahlreiche neue Gesetze zu erzielen.

Den Bürgern ist vor allem die Frage eines Vorziehens der Steuerreform bekannt, und sie interessieren sich für die Kürzungen bei Eigenheimzulage und Entfernungspauschale - Themen, die in der täglichen SZ-Serie bereits behandelt wurden.

Das Augenmerk der Firmen richtet sich auf Einzelheiten der Unternehmensbesteuerung wie die folgenden:

Mindeststeuer

SPD und Grüne hatten im Bundestag eine Begrenzung der Verlustverrechnung beschlossen, die wie eine Mindeststeuer wirken und stete Steuereinnahmen gewährleisten soll.

Danach könnten Unternehmen in Zukunft nur noch die Hälfte ihrer Verluste auf kommende, mutmaßlich bessere Jahre verschieben, müssten also mindestens die Hälfte ihres Jahresgewinns sogleich versteuern; ein Freibetrag lässt den vollen Verlustvortrag weiter bis 100.000 Euro zu.

Die unionsregierten Bundesländer haben diese Regelung bisher strikt abgelehnt und wollten sich, so Bayerns CSU-Finanzminister Kurt Faltlhauser, "keinen Millimeter bewegen" - ganz im Sinne der Wirtschaft, die massive Finanzierungsprobleme bei vielen Unternehmen befürchtet. Gleiches gilt für die Neuregelung der Gesellschafter-Fremdfinanzierung.

Fremdfinanzierung

Die entsprechende Änderung des Paragrafen 8 Absatz a des Körperschaftsteuergesetzes hätte "katastrophale Konsequenzen für den Mittelstand", sagt etwa Wolfgang Schaum vom Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) in Düsseldorf.

Auch Steuerexperten wie der frühere Präsident des Bundesfinanzhofs, Klaus Offerhaus, und der Freiburger Professor Wolfgang Kessler sind überzeugt: "Bei vielen personenbezogenen Kapitalgesellschaften, bei GmbH & Co. KGs und in Fällen der Betriebsaufspaltung wird es drastische Steuermehrbelastungen geben, die zu Lasten des Standorts gehen."

Betroffen sind Darlehen oder die Vermietung von Wirtschaftsgütern (Autos, Lagerhallen) vom Gesellschafter an die eigene Firma - mit teilweise bizarrem Ergebnis. Offerhaus/Kessler erläutern dies an einem Beispiel:

Eine mittelständische GmbH, an der A, B und C wesentlich (jeweils mehr als 25 Prozent) beteiligt sind, erhält von der Bank einen Kredit, für den sie jährlich 60.000 Euro Zinsen zahlen muss. Der Kredit ist - wie üblich - nur gewährt worden, weil A, B und C die persönliche Bürgschaft übernommen haben. Die Bank hat also gegen diese Gesellschafter ein Rückgriffsrecht.

Die von der GmbH für den Kredit zu zahlenden Zinsen wären nach der neuen Gesetzeslage eine verdeckte Gewinnausschüttung. Also würde sich, so Kessler, das Einkommen der GmbH fiktiv um die abgeflossenen Zinsen erhöhen, und auf diesen Betrag wären Körperschaft- und Gewerbesteuer sowie Solidaritätszuschlag fällig - "obwohl doch in Realität zusätzliches Einkommen gar nicht entstanden ist."

Damit nicht genug, müssten die Gesellschafter bzw. die Bank auch die empfangenen Zahlungen versteuern. Im Ergebnis führe dies bei allen personenbezogenen Kapitalgesellschaften zu einer (mindestens) eineinhalbfachen Besteuerung von betrieblich veranlassten Zinszahlungen.

Für Ex-Steuerrichter Offerhaus könnte hier das verfassungsrechtliche "Verbot der Übermaßbesteuerung" verletzt sein. Die Neuregelung weise erhebliche handwerkliche Mängel auf und sei nicht durchdacht. "Sie sollte nicht an unseren Unternehmen erprobt werden." Eine verdeckte Gewinnausschüttung wird laut Neuregelung angenommen, wenn das Verhältnis Fremdkapital zu Eigenkapital größer ist als 1,5 zu 1.

Dieser Wert entspricht einer Eigenkapitalquote von 40 Prozent. Nur: Im Durchschnitt liegt hier zu Lande die Eigenkapitalquote bei höchstens 25 Prozent. Damit sind viele Unternehmen unmittelbar betroffen, namentlich in Ostdeutschland, wo wegen Eigenkapitalmangels die Fremdfinanzierung besonders wichtig ist.

Das SPD-geführte Bundesfinanzministerium selbst hat eingeräumt, vielleicht etwas weit gegangen zu sein. Entsprechend ist die Regelung im Verlauf des Vermittlungsverfahrens bereits abgeschwächt worden.

Die bisher vorgesehene Freigrenze von 50.000 Euro soll auf 250.000 Euro verfünffacht werden. Damit wären bei einem Zinssatz von fünf Prozent Darlehen bis fünf Millionen Euro nicht betroffen. Viel zu wenig, befindet der Bundesverband der Deutschen Industrie. "Die Vorschläge gehen weiter an der Realität vorbei."

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