Verleger Axel Ganz zum "Jasmin"-Flop:"Non, je ne regrette rien"

Lesezeit: 3 min

Er ist einer der Großen der Verlagsbranche, hatte jahrzehntelang Erfolge - und setzte nun doch in Frankreich eine Zeitschrift (Jasmin) in den Sand. Axel Ganz, 70, im Interview.

Hans-Jürgen Jakobs

sueddeutsche.de: Herr Ganz, nach nur zehn Monaten wird Ihre mit größten Hoffnungen gestartete französische Frauenzeitschrift Jasmin eingestellt. Was lief schief?

Axel Ganz, 70, Aufsichtsrat von Gruner + Jahr. (Foto: Foto: AFP)

Axel Ganz: Ich war mir des Risikos bewusst. Wir wollten einen Titel starten, der Klasse mit Masse verbindet und sich genau zwischen populären und edlen, ambitionierten Zeitschriften etabliert. In diesem Markt ist von Gruner + Jahr mit Femme Actuelle der letzte neue große Titel vor 25 Jahren eingeführt worden. Das Problem ist heute, jede Woche genügend Frauen an die Kioske zu bringen. Das Medienangebot hat gewaltig zugenommen, aber der Tag hat nach wie vor nur 24 Stunden.

sueddeutsche.de: Vielleicht hätte Jasmin auch groß als Marke im Internet und für Mobilfunk starten sollen.

Ganz: Wir haben ja auch ein Online-Angebot gestartet. Aber wenn der Titel als Marke im Markt nicht funktioniert, dann baut man damit auch kein Internet auf. Priorität war Print.

sueddeutsche.de: Offenbar existiert die ausgeguckte Marktnische überhaupt nicht.

Ganz: So ist es. Das kann man durch qualitative Vortests leider nicht herausfinden. Wir haben im Vorfeld immer sehr gute Noten bekommen, aber zwischen Kaufabsicht und tatsächlichem Kauf klafft eben eine Lücke. Das Problem war die regelmäßige Wiederkaufquote - 35 bis 40 Prozent reichen eben nicht.

sueddeutsche.de: Die Französinnen wurden nicht süchtig nach ihrem Stoff?

Ganz: Wir haben in zehn Monaten dreimal justiert, einmal davon sogar deutlich umpositioniert. Zeitweise schafften wir sogar mehr als 200.000 Exemplare, doch letztlich scheiterten wir an diesem Zapping. Frauen haben nicht mehr die Zeit, jede Woche ein solch reichhaltiges Generalistenheft zu lesen.

sueddeutsche.de: Und wenn Jasmin länger durchgehalten hätte?

Ganz: Ich sehe die Entwicklung nicht. Oder anders gesagt: Die Investitionen, die zu tätigen wären, sind so hoch, dass man größte Schwierigkeiten haben würde, das Geld zurückzuverdienen. Wir haben zum Schluss noch 16 Seiten Fernsehen ins Heft genommen und sind testweise auf 1,30 Euro heruntergegangen, lagen also deutlich unter dem Startpreis von zwei Euro. Das Ergebnis war nicht überzeugend ...

sueddeutsche.de: Am Schluss schafften sie nur 100.000 - dreimal so viel war angepeilt.

Ganz: 300.000, das ist die Größenordnung von Gala in Frankreich, also nichts Utopisches. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass es heute sehr schwierig ist, im Frauenzeitschriftenmarkt einen wöchentlichen Titel durchzusetzen.

Lesen sie auf der folgenden Seite, ob unter dem Jasmin-Flop die Expansionspläne von Gruner + Jahr in Frankreich leiden.

sueddeutsche.de: Axel Ganz, der Frauenversteher, verstand seine Zielgruppe nicht mehr?

Ganz: Nein, so war es nicht. Die uns kaufen, sind hochzufrieden. Das Problem ist, dass diese Gemeinde nicht groß und zu unregelmäßig ist, um die wirtschaftliche Existenz zu garantieren.

sueddeutsche.de: Sie waren zu optimistisch, zu mutig?

Ganz: Sicher. Die Frage war ja immer, warum in 25 Jahren kein neuer Titel gestartet war - weil es keiner versucht hat oder weil es keinen Markt gibt? Dass es keiner versucht hat, wussten wir bereits, dass es keinen Markt gibt, das haben wir jetzt erfahren - leider.

sueddeutsche.de: Eine simple Erkenntnis für immerhin 20 Millionen Euro. Leiden mit diesem Flop die Expansionspläne von Gruner + Jahr in Frankreich?

Ganz: Das denke ich nicht. Es geht auch nicht darum, dass keine Zeitschriften mehr gelesen oder gekauft werden. Auch wir haben ja immerhin 100.000 jede Woche verkauft.

sueddeutsche.de: Für Gruner + Jahr haben Sie 60 Blätter erfolgreich in den Markt gebracht. Wie sehr schmerzt der späte Misserfolg?

Ganz: Das schmerzt mich natürlich sehr. Vor allem für meine Mannschaft, die das Beste gab, den Erfolg aber nicht hatte. Auf der anderen Seite muss man es unternehmerisch sehen: Wer nichts wagt, der gewinnt nichts.

sueddeutsche.de: Redaktionelle Fehler gab es nicht?

Ganz: Kein neues Blatt ist am Anfang perfekt. Aber Jasmin hat sich sicherlich im Lauf der Zeit erheblich verbessert.

sueddeutsche.de: Wie kümmern sich der Mutterkonzern Bertelsmann und die Pariser Verlagsniederlassung Prisma Presse um die 50 Mitarbeiter?

Ganz: Sofern Positionen frei sind, wird übernommen. Ich selbst werde mich auch darum kümmern, dass Mitarbeiter neue Jobs finden und alles sozialverträglich geregelt wird.

sueddeutsche.de: Vielleicht war der Titel ja keine gute Wahl. Schon in Deutschland ist eine Jasmin 1973 nach fünf Jahren gescheitert.

Ganz: Titel "machen" sich durch den Inhalt. Wenn der gut ist, kaufen die Leute jeden Titel.

sueddeutsche.de: Zeitschriftenkonzepte entwickeln. Was wird jetzt daraus?

Ganz: Ich konzentriere mich auf die Abwicklung. Ich mache nie den zweiten Schritt, wenn der erste nicht vollendet ist.

sueddeutsche.de: Gibt es irgendetwas, was Sie in dieser Geschichte bedauern?

Ganz: Alles, was ich bedaure ist, dass wir keinen Erfolg haben. Was ich nicht bedaure: dass wir es versucht haben. Es war eine spannende Zeit - und klar, das Abenteuer des Blattmachens ist nicht zu Ende. Also, wirklich: Je ne regrette rien.

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