Verkehrstechnik:Toll Collect hat Test bestanden

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Das Bundesverkehrsministerium hört die Kasse klingeln, bei DaimlerChrysler und der Telekom herrscht Erleichterung: Nichts spricht mehr dagegen, dass die Maut mit 16 Monaten Verspätung am 1. Januar ins Rollen kommt.

Von Ulf Brychcy

Das zuständige Bundesamt für Güterverkehr will dem Mautbetreiber Toll Collect Mitte nächster Woche die Betriebserlaubnis für das hochkomplexe System erteilen.

Zu 99 Prozent funktioniert das Mautsystem. (Foto: Foto: dpa)

Dann wird der Warentransport auf deutschen Autobahnen für Lkw nicht mehr kostenlos sein.

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung wird das Bundesamt für Güterverkehr dem Lkw-Mautsystem am 15. Dezember die Betriebserlaubnis bewilligen.

Damit kann am Neujahrstag das industrielle und verkehrspolitische Prestigeprojekt nach zahlreichen schwerwiegenden Pannen endlich regulär starten - 16 Monate später als ursprünglich geplant und als von Toll Collect vertraglich zugesichert. Dem Bund werden dann allein im kommenden Jahr Mauteinnahmen in Höhe von mindestens 2,1 Milliarden Euro zufließen.

Nahezu fehlerfreie Arbeit

Offiziell weist das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) mit Sitz in Köln zwar darauf hin, dass die Prüfung noch nicht vollständig abgeschlossen sei. Intern ist die Entscheidung aber bereits gefallen. "Es spricht sehr, sehr viel dafür, dass das Mautsystem am 1.Januar in Betrieb geht", bestätigte ein BAG-Sprecher.

Die satellitengestützte Anlage arbeitet demnach nahezu fehlerfrei. Die mehrwöchige Generalprobe, an der bundesweit 125 Speditionen mit mehreren tausend Lastwagen teilgenommen haben, hat ergeben, dass gut 99 Prozent aller Autobahntouren korrekt erfasst wurden. Vertraglich vorgeschrieben ist für das Jahr 2005 eine Genauigkeitsquote von 95 Prozent.

Bestätigt wurde diese umfassende Funktionsfähigkeit vom unabhängigen Sachverständigen Ulrich Schwerhoff aus Hamburg. Dessen Sozietät hat sich auf Gutachten in der Informationstechnik und der Telekommunikation spezialisiert.

Alle mit der Mautanlage beschäftigt

Schwerhoffs detaillierte Bestandsaufnahme über das Toll-Collect-System bildet die Grundlage für die Betriebsgenehmigung des Bundesamtes für Güterverkehr. "Darüber hinaus hat sich nahezu unser gesamtes Amt mit der Mautanlage beschäftigt", stellte der BAG-Sprecher fest.

Das Bundesverkehrsministerium hat den Aufbau des Systems ebenfalls eng begleitet, nachdem Toll Collect die Starttermine im September 2003 und zum Jahresbeginn 2004 nicht einhalten konnte. Verkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) sprach damals von Täuschung.

"Es gibt bislang kein Signal, dass der Mautbeginn am 1.Januar doch noch gestoppt wird", sagte nun ein Ministeriumssprecher zufrieden. Stolpe will die Regierungsfraktionen SPD und Grüne am kommenden Dienstag über den Mautstart unterrichten und einen Tag später mit den Verantwortlichen von BAG und Toll Collect an die Öffentlichkeit gehen.

Waren kaum verteuert

Damit endet für die Spediteure am Neujahrstag die kostenlose Autobahn-Benutzung, von der sie seit Wegfall der Eurovignette im September 2003 profitieren. Lastwagen kommen dann für einen Teil der Wegekosten auf.

Sie müssen pro gefahrenen Kilometer durchschnittlich 12,4 Cent zahlen, was laut Berechnungen des Verkehrsministeriums bei einem Lkw durchschnittliche Mehrkosten von 12400 Euro verursachen wird. Preiserhöhungen ließen sich daraus aber kaum ableiten.

Ein Kilo Bananen etwa verteuere sich durch die Maut gerade einmal um 1,2 Cent, ein Becher Joghurt um 0,4 Cent und ein Fernsehgerät um maximal 18 Cent, rechnet das Ministerium vor.

Voller Betrieb erst ab 3. Januar

In vollen Betrieb wird die Mautanlage erst am Montag, den 3. Januar gehen. Nach dem Feiertagswochenende, an dem nur wenige Lkw fahren dürfen, ist dies der erste Werktag. 500 Kontrolleure des BAG sollen dann nach Mautprellern Ausschau halten.

Stolpe erwartet, dass zum Jahreswechsel 300.000 Mautboxen in den Lkw-Kabinen montiert sein werden. Alle anderen Lastwagenfahrer müssen ihre Strecken per Internet oder an Terminals etwa auf Raststätten einbuchen. Stolpe benötigt die Mautmilliarden dringend für den Aus- und Neubau von Straßen und Schienentrassen.

Der zweimal von Toll Collect verschobene Start hat ein riesiges Loch in den Etat des Verkehrsministeriums gerissen. Der Bund verlangt deshalb von den Toll Collect-Haupteignern Schadensersatz in Höhe von fast 4,6 Milliarden Euro.

© SZ vom 8.12.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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