Verhandlungen:Karstadt-Belegschaft lehnt Sanierungsplan ab

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Die Arbeitnehmer von KarstadtQuelle bieten die Streichung übertariflicher Leistungen als Beitrag zur Sanierung des Konzerns an. Einem Urlaubs- und Gehaltsverzicht - wie vom Management gefordert - verweigern sie sich jedoch.

Von Helga Einecke und Stefan Weber

Der Karstadt-Vorstand fordert von den Beschäftigten einen dreistelligen Millionenbeitrag zur Sanierung.

Verhangene Schaufensterscheibe des Karstadt-Kaufhauses in Essen. (Foto: Foto: AP)

Nach einer Verständigung zwischen der Gewerkschaft Verdi und dem Gesamtbetriebsrat haben die Arbeitnehmervertreter eine Reihe von übertariflichen Leistungen aufgelistet, die sie in den Verhandlungen zur Disposition stellen. Dazu könnten das zusätzliche Weihnachtsgeld von durchschnittlich 600 Euro sowie Sonderurlaub gehören.

Franziska Wiethold vom Verdi-Bundesvorstand wollte aber ebenso wenig Details nennen wie Wolfgang Pokriefke, der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats. Zu einer Verlängerung der Arbeitszeit und dauerhaften Tarifeinschnitten sei man jedoch auf keinen Fall bereit.

"Angebot reicht bei weitem nicht aus"

Nach Auffassung des Karstadt-Managements reicht der angebotene Verzicht auf übertarifliche Leistungen, die rund zwei bis drei Prozent des durchschnittlichen Einkommens ausmachen, für eine erfolgreiche Sanierung des Unternehmens aber bei weitem nicht aus.

"Es muss auch über Urlaubs- und Gehaltverzicht sowie über eine Aufstockung der wöchentlichen Arbeitszeit auf bis zu 42 Stunden gesprochen werden", sagte ein Sprecher. Der Konzern drängt auf eine rasche Einigung mit der Belegschaft, um den kreditgebenden Banken Fortschritte bei der Sanierung präsentieren zu können.

Zeitdruck

Für Zeitdruck sorgt die geplante Kapitalerhöhung um 500 Millionen Euro, für die eine außerordentliche Hauptversammlung bereits Mitte November die Weichen stellen soll. Größter Aktionär ist der Pool Madeleine Schickedanz mit einem Anteil von 41,55 Prozent.

Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement warnte beide Seiten vor einer kompromisslosen Haltung. "Ich hoffe sehr, dass es zu einem einvernehmlichen Vorgehen im Unternehmen kommt. Alles andere würde KarstadtQuelle - um es vorsichtig auszudrücken - in eine äußerst schwierige Lage bringen", sagte er.

Der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Harald Schartau hatte für Dienstagabend etwa 70 Bürgermeister zu einem Krisengipfel nach Düsseldorf geladen. Mehr als die Hälfte der 77 zum Verkauf stehenden Warenhäuser von Karstadt-Quelle befinden sich in Nordrhein-Westfalen.

Wiethold sieht einen klaren Auftrag der Belegschaft um Beschäftigung, Standorte und Tarifbindung zu kämpfen. Zunächst seien lokale Aktionen geplant sowie der Schulterschluss mit der Kundschaft. Das Wort Streik wolle sie vor Beginn der Verhandlungen nicht in den Mund nehmen.

Qualität wichtiger als Schnelligkeit

Bei den Verhandlungen mit dem Karstadt-Vorstand, der am Dienstag zwischen Gesamtbetriebsrat und Warenhaus-Vorstand in Frankfurt begann, sei Qualität wichtiger als die Schnelligkeit.

Pokriefke zeigte sich erleichtert über die Rufe nach dem Erhalt seiner Firma und den Warenhäusern. "Es ist nicht alles Mist bei Karstadt", wehrte er die Kritik an langjährigen Versäumnissen im Unternehmen ab. Die Arbeitnehmervertreter, die beide im Aufsichtsrat sitzen, lehnten es ab, dem Management allein die Schuld an der Misere zu geben.

Allerdings sollte die Führungsmannschaft einen größeren Sanierungsbeitrag leisten als den angebotenen Gehaltsverzicht von zehn Prozent. Es gebe erste Signale aus der Konzernleitung darüber, dass die 77 kleineren Warenhäuser, die in eine eigene Gesellschaft ausgegliedert werden, weiterbestehen sollen.

"Die Botschaft hat sich geändert"

"Wir nehmen zur Kenntnis, dass sich die Botschaft verändert hat in Richtung neu ausrichten", sagte Wiethold. Den kleineren Filialen müsste mehr eigener Spielraum eingeräumt werden. Von einer möglichen Insolvenz wollte Pokriefke nicht wieder sprechen, nachdem ein Hinweis von ihm am Vortag den Kurs der Karstadt-Aktie nach unten gedrückt hatte. Er sagte lediglich:"Wir haben ein finanzielles Problem".

Nicht nur über die Zukunft der Warenhäuser gibt es "unterschiedliche Botschaften", sondern auch über den Umfang der bedrohten Arbeitsplätze.

Die Gewerkschaft legt Wert auf die Feststellung, 20.000 Beschäftigte seien in der ein oder anderen Weise von dem Sanierungsplan betroffen. Es gehe aber um 7000 Mitarbeiter, die in der Verwaltung und in den Filialen ihren Job verlieren könnten. Der Vorstand spreche von 4200 auf volle Arbeitszeit umgerechnete Stellen.

© SZ vom 06.10.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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