Venturion-Börsengang:"Abzocke von der übelsten Sorte"

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"Herr Kunde, wie Sie wissen, hat grundsätzlich ein Unternehmen, welches gerade an die Börse geht, logischerweise bei der Erstemission immer einen Gewinn" — verspricht der Finanzvertrieb Venturion. Dumm nur, dass seine Mitarbeiter indes noch immer auf ihr Gehalt vom Juni warten.

Von Thomas Öchsner

Der Vorstandschef des Finanzvertriebs Venturion, Adolf Eggendorf, strotzt vor Selbstbewusstsein. Ob vor der Presse oder eigenen Mitarbeitern — stets verkündet der Unternehmensgründer aus Hamm, dass Venturion im November 2004 an die Börse gehe. "Das steht fest", versichert Eggendorf.

Derzeit suchen die etwa 800 freien Handelsvertreter von Venturion fleißig Käufer für bis zu fünf Millionen Aktien, die das Unternehmen im Rahmen einer vorbörslichen Kapitalerhöhung an private Anleger für 3,50 Euro pro Stück verkaufen will.

Verluste in 2004

Für etwa ein Drittel hat das Unternehmen, das auf den Vertrieb von Versicherungen und Fonds spezialisiert ist, bereits Abnehmer gefunden. Im November will Venturion 25 Millionen Aktien an der Börse platzieren.

Bis dahin hat Eggendorf jede Menge Probleme zu lösen. Obwohl ein Gewinn von 2,5 Millionen Euro angepeilt war, schreibt das Unternehmen 2004 Verluste. Nach wie vor liegt keine Bilanz für 2003 vor.

Die Wirtschaftsprüfer von Price Waterhouse Coopers (PwC) haben die Geschäftszahlen von Venturion immer noch nicht testiert. Aber auch bei kleinen Dingen hapert es: Schon Anfang März mussten Mitarbeiter auf ihr Geld warten.

Jetzt räumt Eggendorf auf SZ-Anfrage ein, dass sich die Gehaltszahlungen im Juni "durch abrechnungstechnische Faktoren" erneut verzögert hätten. Beim derzeit laufenden Verkauf der Aktien ist deshalb viel Überzeugungsarbeit notwendig, sowohl bei den Mitarbeitern im Vertrieb als auch bei den Kunden:

So erhielt der beste Aktienverkäufer im Juni einen Mercedes SLK. Und um potenzielle Kunden besser überzeugen zu können, kursieren schriftliche Leitfäden für die Verkaufsgespräche, mit und ohne Logo von Venturion.

"Immer Gewinn"

In einem Muster mit dem Titel "Aktiengespräch" heißt es zum Beispiel: "Herr Kunde, wie Sie wissen, hat grundsätzlich ein Unternehmen, welches gerade an die Börse geht, logischerweise bei der Erstemission immer einen Gewinn, das heißt wir liegen über 3,50 Euro.

Stellen Sie sich mal vor, es wären nur 0,35 Euro. Das wären zehn Prozent Steigerung, die Sie zur Zeit bei keiner Bank bekommen." In einem anderen Leitfaden wird ebenfalls auf den 22.11. als Termin für den Börsengang verwiesen.

Weiter ist dort zu lesen: "Unser derzeitiger Unternehmenswert ist mit 230 Millionen Euro schriftlich durch Wirtschaftsprüfer fixiert." Zum Börsengang werde der Kapitalwert "dann von Wirtschaftsprüfern zur Zeit irgendwo zwischen 500 und 700 Millionen bewertet".

Hanebüchene Verkaufsmethoden

Hans Richard Schmitz, Rechtsanwalt und Bonner Vertreter der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), hält solche Verkaufsmethoden für hanebüchen: "Ein Börsengang garantiert noch längst keinen Gewinn. Und den Unternehmenswert mit 230 Millionen Euro zu beziffern, halte ich angesichts der vorliegenden Geschäftszahlen für sehr mutig.

Womöglich sehen das die Wirtschaftsprüfer von PwC ähnlich. Wie daraus binnen weniger Monate plötzlich das Doppelte oder Dreifache werden kann, ist mir erst recht schleierhaft. Hier wird doch versucht, eine Abzocke von der übelsten Sorte zu betreiben."

Vorstandschef Eggendorf weist diese Vorwürfe zurück: Von Seiten der Venturion AG gebe es keine offizielle Anordnung für einen solchen Gesprächsleitfaden. "Den Handelsvertretern ist es strikt untersagt, Aussagen zum Unternehmenswert oder zu einem möglichen Emissionspreis der Aktie zu machen."

"Gespräche auswendig gelernt"

Der SZ liegt jedoch ein Schreiben mit dem Logo der Venturion Versicherungsmakler GmbH vor. Titel: "Aktiengespräch". Darin wird über einen Aktienkurs von vier Euro nach dem Börsengang schwadroniert. "Das sind dann 15 Prozent Rendite für Sie", heißt es in dem Papier weiter.

"Venturion hat immer mit solchen Leitfäden gearbeitet", sagt ein früherer Vertriebsdirektor des Unternehmens. Ein anderer Mitarbeiter versichert: "Die haben doch jeden Vertreter genommen, den sie kriegen konnten, um an neue Kundenadressen heranzukommen. Viele haben die Gesprächsleitfäden dann auswendig gelernt."

Damit nichts schief gehen kann, steht in einem Muster auch, was der Vertreter sagen soll, wenn der Kunde kaufen will: "Ich rufe mal bei unserem Regionaldirektor an und frage, ob wir für Sie noch etwas machen können... Ich habe hier einen Kunden, welcher sich mit ... Euro an der Venturion beteiligen würde. Geht das noch?"

© SZ vom 29. Juli 2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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