USA:Wahlhelfer Greenspan

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Es ist Wahlkampf in den Vereinigten Staaten und nun rächt es sich, dass Alan Greenspan nie einfach nur Notenbankchef sein wollte.

Von Marc Hujer

Acht Jahre lang hatte er mit Präsident Bill Clinton und den Demokraten Wirtschafts- und Geldpolitik gemacht, er hatte dafür gesorgt, dass eine ehemals gewerkschaftshörige Partei eine wirtschaftsfreundliche Politik verfolgte und sie dafür mit niedrigen Zinsen entlohnt.

Doch als vor dreieinhalb Jahren George W. Bush Präsident wurde, die Rekordüberschüsse im Staatshaushalt und damit die wichtigste Errungenschaft der Demokraten innerhalb weniger Monate zunichte machte, blieb der 78-Jährige zunächst aufreizend stumm.

Die verschwenderische Defizitpolitik, die Greenspan Jahre lang gegeißelt hatte, schien er unter dem Republikaner Bush klaglos zu akzeptieren. Die Demokraten waren entsetzt. Und sind es bis heute.

Kritik der Demokraten

Das Problem, das die Demokraten mit Greenspan haben, ist deren berechtigter Verdacht, sie seien von ihm jahrelang um notwendige Ausgabenprogramme gebracht worden.

Auf einmal sieht es nämlich so aus, als habe er ihnen nur deshalb Haushaltsdisziplin und ein ausgeglichenes Budget empfohlen, weil er neue Ausgabenprogramme verhindern wollte. Das Geld, das sie gespart hatten, haben nun die Republikaner für Steuersenkungen ausgegeben.

Und obwohl Greenspan ihnen immer drohte, die Zinsen würden bei einem hohen Haushaltsdefizit gefährlich stark steigen, sieht er nun keine Notwendigkeit, die Zinsen anzuheben.

Selbst in der Notenbank gibt es inzwischen Kritik an einer zu leichtfertigen Politik des Vorsitzenden. Greenspan hat zunehmend Probleme, eine klare Mehrheit zu bekommen. Auch gibt es Bestrebungen, die Freiheiten des Vorsitzenden per Regeln einzuschränken.

Der Ruf Alan Greenspans hat darüber ernsten Schaden genommen. Zu oft, beanstanden seine Kritiker, habe Greenspan in seiner Amtszeit nun schon seine Positionen geändert, um sein Amt noch glaubwürdig vertreten zu können.

Und dabei geht es inzwischen nicht mehr allein um den Vorwurf, Greenspan habe die Steuersenkungen Bushs befürwortet, obwohl er schon damals wissen musste, dass sie die Staatsfinanzen ruinieren würden. Einige Demokraten behaupten nun, der Notenbankchef wolle mit seiner gegenwärtigen Niedrigzinspolitik Wahlhilfe für Bush leisten.

Das Versprechen, die Zinsen für eine "beträchtliche Zeit" niedrig zu halten, übersetzten sie hämisch mit: Hiermit verspreche ich, Alan Greenspan, dass die Zinsen bis zum Wahltag nicht angehoben werden. Dass es derzeit angesichts der niedrigen Inflation durchaus vernünftig sein kann, die Leitzinsen niedrig zu halten, änderte nichts an der Kritik.

Zweifellos ist es heute so, dass Alan Greenspan anders über Defizite denkt als er es beim Amtsantritt Bill Clintons getan hat. In mehreren Reden ließ er durchblicken, dass er trotz der hohen Defizite im Staatshaushalt und in der Leistungsbilanz nicht allzu sehr um die Stabilität der amerikanischen Wirtschaft besorgt ist.

Er glaube vielmehr, sagte er, dass es den Vereinigten Staaten heute leichter falle, große Mengen an Kapital anzuziehen, ohne dabei nachteilige Folgen davon zu tragen. Greenspan nennt dafür sicherlich gute Gründe wie die, dass die Finanzmärkte heute flexibler sind als früher und Investoren zunehmend bereit sind, ihr Geld im Ausland anzulegen.

Auch weist er zurecht darauf hin, dass die heutigen Defizite gemessen an der Wirtschaftskraft des Landes noch nicht das Maß der späten Achtzigerjahre erreicht haben. Doch er kann damit nicht das Argument entkräften, dass sich die Staatsfinanzen noch nie so schnell verschlechtert haben wie heute und er nicht ernsthaft etwas dagegen unternommen hat.

Schon Greenspans Parteibuch allein macht ihn für die Demokraten irgendwie verdächtig. Er ist Republikaner wie Bush, er wurde von einem Republikaner (Gerald Ford) nach Washington geholt, er wurde von einem Republikaner (Ronald Reagan) zum Notenbankchef der Vereinigten Staaten ernannt und von einem Republikaner (George W. Bush) in seinem Amt bestätigt.

Es liegt daher nahe, ihm parteipolitische Motive zu unterstellen. Aber genauer betrachtet, hat er sich nie automatisch mit Republikanern besser verstanden als mit Demokraten.

Seine erfolgreichste Zeit hatte er während des Neunzigerjahre-Booms an der Seite des Demokraten Bill Clinton. Mit dem Republikaner George Bush Senior dagegen schied er im Streit, weil seine angeblich falsche Zinspolitik Bushs Wahlniederlage besiegelte. Es ist deshalb noch lange nicht gesagt, dass er heute lieber einen Präsidenten Bush als einen Präsidenten Kerry hätte.

Schlanker Staat

Es sieht so aus, als sollte der Wahlkampf das Land auch in der Wirtschaftspolitik spalten. Auf der einen Seite in die Demokraten, die wieder mehr für die Benachteiligten tun wollen, die Menschen vor Wandel schützen und die Verlagerung von Arbeitsplätzen verhindern wollen.

Und auf der anderen Seite in die Republikaner, die angeblich den Reichen und Unternehmen noch mehr geben wollen, und immer nur die Steuern senken. Die Zeiten, in denen Greenspan beide Seiten zur Vernunft rufen kann, sind vorbei.

Wenn es sein erklärtes Ziel war, den Staat schlanker zu machen, ist es ihm gelungen. Als unabhängiger Notenbankchef hat er sich aber nicht empfohlen - und gerade jetzt wäre eine glaubwürdige Stimme so wichtig gewesen.

© SZ vom 20.03.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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