USA:Steuerflucht als Volkssport

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US-Unternehmen schleusen Milliarden am Fiskus vorbei. Oft müssen die Steuerbehörden dem Treiben hilflos zusehen.

Von Andreas Oldag

(SZ vom 07.10.03) - US-Präsident George W. Bush gerät wegen des wachsenden Budgetdefizits in die Bredouille. Das Minus im Staatshaushalt wird in diesem Jahr wahrscheinlich rund 450 Milliarden Dollar aufweisen. Die ausufernden Kosten für den Irak-Krieg haben ein tiefes Loch in die öffentlichen Kassen gerissen.

Aber auch die Bundesstaaten ächzen unter der Ausgabenlast. Gleichzeitig müssen sie sinkende Steuereinnahmen verkraften.

Hauptursache ist der Konjunkturabschwung. Die Unternehmen führen weniger Steuern an den Staat ab. Zudem spielt Steuerhinterziehung eine immer größere Rolle. US-Unternehmen schleusen Milliarden am Fiskus vorbei.

Nicht nur Gesetzeslücken werden genutzt

Experten sprechen von einer regelrechten "Kultur der Steuertricks". So werden nicht nur Gesetzeslücken zwischen den Bundesstaaten aggressiv genutzt.

Konzerne verlagern ihre Finanzgeschäfte in Steuerparadiese, wie beispielsweise die Bermudas und Virgin Islands. Alarmierende Zahlen veröffentlichte ein Report der "Multistate Tax Commission", einer Organisation der US-Steuerbehörden: Danach verloren die US-Bundesstaaten 2001 insgesamt 12,4 Milliarden Dollar an Einnahmen durch ausgeklügelte Methoden der Steuerhinterziehung.

Kein Zufall, dass der Bundesstaat Kalifornien in einer akuten Finanzkrise steckt, die sogar zu einer Regierungskrise geführt hat.

Fachleute schätzen, dass der US-Steuerbehörde IRS jährlich 70 bis 100 Milliarden Dollar an Einnahmen verloren gehen. Firmen, aber auch vermögende Bürger schaffen ihr Kapital in die sicheren Fluchtburgen des Geldes. Steuerhinterziehung ist nicht nur in Europa, sondern auch in den USA zum Volkssport geworden. Tipps, wie man den Staat betrügt, werden mittlerweile im Internet verbreitet.

Personalmangel

Die IRS hat im vergangenen Jahr mehr als 82.000 Fälle von Steuerhinterziehung registriert. Aufgrund von Personalmangel konnte die Steuerbehörde jedoch nur bei 17.000 Verdächtigen Ermittlungen einleiten.

Kritiker werfen der Bush-Regierung vor, nicht genügend zu tun, um die Erosion der Steuereinnahmen einzudämmen. Vor allem die Lobby der Großindustrie, Banken und Wirtschaftsprüfer hätten bislang schärfere Gesetze verhindert, heißt es. Staatsanwälte und Steuerfahnder agieren deshalb auf verlorenem Posten.

Nach großen Mühen ist es immerhin vor kurzem einem US-Bundesgericht gelungen, ein Steuerberatungsbüro in Chicago dazu zwingen, die Namen von Hunderten von Klienten herauszugeben. Sie stehen in Verdacht, den Fiskus betrogen zu haben.

Maßgeschneiderte Steuersparmodelle

Außerdem hat die IRS jetzt mit 40 Bundesstaaten ein Abkommen über den Informationsaustausch bei Steuerbetrügereien vereinbart. Aufs Korn genommen haben die Ermittler die Wirtschaftsprüfer-Gesellschaften. Diese verdienen Millionen mit maßgeschneiderten Steuersparmodellen.

Die Branche ist in Verruf geraten, weil renommierte Prüfer den Skandalfirmen Enron und Tyco halfen, Einnahmen zu verstecken und Bilanzen zu manipulieren.

Die Wirtschaftsprüfergesellschaft Ernst & Young einigte sich nach US-Presseberichten mit der IRS auf Zahlung von 15 Millionen Dollar, weil sie Kunden zu illegalen Steuersparmodellen geraten hatte.

Im Land der Anwälte und Gerichtsprozesse müssen die Wirtschaftsprüfer jetzt allerdings auch mit Schadensersatzklagen ihrer Klienten rechnen, weil ihnen falsche Zusagen über die "Sicherheit" einer Steueroase gemacht wurden.

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