USA:Der feine Herr Buffett

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Nach Bill Gates ist er der zweitreichste Mann in den USA, Aktionäre haben ihn stets bejubelt - jetzt muss der Großinvestor um seinen guten Ruf bangen.

Von Andreas Oldag

Im "Nebraska Furniture Mart" ist "The Warren" ein Verkaufshit. Die breite Federkernmatratze gehe derzeit weg wie warme Semmeln, schwärmt Verkaufsmanager Robert Batt.

Warren Buffett (Foto: Foto: AP)

Ein Poster an der Wand zeigt den legendären Investor Warren Buffett als Reklame-Model: Er räkelt sich, bekleidet in Anzug und Krawatte, auf der stattlichen Unterlage, die seinen Namen trägt. "Das ist Ausweis für hundert Prozent Glaubwürdigkeit. Unsere Kunden sagen, wenn sein Name drauf steht, muss es großartig sein", sagt Batt, ehe er wieder zwischen Nussbaum furnierten Regalen, geblümten Sofalandschaften und opulenten Kingsize-Betten verschwindet.

Begeistert von der Glaubwürdigkeit

Das Geschäft brummt in der Stadt Omaha im Bundesstaat Nebraska. Vieles, was hier Umsatz macht, mehrt den Reichtum des Warren Buffett. Der 40.000 Quadratmeter große Möbel-Supermarkt gehört ebenso zu seinem Firmenimperium Berkshire Hathaway wie der Juwelier Borsheim's im Zentrum der 400.000 Einwohner großen Stadt.

Dort steht die elegant gekleidete Susan Jacques vor den Glasvitrinen mit den diamantbesetzten Verlobungsringen und schimmernden Goldketten. Die charmante Blondine hat nur Gutes von Buffett zu berichten: "Es gibt niemanden, der so viel Glaubwürdigkeit und Integrität hat", meint sie.

Doch genau damit wird der 74-Jährige an diesem Samstag in seiner Heimatstadt Omaha zu kämpfen haben, wenn er die Anteilseigner seiner Firma Berkshire Hathaway wieder zur jährlichen Aktionärsversammlung mitten in der amerikanischen Provinz begrüßt.

Omaha im rauen Nebraska sei das "Woodstock der Kapitalisten", wie die New York Times schrieb. Der Firmenpatriarch, der mit einem geschätzten Privatvermögen von 42,9 Milliarden Dollar auf der Liste des Magazins Forbes hinter Bill Gates als zweitreichster Mann Amerikas geführt wird, lässt sich gern von seinen Fans feiern.

Doch in diesem Jahr könnte es anders kommen: Ungemach hat sich 1800 Kilometer Luftlinie weiter im Osten des Landes zusammengebraut, in New York City, dort wo es keine Matratzen mit dem Namen Warren gibt.

Dubiose Buchungen

In der amerikanischen Finanzmetropole macht seit Wochen ein Skandal um den amerikanischen Versicherungskonzern American International Group (AIG) Schlagzeilen.

Wegen Bilanzmanipulationen musste der langjährige Unternehmenschef Maurice Greenberg zurücktreten. Ins Visier der US-Börsenaufsicht SEC und des New Yorker Generalstaatsanwalts Eliot Spitzer ist aber auch Buffetts Versicherungsfirma General Re geraten, eine Tochtergesellschaft von Berkshire Hathaway. Es geht es um zwei dubiose Buchungen aus dem Jahre 2000 und 2001. Damals hatte AIG Forderungen von 500 Millionen Dollar auf General Re übertragen und die eigenen Reserven im selben Volumen erhöht.

In der Versicherungsbranche sind dies übliche Vorgänge, so genannte Retrozessionen, das heißt Weitergabe von Risiken von einem Versicherer zu einem anderen. Der Geschäftspartner übernimmt die Schadenslast gegen eine Art Ratenrückzahlung über mehrere Bilanzperioden. Nach Meinung der Ermittler ging es jedoch in diesem Fall um eine reine Finanztransaktion mit dem Ziel, die AIG-Bilanz zu schönen.

Und es geht nicht nur um AIG: General Re wird auch im Zusammenhang mit dem Zusammenbruch des australischen Versicherungskonzerns HIH genannt, der in ähnliche Transaktionen verwickelt war. "Buffett wird sich kritischen Fragen stellen müssen. Seine Anleger wollen wissen, was er von den Geschäften gewusst hat", meint ein Wall-Street-Banker.

Plötzlich hat der Multimilliardär ein Glaubwürdigkeitsproblem. Das "Orakel von Omaha", wie der Guru der Kleinanleger genannt wird, gibt sich gerne als Saubermann in Sachen Unternehmensführung. Buffett hat die Unternehmensskandale, welche die amerikanische Wirtschaft nach dem Platzen der Internet-Spekulationsblase erschütterten, mit scharfen Worten gerügt.

Längst hat Buffett, den der kalifornische Gouverneur und ehemalige Action-Darsteller Arnold Schwarzenegger als Wirtschaftsberater anheuerte, Kultstatus. "Er ist der erfolgreichste Investor aller Zeiten, mein Mentor, mein Held", sagt Schwarzenegger, der sich selbst gerne als Held stilisiert. Wie kaum ein anderer verkörpert Buffett zudem den amerikanischen Traum vom Aufstieg aus bescheidenen sozialen Verhältnissen zum milliardenschweren Unternehmer.

"Ich habe den Ball nicht getroffen"

1956 gründete der ehemalige Coca-Cola-Verkäufer, der später Wirtschaft an der Columbia Universität in New York studierte, eine Investmentfirma, die dann die bankrotte Textilfirma Berkshire Hathaway erwarb. Aus der Industrieruine schmiedete Buffett eine hochprofitable Kapitalanlagegesellschaft, zu der unter anderem die Modefirma Fruit of the Loom und der Lebensmittelgroßhändler McLane gehören.

Außerdem ist Berkshire unter anderem Großaktionär beim Getränkekonzern Coca-Cola. Wichtigster Geschäftsteil sind jedoch die Versicherungsfirmen Geico, National Indemnity und General Re.

Doch im vergangenen Jahr lief es für den erfolgverwöhnten Buffett nicht mehr so glatt: Zwar stieg der Berkshire-Umsatz um 16,5 Prozent auf 74,4 Milliarden Dollar. Doch der Gewinn fiel wegen geringerer Investmentgewinne im Versicherungsbereich um 10,3 Prozent auf 7,3 Milliarden Dollar. "Ich habe den Ball nicht getroffen", gab Baseballfan Buffett in seinem jährlichen Aktionärsbrief zu.

Den Ball hat Buffett nach Meinung seiner Kritiker auch im Fall General Re/AIG ins Leere fliegen lassen. Bislang redete sich der Anlage-König heraus, er habe von den Tricksereien nichts gewusst, versicherte er Mitte April noch den SEC-Ermittlern in New York. Das mag stimmen: Denn Buffett ist bekannt dafür, dass er seinen Managern in den Konzernsparten viel Spielraum lässt.

Mit Spannung fiebern die Investoren deshalb dem Treffen in Omaha entgegen. Schließlich könnte das Orakel seine Rolle bei General Re näher erklären.

Um sich selbst zu entlasten, hat Buffett offenbar auf volle Kooperation mit den Ermittlern geschaltet und ihnen sogar brisante Firmendokumente zugespielt. Diese nutzen die Behörden, um gegen AIG-Chef Greenberg vorzugehen.

Bislang verband Buffett und Greenberg eine langjährige Freundschaft. Damit, heißt es an der Wall Street, sei nun allerdings Schluss.

© SZ vom 30.04.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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