US-Skandalfirma Enron:Ex-Präsidentenfreund vor langer Haftstrafe

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Der Prozess um die Skandalfirma Enron steht vor dem Abschluss. Nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens muss sich Ex-Konzernchef Kenneth Lay auf eine jahrzehntelange Haftstrafe einstellen. Lay galt als enger Freund von US-Präsident George Bush.

Andreas Oldag

Der Prozess um die spektakuläre Pleite des texanischen Energiekonzerns Enron geht in die Endphase. Nach mehr als 50 Verhandlungstagen und 51 Zeugenvernehmungen stehen in der kommenden Woche die Schlussplädoyers an.

Enron-Gründer Kenneth Lay beantwortet vor dem Gerichtsgebäude in Houston Fragen. (Foto: Foto: AP)

Prozessbeobachter halten einen Schuldspruch gegen die angeklagten Ex-Enron-Chefs Jeffrey Skilling und Kenneth Lay für immer wahrscheinlicher. Beide müssen mit einer jahrzehntelangen Haftstrafe in einem der größten Wirtschaftsprozesse der USA rechnen.

Der vorsitzende Richter bescherte der Anklage jetzt mit einem überraschenden Kommentar einen strategischen Erfolg. So kündigte Richter Simeon Lake an, er wolle die Geschworenen darauf hinweisen, dass "vorsätzliches Ignorieren" der betrügerischen Machenschaften innerhalb des Konzerns für einen Freispruch nicht ausreiche.

Verteidigung enttäuscht

Die Verteidigung zeigte sich dagegen enttäuscht über die Anmerkung des Richters an die zwölf Geschworenen, die über Schuld und Unschuld der Angeklagten zu entscheiden haben.

Die Staatsanwaltschaft wirft Lay und Skilling im Zusammenhang mit der milliardenschweren Enron-Pleite Verschwörung, Betrug und Insider-Handel in etwa drei Dutzend Anklagepunkten vor.

Die beiden Führungskräfte sollen Analysten, Anleger und Angestellte über die finanzielle Misere des Unternehmens, das weltweit einst mehr als 20000 Beschäftigte hatte, bewusst im Dunkeln gelassen haben, um sich selbst zu bereichern.

Unschuldsbeteuerungen

Der 64-jährige Lay und der 52-jährige Skilling beteuerten in dem Verfahren wiederholt ihre Unschuld und machten vor allem den geständigen Ex-Finanzchef Andrew Fastow für die Bilanzierungstricks und Gewinnmanipulationen verantwortlich.

Fastow hatte zugegeben, Milliardenschulden in Tochterfirmen versteckt und Gewinne vorgetäuscht zu haben. Er sagte vor Gericht, Lay und Skilling hätten die dubiosen Transaktionen gebilligt.

Nach dem Bankrott des nach dem Börsenwert einst siebtgrößten US-Konzerns im Dezember 2001 verloren Tausende Beschäftigte ihren Arbeitsplatz. Milliarden Dollar in den Pensionskassen der Mitarbeiter waren weg.

Absturz der Aktie

Anleger mussten mit ansehen, wie ihre Enron-Aktien von mehr als 80 Dollar bis auf wenige Cent abstürzten. Der Fall erregte auch deshalb großes Aufsehen, weil Lay als Förderer der Republikanischen Partei ein enger Freund von US-Präsident George W. Bush war.

Der Prozess stand von Beginn an vor dem Problem, dass die Anklage nur wenige schriftliche Dokumente vorlegen konnte, welche die Angeklagten belastet hätten. Dies mag auch daran liegen, dass es Lay und Skilling offenbar vermieden haben, firmeninterne Entscheidungen, beispielsweise über E-Mails, zu kommunizieren.

Die Anklage konzentrierte sich deshalb auf die Aussagen von Zeugen, von denen 22 vorher ein Schuldbekenntnis abgelegt hatten. Sie wollten sich durch eine Kooperation mit der Staatsanwaltschaft ein geringeres Strafmaß sichern.

Keine Immunität

Dagegen kritisierte die Verteidigung, dass zahlreiche Zeugen, darunter einige ehemalige Top-Manager des Enron-Konzerns, für eine mögliche Entlastung der Angeklagten nicht zur Verfügung standen, weil den Zeugen vom Gericht keine Immunität eingeräumt worden war.

Nach der Einschätzung von Prozessbeobachtern hat sich Skilling im Kreuzverhör relativ gut geschlagen. Dies lag offenbar auch an seiner sehr detailliert geplanten Vorbereitung durch seinen erfahrenen Anwalt Daniel Petrocelli.

Riskantes Spiel

Für einen Angeklagten ist ein Kreuzverhör im Gerichtssaal immer ein riskantes Spiel, weil es neben den objektiven Argumenten auch um den subjektiven Eindruck seiner Glaubwürdigkeit geht, den er bei den Geschworenen hinterlässt.

Dagegen hatte Lay, der sich gerne als gütiger Großvater und Wohltäter gibt, größere Probleme, seine Contenance zu wahren. Er wirkte häufig gereizt und lieferte sich wortreiche Scharmützel mit dem Staatsanwalt.

Ein Nachteil war, dass sein Hauptverteidiger wegen einer Herzoperation ausfiel. Der Unternehmensgründer Lay hatte 15 Jahre lang in Top-Positionen des Enron-Konzerns gearbeitet.

Hybris des Internetzeitalters

Anfang 2001 gab er den Chefposten (CEO) an Skilling ab und wechselte als Chairman in den Aufsichtsrat. Wie kaum ein anderes Unternehmen stand Enron für die Hybris des Internetzeitalters in den 90er Jahren.

Was mit der Pleite zerbrach, war die Vision vom weltgrößten Energieunternehmen, in dem coole Manager per Mausklick Öl- und Erdgas-Terminkontrakte um den Erdball hin- und herschieben.

© SZ vom 12.05.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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