US Notenbank:Das Leben nach Greenspan

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Notenbankchef Alan Greenspan gilt als der zweitmächtigste Mann Amerikas. Wer 2006 sein Nachfolger wird, ist offen. So offen wie die Präsidentschaftswahl, denn Bush oder Kerry wird ihn ernennen.

Von Marc Hujer

Es gibt einen ganzen Haufen von Wahlversprechen, die von den Kandidaten George W. Bush und John Kerry täglich vorgestellt werden. Man kann über sie im Internet lesen, in Programmheften und Expertenpapieren.

Wer wird Alan Greenspan als Chef der amerikanischen Notenbank nachfolgen? (Foto: Foto: dpa)

Aber die wichtigste wirtschaftspolitische Entscheidung der nächsten Amtszeit, die bedeutender sein wird als nur die nächste Steuer-, Renten- und Gesundheitsreform, wird offiziell nie erwähnt, es gibt dazu keine Wahlkampfreden und keine Fernsehdebatten: Im Jahr 2006 muss Notenbankchef Alan Greenspan unweigerlich gehen, weil seine maximal zulässige Amtszeit abläuft.

Dann wird entweder Bush oder Kerry der erste US-Präsident sein, der nach fast zwei Jahrzehnten wieder einmal einen neuen Notenbankchef ernennen darf.

Der mächtigste Mann neben dem Präsidenten

Es ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, denn der Notenbankchef Amerikas gilt als der mächtigste Mann neben dem Präsidenten, und gerade Greenspan hat dem Amt in den vergangenen Jahren zusätzlichen Glanz verliehen.

1987 wurde Greenspan von Präsident Ronald Reagan zum Nachfolger des damaligen Notenbankchefs Paul Volcker ernannt. Er erarbeitete sich einen fast makellosen Ruf, steuerte Amerika und die Welt durch Rezessionen und Schuldenkrisen und gilt heute als Architekt des Neunziger-Jahre-Booms.

In Amerika, wo viele Menschen ihr Vermögen und ihren Konsum auf Pump finanziert haben, sind die Entscheidungen über die Zinsen manchmal existenzieller als die Frage, ob die Renten um ein paar Dollar mehr oder weniger angehoben werden. Die Finanzpolitik hat er in seiner Amtszeit möglicherweise mehr beeinflusst als alle Finanzminister neben ihm zusammen genommen.

Bush und Kerry haben ihre Favoriten

Es ist also keine Frage, dass beide Präsidentschaftskandidaten sich schon jetzt über Kandidaten Gedanken machen. Und was Bush betrifft, so stehen seit längerem zwei Ökonomen an vorderster Stelle, die sich in den letzten Monaten als große Verteidiger seiner Steuerpolitik hervorgetan haben: Glenn Hubbard und Martin Feldstein.

Glenn Hubbard, 46, ist heute Professor an der Columbia Universität in New York. Er war bis vor einem Jahr Bushs oberster Wirtschaftsberater und gilt als Architekt von Bushs letzter großer Steuerreform.

Der zweite Kandidat Feldstein, 64, war schon unter Präsident Reagan oberster Wirtschaftsberater. Er hat sich als "supply sider", als Anhänger der angebotsorientierten Wirtschaftspolitik, einen Namen gemacht. Er gilt nicht als Dogmatiker und propagierte vorübergehende Steuererhöhungen, um das Defizit auszugleichen. Feldstein ist heute Professor an der Harvard Universität und Präsident des angesehenen National Bureau of Economic Research, das offiziell Beginn und Ende von Konjunkturzyklen in den USA feststellt.

Wenn es dagegen nach Kerry geht, dürfte Robert Rubin der nächste Notenbankchef werden. Rubin, 66, war unter Bill Clinton Finanzminister, begann Clintons erfolgreiche Sparpolitik und arbeitete dabei eng mit Notenbankchef Greenspan zusammen. Rubin ist heute Vorsitzender des Exekutivkomitees der Citigroup in New York und genießt großes Vertrauen an der Wall Street.

Allerdings ist ungewiss, ob Rubin das Amt überhaupt annehmen würde, nachdem seine Frau nicht gerne nach Washington möchte und er schon als erfolgreicher Finanzminister die Stadt frühzeitig verließ.

Greenspans Amtszeit läuft 2006 aus

Falls Rubin absagen sollte, dürfte die Wahl auf Lawrence Summers, 49, fallen. Er war Chefökonom der Weltbank, dann Rubins Staatssekretär und nach dessen Rücktritt Finanzminister. Heute ist Summers Präsident der Harvard Universität, ein Job, der ihm nur mäßig zusagt.

Es wird noch eine Zeit dauern, bis der neue Notenbankchef endgültig feststeht. Greenspans Amtszeit endet am 20. Juni 2006, und so wie es aussieht, will Greenspan seine Dienstzeit bis zum allerletzten Tag nutzen.

Spekulationen, der 78-Jährige könnte frühzeitig in Ruhestand gehen, sind verstummt. Nach der Wahl könnte das jedoch schnell wieder anders aussehen.

© SZ vom 21.10.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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