US-Finanzminister Geithner im Zwielicht:Der Freund der Bosse

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Es ist ein beispielloses Hilfspaket: Mit Billionenbeträgen haftet der US-Steuerzahler für das amerikanische Bankensystem. Ist das vor allem ein Freundschaftsdienst des US-Finanzministers für die Bankenbosse?

In den USA wachsen die Zweifel an US-Finanzminister Timothy Geithner: Kam der großzügige Rettungsplan für das amerikanische Finanzsystem nur auf Grund seiner engen Verbindungen zu den US-Bankenbossen zustande? Diese Vermutung hegt inzwischen die New York Times.

US-Finanzminister Timothy Geithner: Nähe zwischen Aufseher und Beaufsichtigten. (Foto: Foto: AFP)

Denn als Geithners Vorgänger Henry Paulson wegen des aufziehenden Unwetters an den US-Finanzmärkten bereits im vergangenen Juni zu einem Brainstorming der wichtigsten amerikanischen Wirtschaftslenker lud, sei Geithner schon zu jener Zeit durch einen außergewöhnlich weitreichenden Vorstoß aufgefallen.

Als damaliger Präsident der New York Federal Reserve Bank habe Geithner vorgeschlagen, dem amerikanischen Präsidenten die Vollmacht zur Garantie aller Kredite des Bankensystems zu geben, so die New York Times nach Aussagen von zwei Teilnehmern der Sitzung.

Politisch damals undurchsetzbar

Der Vorschlag sei allerdings schnell vom Tisch gewesen, da er als politisch undurchsetzbar gegolten habe. Damals sei es noch für undenkbar gehalten worden, den amerikanischen Steuerzahler für Billionen Dollar haftbar zu machen.

Seither sind zehn Monate ins Land gegangen und siehe da: Der seinerzeit noch als utopisch geltende Vorschlag ist in weiten Teilen Realität geworden: Schritt für Schritt, durch ein ganzes Bündel neuer Programme, bekamen die US-Notenbank Fed und das Finanzministerium eine noch nie dagewesene Verantwortung für das Bankensystem zugewiesen. Mit beispiellosen Beträgen des amerikanischen Steuerzahlers versuchen sie nun die Geldgeber der Nation vor ihren eigenen Fehlern zu bewahren.

Motor des Ganzen sei Timothy Geithner gewesen, sagte der bekannte Wall-Street-Jurist Rodgin Cohen zur New York Times. Inzwischen seien außerdem viele Parlamentarier, Ökonomen und sogar frühere Fed-Kollegen Geithners der Überzeugung, dass das Hilfspaket zu Lasten des Steuerzahlers zu großzügig ausgefallen sei.

Eine Untersuchung der fünf Amtsjahre Geithners als Präsident der New York Fed ergebe zudem eine ungewöhnlich enge Verbindung Geithners mit den US-Bankenbossen.

Einladung nach Hause

Zwar hätten sich auch Geithners Vorgänger mit den Chefs der großen amerikanischen Banken getroffen, doch seien das in der Regel Arbeitstreffen mit hochrangigen Beratern beider Seiten gewesen. Einträge aus Geithners Kalendern der Jahre 2008 und 2007 legten hingegen nahe, dass Geithners Treffen mit den Bankenchefs bisweilen auch privaten Charakter gehabt hätten.

So habe er mit Top-Managern der Citigroup, Goldman Sachs und Morgan Stanley im Restaurant "Four Seasons" oder in deren Firmenräumen zu Mittag gegessen. Zu Jamie Dimon, dem Chef von JPMorgan Chase, sei Geithner sogar nach Hause eingeladen worden.

Besonders nah stand der heutige US-Finanzminister dem Citi-Topmanager und früheren Finanzminister Robert Rubin. Der förderte den damals noch jungen Nachwuchspolitiker Geithner während seiner Jahre in der Clinton-Administration.

Lasche Kontrolle

Eine Konsequenz dieser Nähe zwischen Aufseher und Beaufsichtigten sei eine lasche Kontrolle gewesen, so die New York Times. So habe Geithner beispielsweise dem immer undurchsichtiger werdenden Derivatemarkt kaum Auflagen gemacht. Noch 2007 habe sich der 47-Jährige laut Regierungsunterlagen für eine Absenkung der Kernkapitalquoten eingesetzt.

Für Nobelpreisträger Joseph Stiglitz, so die New York Times, sei es daher klar, dass Geithner die Weltanschauung der Wall Street und deren Auffassung von der Notwendigkeit oder eben Nicht-Notwendigkeit regulatorischer Eingriffe weitgehend übernommen habe: "Ich glaube, dass das Denken durch den Umgang mit bestimmten Leuten geformt werden kann. So denkst du plötzlich, dass das, was gut für die Wall Street ist, gut für Amerika ist."

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