US-Autoindustrie:Hilferufe nach Washington

Lesezeit: 2 min

Ford will bis zu 30.000 Jobs kappen, bei GM soll ein neuer Finanzchef ran - und insgeheim hofft die US-Autobranche auf den Staat.

Andreas Oldag

In den USA vergeht derzeit kaum ein Tag ohne Schreckensnachrichten aus den Autokonzernen. So will Ford in den kommenden fünf Jahren bis zu 30.000 Stellen allein in Nordamerika abbauen, meldete am Mittwoch die örtliche Tageszeitung. Zehn Werke stehen angeblich vor dem Aus.

Damit schließt der zweitgrößte der Branche zumindest in diesem Punkt in etwa zum Marktführer General Motors (GM) auf. Auch dort sollen 30.000 Jobs wegfallen, zwölf Werke haben ausgedient.

Noch setzen GM und Ford nach Einschätzung von Wall-Street-Analysten alles daran, um die Krise aus eigener Kraft zu meistern. Doch hinter den Kulissen hat der Kampf der Autolobby in Washington um Staatshilfen längst begonnen.

Schwüre ohne Wert

Nach deren Willen soll der Kongress Steuererleichterungen in Milliardenhöhe beschließen. Vorbild sind die taumelnden Fluggesellschaften, die es stets verstanden haben, Subventionen locker zu machen.

Noch zeigt sich die Regierung von US-Präsident George W. Bush angesichts der Forderungen der Autohersteller standhaft. "Sie brauchen niemanden, der ihnen aus der Klemme hilft", meint Al Hubbard, führender Wirtschaftsberater von US-Präsident George W. Bush.

"Alles was sie brauchen ist Zeit für Umstrukturierungen, und wir sind zuversichtlich, dass sie sehr erfolgreich sein werden."

Doch Industrie-Lobbyisten haben keinen Zweifel daran, dass solche marktwirtschaftlichen Treueschwüre nicht viel wert sind, wenn sich die Krise weiter verschärfen sollte.

Im nächsten Jahr stehen Kongresswahlen an. Abgeordnete, in deren Wahlkreisen Autofabriken geschlossen werden, werden den Druck auf die Regierung verstärken und könnten Bush zu einem Kurswechsel zwingen.

Derweil versucht es GM noch einmal mit einem Personalwechsel. Frederick Henderson soll als neuer Finanzchef das Ruder herum reißen. Der 47-Jährige übernimmt den Posten zum 1. Januar von John Devine.

Henderson war bisher Europa-Chef bei GM und hat bei der Sanierung dieser Sparte, zu der auch die deutsche Tochter Opel gehört, sein Meisterstück abgeliefert. Als sein Nachfolger wird der bisherige Vize- und frühere Opel-Chef Carl-Peter Forster das Europa-Geschäft leiten.

Nach Schätzung von Branchenexperten GM hat im Vergleich zu japanischen Autoherstellern, die in den USA produzieren, einen Kostennachteil von etwa 3700 Dollar pro Auto. Neben einer verfehlten Modellpolitik sind milliardenschweren Pensions- und Krankenkassenkosten die größten Probleme.

Als weitere Option des Krisenmanagement könnte GM unter den schützenden Mantel des amerikanischen Insolvenzrechts schlüpfen. GM-Chef Wagoner hat einen solchen Schritt zwar bislang vehement abgelehnt. Doch viele Experten sehen den Gläubigerschutz nach Kapitel Elf des Insolvenzrechts durchaus als realistische Alternative.

"Ein Bankrott könnte für GM hilfreich sein", meint William Rochelle, Anwalt bei der auf Firmenpleiten spezialisierten Großkanzlei Fulbright & Jaworski LLP. Größter Vorteil: GM könnte sich leichter der Pensionslasten entledigen, die dann von einem staatlichen Versicherungsfonds übernommen werden müssten.

In diesem Fall würde letztlich der Steuerzahler für die Verluste aufkommen. Ein großes Risiko bei einem Insolvenzverfahren ist allerdings der Verlust des Kundenvertrauens. So kauft man vielleicht bei einer Pleite-Fluggesellschaft noch ein Ticket, doch nicht bei einem bankrotten Autohersteller ein neues Auto.

© SZ vom 8.12.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: