Urteil des EU-Gerichtshofs:"Eine schallende Ohrfeige"

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Die Europäische Kommission hat sich durchgesetzt: Die Aufhebung des Defizit-Verfahrens gegen Deutschland ist nicht rechtens. Während Hans Eichel das Urteil als "sehr weise" begrüßt, sehen Union und FDP eine klare Niederlage für den Minister und fordern seine Abberufung.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat den Euro-Stabilitätspakt gestärkt. Die Entscheidung der Minister vom November 2003 sei nicht mit EU-Recht vereinbar, urteilte das Gericht am Dienstag in Luxemburg.

Die EU-Kommission hatte gegen den Ministerbeschluss geklagt. Mit der Entscheidung der Finanzminister waren Sanktionen für die Defizitsünder Deutschland und Frankreich in weite Ferne gerückt.

Hohe Strafen

Damals hatten sich die Regierungen in Berlin und Paris verpflichtet, nach Jahren der Überschreitung die erlaubte Defizit-Grenze 2005 wieder einzuhalten. Sie liegt bei drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP).

Bei den ausgesetzten Strafverfahren drohen in letzter Konsequenz hohe Strafen. Für Deutschland sind dies bis zu zehn Milliarden Euro, für Frankreich stehen bis zu 7,5 Milliarden Euro auf dem Spiel.

Union und FDP werten das Urteil des Europäischen Gerichtshof (EuGH) als Niederlage für Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD), der ein Defizitverfahren gegen Deutschland im November verhindert hatte.

Mit der Feststellung, dass diese Entscheidung des Ministerrats nicht mit dem EU-Vertrag vereinbar sei, hätten die Luxemburger Richter Eichel "eine schallende Ohrfeige erteilt", erklärte der Unions-Fraktionsvize Friedrich Merz.

"Eine Niederlage"

Der EuGH habe "all denjenigen eine Niederlage erteilt, die für eine Aufweichung" des Stabilitätspaktes plädierten.

CSU-Landesgruppenchef Michael Glos forderte Bundeskanzler Gerhard Schröder auf, Eichel abzuberufen. Ein neuer Finanzminister müsse "ein klares haushaltspolitisches Konzept" vorlegen, wie das Haushalts-defizit unter die Grenze von drei Prozent zu drücken sei.

Eichel nicht mehr tragbar

Auch aus Sicht des FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle ist Hans Eichel nicht mehr tragbar. Der Bundesregierung sei höchstrichterlich die rote Karte gezeigt worden, sagte Westerwelle. Eichel müsse zurücktreten.

Westerwelle nannte die Entscheidung des EU-Gerichtshofes einen Sieg der Vernunft. Deutschland sei einmal Musterbeispiel für Stabilität gewesen, heute sei die deutsche Regierung "schlimmster Sünder" in Europa und Eichel ein reiner Schuldenmacher.

"Sehr weises Urteil"

Der Bundesfinanzminister selbst hat die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum Stabilitätspakt als ein "sehr weises Urteil" bezeichnet. Der Beschluss stärke das Zusammenwirken der Europäischen Institutionen — des Rats und der Kommission, sagte Eichel.

Das Urteil bedeute ferner, dass der Stabilitäts- und Wachstumspakt kein mechanisches Sanktionsverfahren enthalte.

Die EU-Kommission hat das Urteil zum Stabilitätspakt begrüßt. Die Entscheidung bestätige die Sicht der Kommission bei der Anwendung des Paktes, sagte EU-Kommissionspräsident Romano Prodi.

Sie werde zudem dafür sorgen, dass das Defizitverfahren "transparenter und vorhersagbarer" werde. Ein Sprecher von Finanzkommissar Joaquin Almunia fügte zu den Auswirkungen des Urteils an, im Prinzip befinde sich das Verfahren gegen Deutschland und Frankreich nun wieder vor dem 25. November vergangenen Jahres, als der EU-Ministerrat von der Kommission geforderte Sanktionen wegen übermäßiger Haushaltsdefizite gegen beide Länder abgeblockt hatte.

© sueddeutsche.de/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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