Unterstützung für Reformagenda:Industrie erwartet leichten Aufschwung

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"Es könnte allmählich nach oben gehen", sagte BDI-Chef Michael Rogowski. Allerdings müsse die Bundesregierung dafür ihre Reformen ohne Abstriche umsetzen. Rogowski plädiert für eine große Koalition als "vernünftige Lösung".

Robert Jacobi

(SZ vom 30.05.2003) — Die deutsche Wirtschaft wird nach Auffassung von BDI-Chef Michael Rogowski noch in diesem Jahr ihre Schwächephase überwinden. Die Warnungen vor einer Deflation bezeichnete der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung als "absolut blanken Unsinn". Das Land befinde sich "nicht in einer Deflation, nicht mal in einer Rezession, aber in einer ziemlich zähen Stagnation".

Dennoch zeigten "gewisse Signale" wie der Geschäftsklimaindex und die Entwicklung der Auftragseingänge in der Industrie, "dass wir uns am Ende der Talsohle befinden". Wenn die Reformagenda der Regierung noch in diesem Jahr umgesetzt werde, sei für 2004 mit einem "messbaren Aufschwung" zu rechnen, der sich aber vorerst nicht auf den Arbeitsmarkt auswirken werde. Im nächsten Winter würden sehr wahrscheinlich annähernd fünf Millionen Menschen arbeitslos sein.

Gefahren für den Export

Der Eurokurs sei viel zu schnell auf ein "verdammt hohes Niveau" gestiegen und dürfe als Gefahr für die Exportwirtschaft und die Konjunktur nicht unterschätzt werden, schränkte Rogowski ein. Vom Weltwirtschaftsgipfel, der am Sonntag im französischen Evian beginnt, erwarte er keine Signale für eine Trendwende beim Euro.

Interventionen lehnte er ab. Allerdings solle die Europäische Zentralbank den Spielraum für eine Zinssenkung nutzen. Die Regierungschefs sollten sich auf dem Gipfel in ihren Reformbemühungen unterstützen. "Wir brauchen zudem weitere Liberalisierungsschritte im internationalen Handel", sagte der BDI-Chef. Die EU-Agrarpolitik müsse sich unbedingt bewegen.

In Bezug auf die innerdeutsche Debatte zeigte sich Rogowski zuversichtlich, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder seine Reformagenda auf dem Sonderparteitag am Sonntag und später im Bundestag durchsetzen werde. "Wenn er das nicht schafft, müsste er die Konsequenzen ziehen", sagte Rogowski. Für die notwendigen weiteren Reformschritte brauche er dann aber eine breitere Mehrheit, womöglich eine große Koalition.

Schröder habe eine Wende vollzogen, die ihm nicht leicht gefallen sei, sagte Rogowski. Der BDI-Chef forderte die Union auf, die Agenda mitzutragen. Wenn dies nicht funktioniere, sei eine große Koalition die bessere Lösung. Was die Union selbst derzeit besonders im Bereich der Sozialsysteme wolle, sei "nicht so richtig klar", kritisierte er. Darüber hinaus wünschte sich Rogowski einen Reformkonvent für Deutschland nach europäischem Vorbild.

Es fehlen Ausbildungsplätze

"Die Wende vom Umverteilungs- zum Wachstumsdenken wird sehr zäh sein", sagte er. Der Einfluss der Gewerkschaften nehme ab, auch wenn sie selbst meinten, auf dem Vormarsch zu sein. "Ich wünsche ihnen mehr Einsicht, um zu begreifen, dass wir das Land nicht in die Vergangenheit zurückführen dürfen", sagte Rogowski.

Der Verbandschef räumte ein, dass die Wirtschaft die Lücke auf dem Ausbildungsmarkt in diesem Jahr voraussichtlich nicht ganz schließen könne. Eine gesetzliche Abgabe, wie sie Teile der SPD und die Gewerkschaften fordern, um auch die Wirtschaft in die Reformagenda einzubeziehen, führe aber dazu, dass sich Betriebe möglicherweise freikaufen könnten und noch weniger ausgebildet werde.

Die Wirtschaft solle das Problem über "selbstverordnete Sanktionsmechanismen" lösen. Die Tarifpartner sollten auf Übernahmepflichten verzichten und ein Moratorium für die Vergütungen vereinbaren.

Auch die neue Diskussion um Erbschaft- und Vermögensteuern wertete Rogowski als kontraproduktiv. "Wir sollten uns Gedanken machen, wie wir Fluchtkapital zurückholen, damit es hier investiert wird", sagte er. Die öffentlichen Kassen sollten durch einen pauschalen Subventionsabbau entlastet werden.

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