Unternehmensteuer:Die Strafen der anderen

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Überraschung in der Schweiz: Der Nationalrat fällt ein Votum, das es Unternehmen in Zukunft erlauben soll, ausländische Bußgelder steuerlich absetzen zu können. Darüber schütteln sogar die Konservativen den Kopf.

Von Charlotte Theile, Zürich

Wer gerade seine Steuererklärung ausfüllt, kennt die Regeln: Abzugsfähig sind all jene Ausgaben, die zur Ausübung des Berufs dringend erforderlich waren. Außerdem die Posten, die der Staat für unterstützenswert hält - zum Beispiel Weiterbildung, Kinderbetreuung oder Spenden an gemeinnützige Organisationen. Eher nicht abzugsfähig: All die Ausgaben, die sich beim Übertreten von Gesetzen angehäuft haben. Wer ernsthaft versuchen würde, Strafzettel oder Bußen steuerlich geltend zu machen, hätte vermutlich bald einen Sachbearbeiter am Telefon, der sich nach dem Stand der psychischen Gesundheit erkundigt.

Bei Unternehmen jedoch liegt die Sache anders, wie eine Debatte aus dem Schweizer Nationalrat beweist. Dort wurde in dieser Woche ein Votum gefällt, das bis in die wirtschaftsliberale Neue Zürcher Zeitung (NZZ) hinein für Kopfschütteln gesorgt hat. Schweizer Firmen sollen demnach Geldbußen, die ihnen bei Geschäften im Ausland entstanden sind, steuerlich geltend machen können. Im Klartext: Die Schweiz will einheimische Unternehmen mit Steuervorteilen für Verhalten belohnen, das andernorts sanktioniert ist. Nur mit Mühe konnte sich das Parlament dabei zu einer Ausnahmeregelung durchringen: "Aufwendungen zur Ermöglichung von Straftaten oder als Gegenleistung für die Begehung von Straftaten" sollen nicht abzugsfähig sein. Andernfalls wäre es möglich gewesen, einen Hackerangriff auf die Konkurrenz steuerlich geltend zu machen.

Wer in ein anderes Land geht, sollte sich an die dortigen Gesetze und Gepflogenheiten halten

Wer im Ausland für Verhalten bestraft wird, das in der Schweiz nicht strafbar ist oder eine außergewöhnlich hohe Zahlung leisten muss, soll diese Kosten geltend machen dürfen. Bislang hatten die Kantone keine einheitliche Politik verfolgt. Das Bundesgericht in Lausanne dagegen hatte vor zwei Jahren geurteilt, solche Sanktionen seien nicht anrechenbar. Es sei nicht in Ordnung, wenn das Gemeinwesen Übertretungen "mittelbar übernehme". Viele international tätige Firmen sahen das anders - sie argumentierten mit einem zunehmenden "Wirtschaftskrieg", unter dem auch Schweizer Unternehmen leiden würden. Hier müsse staatliche Unterstützung her, fanden die Firmen - und mit ihnen viele Abgeordnete der rechtspopulistischen SVP und der wirtschaftsliberalen FDP.

Wenn, wie in diesem Fall, beide Parteien zusammen stimmen, haben sie im Nationalrat eine Mehrheit rechts der Mitte. Die kleine Kammer, der Ständerat, war gegen die Steuergeschenke. Und selbst in wirtschaftsliberalen Kreisen sieht man den Vorstoß kritisch - und verweist auf ein Argument, das sonst eher im rechten Spektrum gebraucht wird: Wer in ein anderes Land geht, sollte sich an die dortigen Gesetze und Gepflogenheiten halten. So kommentierte am Mittwoch selbst die konservative NZZ.

Doch ganz so ungewöhnlich ist die Schweizer Regelung nicht. Auch in Deutschland kennt man Steuerabzugsmöglichkeiten für Unternehmen, die von Richtern im Ausland bestraft werden. So wurde etwa 2017 lebhaft diskutiert, ob Volkswagen die Milliardenstrafe aus den USA steuerlich geltend machen könnte - oder zumindest die dadurch entstandene "Gewinnabschöpfung". Denn während Deutschland bei Strafen aus anderen EU-Ländern keine Vorteile gewährt, sind diese bei Drittstaaten möglich. Wenn die Delikte nicht gegen die in Deutschland gültige Rechtsordnung verstoßen, haben die Unternehmen eine Chance, Abzüge geltend zu machen. Darauf haben nun auch die Schweizer Unternehmen Bezug genommen.

Inwieweit das Gesetz am Schluss tatsächlich ihren Vorstellungen entsprechen wird, ist offen. Der Ständerat dürfte die Regelung wohl nochmals nachbessern, einen Kompromiss zwischen subventionierten Bestechungsgeldern und Unterstützung im Wirtschaftskrieg aushandeln. Bei einem immerhin sind die Abgeordneten in Bern sicher: Geldstrafen, die von Schweizer Richtern verhängt wurden, können in keinem Fall in steuerliche Vorteile umgewandelt werden.

© SZ vom 20.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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