Unternehmensnachfolge:"Der Hof ist wichtiger als der Bauer"

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Bei der Firmenübergabe drohen viele Gefahren. Der Elektrotechnik-Hersteller Mennekes zeigt, wie man ihnen entgehen kann.

Von Peter Fahrenholz

Wenn Walter Mennekes von seinem Büro am Stammsitz der Firma Mennekes in Kirchhundem im Sauerland ins Büro seines Sohnes Christopher möchte, muss er nur ein paar Schritte gehen. Aber wer glaubt, da guckt dann der Alte mal nach, ob der Junge auch alles richtig macht, der täuscht sich. "Er ist der Macher", sagt der 70-Jährige über seinen 39-jährigen Sohn, "ich bin jetzt nur noch der zweite Mann." Schon vor fünf Jahren hat Walter Mennekes die Mehrheit der Firmenanteile auf seinen ältesten Sohn überschrieben, seither praktizieren beide einen gleitenden Übergang des Unternehmens vom Vater auf den Sohn. "Wir haben das Stück für Stück zurückgefahren", sagt Walter Mennekes über seine eigene Rolle dabei. Ob das nun von Anfang an genauso geplant war oder sich einfach im Lauf der Zeit so ergeben hat: Vater und Sohn haben mit diesem Prozedere eine wichtige Hürde genommen, an der viele Familienunternehmer scheitern, wenn sie die Übergabe an die nächste Generation regeln wollen. Kein abrupter Wechsel, keine Stunde null, kein Patriarch, der von einem Tag auf den anderen nichts mehr zu melden hat. Sondern eine Übergangsphase mit zwei Kapitänen auf der Brücke, bei der einer Zeit hat, die Verantwortung zu übernehmen, und der andere sich darauf vorbereiten kann, sie abzugeben.

Das gilt vor allem dann, wenn jemand so lange das Kommando hatte wie Walter Mennekes. Seit 1975 führt er das Familienunternehmen, mit 28 Jahren musste er die Verantwortung übernehmen, nachdem sein Vater Aloys plötzlich gestorben war. Seither ist die Firma beständig gewachsen, aus einem Handwerksbetrieb ist einer jener mittelständischen Champions geworden, die in ihrem Segment Weltgeltung haben. Mennekes produziert Stecker und Steckverbindungen für die Industrie, weltweit beschäftigt das Unternehmen etwa 1000 Mitarbeiter, gut 650 davon am Stammsitz in Kirchhundem. Industriestecker sind nach wie vor die Hauptsäule, sie machen etwa 75 Prozent des Geschäfts aus. Aber sie sind nicht mehr die einzige Säule. Seit einigen Jahren ist man auch Zulieferer für die Autoindustrie. Denn als das Thema Elektromobilität aufkam, hat der "kleine Steckerfabrikant aus dem Sauerland", wie Walter Mennekes sich nicht ohne eine Portion Koketterie gerne nennt, als einer der ersten erkannt, dass ein Elektroauto aufgeladen werden muss. Und man dafür wohl einen Stecker braucht. Während andere noch über Plänen brüteten, ließ Mennekes seine Leute einen Prototyp bauen, und mit einer Mischung aus Pfiffigkeit, Chuzpe und geschickter Netzwerkerei ist es ihm gelungen, dass sein Modell, der sogenannte "Typ 2", inzwischen europaweiter Standard ist. Eine der schönsten Anekdoten im langwierigen Kampf um einen einheitlichen europäischen Stecker stammt aus einer Sitzung im Jahr 2011 bei EU-Kommissar Günther Oettinger, der damals für Energie zuständig war. Während die Franzosen, die gerne ihr eigenes System durchgesetzt hätten, mit einer Menge Papieren in Brüssel aufkreuzten, ließ Mennekes auf einer Sackkarre eine komplette Ladesäule in Oettingers Büro schaffen, die er hatte bauen lassen. Wer Oettinger ein bisschen kennt, ahnt, dass ihn dieser Coup mächtig beeindruckt haben muss.

Walter Mennekes (links) und sein Sohn Christopher haben einen gleitenden Übergang bei der Führung der Firma vereinbart. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Noch immer haben die Elektroautos den endgültigen Durchbruch nicht geschafft, aber längst ist klar, dass es ohne sie nicht gehen wird, wenn man den Klimawandel aufhalten will. "Das Thema kommt voran", sagt Christopher Mennekes, "das ist kein Nischenmarkt mehr." Es ist ein Geschäftsfeld, das jetzt der Junge weiterentwickeln muss, nicht mehr der Alte. Und das die Firma verändern wird.

Auch das ist eine Hürde, die man bei Mennekes gemeistert hat. Nicht nur am Erfolg von gestern kleben, sondern rechtzeitig Marktchancen erkennen, aus denen die nächste Generation dann etwas machen muss. Aber bei Unternehmensübergängen lauern noch viele weitere Gefahren. Da ist der störrische Patriarch, der nicht loslassen kann. Da können sich die Erben als unfähig erweisen - oder vom Vater zu Unrecht für unfähig gehalten werden. Da kann es verfeindete Familienmitglieder geben, die sich nicht auf eine gemeinsame Linie einigen können.

Mit einer Mischung aus Glück und Geschick haben die Mennekes all das vermieden. Zum Glück gehört, dass die beiden jüngeren Söhne zu keinem Zeitpunkt Interesse hatten, in die Firma einzusteigen, und damit keine Rivalität unter Brüdern drohte. Der eine ist Schauspieler, der andere Journalist geworden. "Das größte Glück für mich war, dass die beiden anderen immer gesagt haben: Wunderbar, Christopher, dass du das machst", sagt Walter Mennekes. Natürlich kann man das nicht nur auf Treu und Glauben aufbauen, schließlich weiß keiner, ob so ein Familienfriede ewig hält. "Wir haben das Risiko des Krachs immer gesehen, das musste unbedingt vermieden werden", sagt Christopher Mennekes. Also wurde alles vertraglich genau geregelt, die Brüder und der Vater dürfen ihre Anteile etwa nicht an Dritte verkaufen. "Der Hof ist wichtiger als der Bauer", sagt Christopher Mennekes. Es sei ein "großer Glücksfall", dass sich die Familie da einig sei. Was die weitere Entwicklung der Firma anlange, habe Christopher als Mehrheitsgesellschafter, dem mehr als 70 Prozent der Anteile gehören, "alle Freiheiten", sagt Walter Mennekes.

Der Mennekes-Stammsitz in Kirchhundem in Westfalen. Aus einem kleinen Handwerksbetrieb ist ein weltweit erfolgreiches, mittelständisches Unternehmen geworden, mit einem jährlichen Umsatz von mehr als 140 Millionen Euro. (Foto: Menneke)

Dabei hatte auch Christopher, der Älteste, und das war nun lange Zeit nicht das größte Glück für Vater Walter, anfangs ganz andere Pläne. Er wollte Musiker werden, Schlagzeuger, und hatte im Musikkorps der Bundeswehr schon die ersten Schritte dazu eingeleitet. "Ich habe ihm gesagt, es gibt mehr arbeitslose Musiker als arbeitslose Steckerverkäufer", erzählt Walter Mennekes. Sein Vater, sagt Sohn Christopher, habe "immer ganz intensiv geworben", dass er sich für die Firma erwärme, "aber er hat nie gedrängt". Irgendwann hat der Sohn erkannt, dass ein Leben als Musiker keineswegs die große Freiheit bedeuten muss - und auf ein Betriebswirtschaftsstudium umgesattelt, eine Vernunftentscheidung, wie er zugibt. Aber eben auch der erste Schritt ins Familienunternehmen. Es folgte ein Trainee-Programm bei ABB / Busch-Jaeger. Und dann, im Jahr 2007, mit 28 Jahren, fast wie bei seinem Vater, der Sprung ins kalte Wasser. Die Vertriebsfiliale des Unternehmens in England schwächelte, die Belegschaft war überaltert, es gab keine IT-Strukturen und keine vernünftige Verkaufsorganisation. "Da habe ich gesagt, ich brauche da jemanden", erinnert sich Walter Mennekes. Und hat seinen Sohn hingeschickt. Der hat mit seiner Frau am Rande von London gelebt, eine ganz andere Welt als das beschauliche Sauerland. Und hat den Laden wieder in die Spur gebracht. War die Rückkehr in die westfälische Provinz vier Jahre später ein Problem, eine Art Kulturschock? "Nein", sagt Christopher Mennekes, "es war eine wunderbare Zeit in der Großstadt, aber ich bin hier groß geworden." Mittlerweile lebt er mit seiner Familie im Elternhaus, die Eltern haben sich ein paar Kilometer weiter ein altersgerechtes Haus gebaut.

In der Firma hat sich Christopher Mennekes seither durch die diversen Abteilungen gearbeitet. "Ich habe mich in die einzelnen Projekte reingeschraubt." Und dabei eine weitere Hürde genommen, die der Erbengeneration oft zu schaffen macht: die Mitarbeiter für sich zu gewinnen. Wenn einer mehr als 40 Jahre ein Unternehmen dieser Größe leitet, so wie Walter Mennekes, dann kennt er nicht nur jeden Winkel seines Betriebes, sondern auch jeden Mitarbeiter. So einer ist die unumschränkte Respektsperson, das lässt sich nicht ohne Weiteres auf den Sohn übertragen. "Ich musste mir mein Standing erarbeiten."

Und so ganz ohne Konflikte zwischen Vater und Sohn ging das nicht immer ab. Wegen der neuen Geschäftsfelder rund um das Thema Elektromobilität hat dem Sohn der Slogan des Unternehmens, den sich der Vater mal ausgedacht hatte, nicht mehr gefallen: "Plugs for the World", Stecker für die Welt. "Ich fand das Alte gut", sagt Walter Mennekes. "Nein", erwidert sein Sohn, "wir sind mehr als Stecker." Hardware allein reiche nicht mehr aus, es komme Software und elektronisches Know-how dazu. "Ich will zum Ausdruck bringen, dass Mennekes ein Lösungsanbieter ist und nicht nur ein Hardwareproduzent." Also hat er den Slogan in "My Power Connection" verändert. Power steht im Englischen sowohl für Stärke und Macht als auch für Strom. Um das zu akzeptieren, habe er 14 Tage gebraucht, gibt der Vater zu. Aber dann war auch für ihn klar: "Jetzt wird ein neues Kapitel aufgeschlagen." Mit seiner Rolle als zweiter Mann kommt der Senior nach eigenem Bekunden gut zurecht. Seine Umtriebigkeit hilft ihm dabei. Der 70-Jährige hat jede Menge Ehrenämter. Unter anderem ist er seit zwei Jahren zweiter Vizepräsident des FC Bayern, und wie es dazu gekommen ist, wäre eine eigene Geschichte. In Sehmatal im Erzgebirge, wo die Firma einen zweiten Standort mit 135 Mitarbeitern hat, wird er an diesem Freitag zum Ehrenbürger ernannt, weil sich das Unternehmen in der Region vielfältig engagiert. In die Entscheidungen seines Sohnes mische er sich nicht ein, "wenn ich nicht gefragt werde". "Christopher muss seine Bälle selber ins Tor schießen." Und der Sohn, fragt er den Vater schon mal um Rat? "Das gibt es. Aber ich versuche, das nicht inflationär zu machen."

© SZ vom 08.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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