Unternehmensführung:Wider die Moden im Management

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Bisher ist kaum ein Jahr vergangen, das nicht "Neuigkeiten" für das Management gebracht hat. Zur Zeit herrscht wohltuende Stille.

Von Fredmund Malik*)

In den Katalogen der Verlage dominieren Wiederholungen. Man findet Variationen alter Bestseller-Titel, nach dem Motto "More Fish", "Ganz viel Fisch" oder "Das allerneueste Einmaleins des XYZ-Managements". Man begegnet der 15. Version von Empfehlungen zum "todsicheren" Erfolgsprinzip und unvermeidlich den ewiggleichen Motivations-Aufgüssen.

Vielleicht haben wir in diesem Jahr Glück, und es bleibt still an der Modefront im Management. Das könnte genützt werden, um innerlich ein paar Schritte zurückzutreten und die Szene kritisch zu betrachten. Gerade dort, wo ein besonderes Maß an Rationalität behauptet und erwartet wird, in der Wirtschaft, fehlte zuletzt das entscheidende Element vernünftigen Handelns, nämlich institutionalisierte Kritik.

Transformation von Ressourcen in Nutzen

Statt Argumente auszutragen, wurden Dogmen aufgestellt: Die Dogmen von der New Economy, von Shareholder Value und Wertsteigerung, von der haushohen Überlegenheit von US-Wirtschaft und US-Management. Die Irrlehren begannen Ende der achtziger Jahre in den USA; sie wurden in Europa mit Zeitverzug ab Mitte der neunziger Jahre unkritisch, großteils naiv nachgeahmt.

Die Zeit für eine Neudiskussion ist günstig, es ist unübersehbar, dass Auffassungen, die bisher für neue und letzte Wahrheiten gehalten wurden, sich als rundweg falsch - als Irrlehren - erweisen.

Eine grundlegende Diskussion über die Reorientierung unternehmerischen und manageriellen Denkens und Handelns sollte gerade von jenen aktiv gesucht werden, die an einer freien Gesellschaft und einem System freien Unternehmertums interessiert sind.

Wenn - wie zu erwarten ist - die Meinung wieder modern wird, die Wirtschaft sei zu wichtig, um sie den Managern zu überlassen, müssen jene in die Diskussion eingreifen, die die besseren Argumente an die Stelle falscher Kollegenloyalität setzen und die Zivilcourage besitzen, auch auszusprechen, dass die Wirtschaft nicht den unfähigen Managern überlassen werden darf.

Ob in diesem Jahr noch Modetrends entstehen werden, vermag ich nicht vorherzusehen. Ich kann aber darlegen, welche Trends ich für unabdingbar für eine leistungsstarke Wirtschaft und eine funktionierende Gesellschaft halte.

Der bedeutendste Trend wäre die Einsicht, dass Manager einer der wichtigsten Berufe in der Gesellschaft ist, so wichtig, dass er gegen Moden immun gemacht werden muss.

Immunität gegen Dummheit und modischen Unfug resultiert in anderen Fächern aus gründlicher Ausbildung. Wer in Physik ausgebildet ist, wird sich von noch so vielen "Erfindungen" des Perpetuum mobile nicht irre machen lassen. Er weiß, dass es so etwas nicht geben kann. Das ist nicht Widerstand gegen Neues, sondern Einsicht in die Funktionsweise der Natur.

Management ist nicht minder bedeutend für eine moderne Gesellschaft wie die Naturwissenschaften, denn selbst diese kommen nicht ohne Management aus. Alles, was in der heutigen Gesellschaft wichtig ist hängt ab vom Management. Von Managern hängen Wohlstand, Produktivität und Innovation ab, soziale Sicherheit, Gesundheit, Bildung und Ausbildung und ebenso Kunst und Kultur.

Ein zweiter wichtiger Trend wäre die Entstehung einer vernünftigen Vorstellung darüber, was Management ist und was es nicht ist. Das wird behindert durch verbreitete ungeeignete Definitionen von Management. Für viele heißt Management Reichtum, Einfluss, Macht und Prestige.

All das mag auch damit verbunden sein, aber es ist für Management in keiner Weise konstitutiv. Mein Vorschlag ist, Management auf der allgemeinsten Ebene zu verstehen als die Transformation von gesellschaftlichen Ressourcen in gesellschaftlichen Nutzen, und zwar durch die Gestaltung, Lenkung und Entwicklung von komplexen, gesellschaftlichen Institutionen.

Liberalismus ist nicht eine Theorie der Wirtschaft

Der dritte notwendige Trend ist die Abkehr vom ökonomischen Reduktionismus, der mit dem Neoliberalismus fröhliche Urständ feiert.

Der Liberalismus ist nicht eine Theorie der Wirtschaft, sondern zuerst eine Theorie der Freiheit und der Organisation der Gesellschaft. Die ökonomische Relevanz dieser Theorie folgt aus der Gesellschaftstheorie, nicht umgekehrt. Gesellschaftliche Ressourcen sind mehr als ökonomische Ressourcen; und gesellschaftlicher Nutzen ist mehr als nur ökonomischer Nutzen.

Dass es lautstarke Zeitgenossen gibt, die die Welt nur reduziert auf ökonomische Kategorien wahrnehmen, bedeutet nicht, dass die Welt nur ökonomisch ist. Management ist auch keineswegs eine nur wirtschaftliche Funktion.

Weder ist Management in der Wirtschaft entstanden, noch ist diese das wichtigste Anwendungsgebiet. In der Wirtschaft ist der Unterschied zwischen richtigem und falschem Management nur am leichtesten sichtbar.

Mit dem für ihn typischen Weitblick hat Peter F. Drucker gesagt, es gebe keine unterentwickelten Länder, sondern nur schlecht gemanagte. Eine Maxime, die zu beherzigen der Politik gut anstünde.

(SZ vom 11.5.2005)

© Der Autor ist Chef des Malik-Management Zentrum St. Gallen. - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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