Unterhaltspflicht:Sozialamt will Haus und Hof

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Wenn das Eigenheim für die Pflege der Eltern geopfert werden muss: Mit dem Albtraum von Millionen Menschen aller Generationen befasst sich derzeit das Bundesverfassungsgericht.

Von Helmut Kerscher

Dass bei monatlichen Heimkosten von bis zu 3000 Euro trotz Pflegeversicherung in wenigen Jahren sechsstellige Forderungen auf die erwachsenen Kinder zukommen, hat sich herumgesprochen. Am heutigen Dienstag wird sich nun erstmals das Bundesverfassungsgericht mit dem Albtraum befassen.

Wer zahlt für die teure Heimpflege? Mit dieser Frage befasst sich derzeit das Bundesverfassungsgericht. (Foto: Foto: dpa)

Der Erste Senat verhandelt einen Fall, dessen Anfänge neun Jahre zurückliegen. Die zentrale Frage lautet: Muss für den Elternunterhalt eine selbst genutzte Immobilie verpfändet werden? Ja, sagt die Stadt Bochum und verlangt langfristig gut 60.000 Euro von einer heute 66-jährigen Rentnerin, deren Mutter vor ihrem Tod im Jahr 1995 vier Jahre lang in einem Alten- und Pflegeheim gewohnt hatte.

Damals veränderten vier Ereignisse das Leben der kinderlosen Frau: Erst trennte sie sich von ihrem Ehemann, dann kam die Klage, kurz darauf starb die Mutter, und später erhielt sie die betriebsbedingte Kündigung ihrer Halbtagstätigkeit, aus der sie zuletzt 1100 Mark netto bekommen hatte.

"Konsumieren statt kumulieren"

Sie werde doch nicht dieses Einkommen oder ihre spätere Rente von 1200 Mark für die Pflegekosten einsetzen müssen, glaubte die Frau. Das verlangte auch die Stadt Bochum nicht, die als Träger der Sozialhilfe die monatlichen Pflegekosten von 3400 Mark übernommen hatte, von denen jeweils 2700 Mark ungedeckt blieben.

Die Stadt wusste aber, dass die Tochter im Gegensatz zu ihren drei vermögens- und einkommenslosen Schwestern noch etwas in der Hinterhand hatte: Sie und ihr Mann besaßen jeweils zur Hälfte ein Vier-Familienhaus, dessen Verkehrswert damals auf 660.000 Mark geschätzt wurde. Abzüglich der Belastungen hatte der Anteil der Frau einen Verkehrswert von 245.000 Mark.

Die monatlichen Belastungen überstiegen damals die Nettoeinnahmen der Frau, die in einer der Wohnungen lebte; die anderen drei waren vermietet. Die Stadt wollte zugunsten der öffentlichen Hand an dieses Privatvermögen heran und berief sich auf Paragraf 1601 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

Zinsloses Darlehen

Danach sind Verwandte in gerader Linie verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren. Diesen Anspruch der Mutter gegen die Tochter hatte die Stadt auf sich übergeleitet und machte ihn erst als Zahlungsanspruch geltend, später in besonderer Form: Die Stadt bot der Frau ein zinsloses Darlehen in Höhe der verlangten 60.000 Euro an, das erst drei Monate nach deren Tod zur Rückzahlung fällig wird. Zur Sicherung der Summe sollte eine Grundschuld eingetragen werden.

Das Landgericht Duisburg billigte im Mai 1996 dieses Modell. Ob es Zukunft hat, muss nun das Verfassungsgericht entscheiden. Das Urteil verletze das Eigentumsrecht und die "allgemeine Handlungsfreiheit", sagt Rechtsanwalt Anwalt Jörn Hauß. Seine Mandantin habe das Grundstück für ihre Altersabsicherung erworben, die nun gefährdet sei.

Durch die Sicherungsgrundschuld werde die Beleihbarkeit der Immobilie und die Chancen auf einen Verkauf deutlich reduziert. Die Frau würde wegen ihres Eigentums gleichheitswidrig belastet. Die Konsequenz wäre laut Hauß für die von Elternunterhalt Bedrohten: "Konsumieren statt kumulieren." Sonst wäre "der Fleißige der Dumme".

© SZ vom 15.03.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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