Unister-Pleite:Turbulenzen

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Der Firmensitz nach dem Unfalltod von Unister-Chef Thomas Wagner. (Foto: Jan Woitas/dpa)

Der Verkaufsprozess bei Unister hat begonnen, ein Mann landet in Untersuchungshaft. Staatsanwälte wollen klären, was noch zu klären ist.

Von Uwe Ritzer, Leipzig

Seit Montag ist der Datenraum geöffnet, eine gut gesicherte, virtuelle Plattform im Internet, zu der nur Zugang erhält, wer vom vorläufigen Insolvenzverwalter Lucas Flöther die nötigen Passwörter bekommt. Es könnte der Anfang vom Ende der insolventen Unister-Firmengruppe sein, jenes rasant gewachsenen Unternehmens, das Reiseportale wie fluege.de, ab-in-den-urlaub.de oder flug24.de betreibt und nach einem jahrelangen Höhenflug in etlichen Insolvenzverfahren gelandet ist. Im Datenraum finden Interessenten die nötigen Informationen, um Angebote für die komplette oder die teilweise Übernahme von Unister abzugeben. "Die Resonanz ist gut", sagte ein Sprecher Flöthers wenige Stunden nach der Öffnung des Datenraums.

Das verwundert nicht, denn seit dem Insolvenzantrag Ende Juli melden sich zahlreiche Kaufinteressenten. Nun wird sich zeigen, wer sein Interesse auch mit einem konkreten Angebot unterfüttern wird. Erst dann könne man sagen, was die einzelnen Assets wert seien, so Flöthers Sprecher.

Ein anderes Thema ist die strafrechtliche Aufarbeitung der Vorgänge, die Unister in die Pleite getrieben haben. Und natürlich der rätselhaften Umstände, unter denen Firmengründer Thomas Wagner, sein Geschäftspartner Oliver Schilling, ein Finanzberater und ihr Pilot am 14. Juli beim Absturz ihres Flugzeuges in Slowenien ums Leben kamen.

Das Quartett war auf dem Rückflug von Venedig, wo Wagner tags zuvor beim Versuch, dringend benötigte Millionen Euro für Unister zu beschaffen, offenkundig von Betrügern hereingelegt worden war. Ein angeblicher israelischer Diamantenhändler namens Levi Vass sollte ihm Geld leihen; tatsächlich drehte er Wagner Falschgeld an und nahm ihm anderthalb echte Millionen Euro ab. Die genauen Umstände des letzten Deals im Leben des Thomas Wagner ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft Dresden. Am Wochenende wurde bekannt, dass sie bereits am 28. Juli den Geschäftsmann Wilfried S. aus Unna verhaften ließ. Die Ermittler werfen ihm Beihilfe zum Betrug in einem besonders schweren Fall vor. Wegen Fluchtgefahr sitzt S. in Untersuchungshaft.

Ihm könnte unter anderem eine E-Mail zum Verhängnis werden. Darin schrieb ein ebenfalls in den dubiosen venezianischen Millionendeal verwickelter, früherer Leipziger Bankdirektor, Wilfried S. kenne besagten Levi Vass seit 17 Jahren aus dem Diamantengeschäft, habe "bisher nur gute Geschäfte mit ihm gemacht und auch noch nie etwas Negatives über ihn gehört". In Wahrheit scheint Levi Vass ein falscher Name eines echten Betrügers zu sein.

Doch nicht erst die mysteriösen Vorgänge in Venedig und der merkwürdige Flugzeugabsturz in Slowenien haben Unister zum Fall für die Staatsanwaltschaft gemacht. Dem Landgericht Leipzig liegen schon länger zwei Anklagen vor, bei denen es hauptsächlich um Steuerhinterziehung und gewerbsmäßigen Betrug geht. Thomas Wagner hätte sich dafür vor Gericht verantworten müssen. Den anderen beschuldigten Unister-Managern wird voraussichtlich 2017 der Prozess gemacht. Die Ermittlungen, die zur Anklage geführt haben, reichen Jahre zurück.

Überhaupt stehen die Art und Weise, wie Unister Geschäfte betrieb, schon seit Jahren in der Kritik. Gegenüber der Wochenzeitung Die Zeit sprachen Mitarbeiter von dreister Kundenabzocke etwa von Nutzern der Plattformen fluege.de oder ab-in-den-urlaub.de. Ungeklärt ist auch ein angeblicher, lukrativer Verkauf von Kundendaten, über den die Bild am Sonntag berichtete. Unister dementiert die Vorwürfe, der vorläufige Insolvenzverwalter will die Vorgänge prüfen, wie sein Sprecher sagte.

All dies trägt nicht zur Beruhigung der Kundschaft bei. Die Verbraucherzentrale Sachsen berichtet von vermehrten Anfragen verunsicherter Kunden, die über eine der Unister-Plattformen Reisen gebucht haben. Offenbar besteht die nicht ganz unbegründete Angst, bereits geleistete Zahlungen von Kunden könnten nicht ordnungsgemäß an Hotels und Reiseveranstalter weitergeleitet worden sein. Konkret soll es bislang einen Fall geben. Auch ihn will Flöther nun prüfen.

© SZ vom 16.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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