Unfall erkannt:Digitale Rettungshelfer für Biker

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Die Smartphone-App erkennt den Sturz eines Motorradfahrers und kann auch den Notruf auslösen. (Foto: dpa)

Mit einer App macht das französische Start-up Liberty Rider das Motorradfahren sicherer. 2020 will es auf den deutschen Markt kommen.

Von Hannah Norris, Köln

Per Handy-App will das französische Start-up Liberty Rider das Motorradfahren sicherer machen. Das Unternehmen aus Toulouse plant, das Angebot im kommenden Jahr in andere europäische Länder zu bringen, darunter auch Deutschland. Bis dahin will das Start-up noch technische Verbesserungen einbauen.

Das Konzept klingt einfach: Liberty Rider ist eine Smartphone-App, die den Sturz eines Motorradfahrers erkennt. Dafür wertet die App die Signale des Handys aus. Sie stammen aus den Bewegungssensoren der Geräte und aus den Signalen des GPS-Empfängers. Ein Algorithmus erkennt einen Sturz. Wenn es dazu kommt, klingelt für zwei Minuten ein Alarm auf dem Handy. Falls der Fahrer nicht antwortet, ruft das Assistance-Team den Fahrer an. Kommt auch dann keine Antwort, wird der Notruf ausgelöst.

Die App wurde bislang 300 000 mal geladen. Bisher legten Motorradfahrer mit ihr 180 Millionen Kilometer zurück. Dabei erkannte das Programm 782 Unfälle, in 72 Fällen trug es dazu bei, Leben zu retten, sagt Mitgründer François Tournadre.

Bei allen Neuwagen muss von diesem Jahr an EU-weit ein automatisches Notrufsystem eingebaut werden, der Ecall. Aber für Motorräder gilt diese Pflicht nicht, auch wenn Hersteller wie BMW ein Ecall-System als Sonderausstattung anbieten.

Die meisten Motorräder haben aber kein Notrufsystem. Das wollten die Gründer von Liberty Rider ändern. Es sei nicht einfach für einen Motorradfahrer, nach einem Unfall für Hilfe zu sorgen, sagt Tournadre. "Es geht uns nicht nur um das Unternehmen und den Gewinn, sondern tatsächlich um die Rettung von Menschenleben."

Liberty Rider ist nicht das einzige Unternehmen, das in diesem Bereich aktiv ist. Schon vor sechs Jahren brachte Helmhersteller Schuberth zusammen mit Bosch ein Gerät auf den Markt, das nach Unfällen einen Alarm absetzen sollte. Allerdings waren die Sensoren zu empfindlich, es gab viele Fehlalarme. Anfang 2014 nahm Schuberth das Gerät wieder vom Markt.

Inzwischen gibt es eine Reihe von Nachrüstsystemen, so die Dguard der deutschen Firma Digades. BikerSOS aus Österreich arbeitet ähnlich wie Liberty Rider mit einer App. "Unsere schärfste Konkurrenz ist das deutsche Unternehmen Calimoto, das auch eine App anbietet", sagt Liberty Rider-Chef Emmanuel Petit.

Der Hauptunterschied zwischen eingebautem Gerät und App ist der Preis: Die Geräte können deutlich über 500 Euro kosten. Die Apps arbeiten fast immer mit einer kostenlosen Version, die schon den Rettungsruf beinhaltet, und einer Premium-Version, die weitere Dienstleistungen enthält, und im Fall Liberty Rider fünf Euro im Monat kostet. Von September an soll eine neue Version der Premium-App weitere Verbesserungen bringen. Dazu gehört die Analyse von Kurven, auf deren Grundlage dem Fahrer die besten und ungefährlichsten Routen angezeigt werden.

Das französische Start-up hat bislang 2 Millionen Euro an Finanzierung eingesammelt. Die Versicherer Matmut, Groupe Massif und Mutuelle des Motards gehören zu den Investoren. Mit ihnen arbeiten die Gründer bei der Vermarktung der App zusammen. "Wir haben kein eigenes Budget für das Marketing, wir entwickeln uns mit unseren Partnern", erläutert Petit. Die App wird an die jeweiligen Marken der Versicherer angepasst.

Jetzt will Liberty Rider das gewonnene Know-how auch für andere Zielgruppen nutzbar machen, vor allem Fahrradfahrer. Und die Firma arbeitet an einem eigenen Ecall-Gerät, das Hersteller oder Privatnutzer dann einbauen können.

"Am meisten ärgert uns, wenn unsere App einen Unfall nicht erkennt", sagt der Unternehmenschef. Am Anfang geschah das öfter, jetzt kaum noch. Aber was passiert, wenn das Handy defekt ist oder es keinen Empfang hat? Nach Angaben von Petit haben die Geräte während 97 Prozent der Fahrten eine Verbindung. Was allerdings passiert, wenn bei einem Unfall das Handy zerstört wird, ist nicht gelöst, ebenso wenig wie beim Ecall.

© SZ vom 13.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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