Unabhängigere Aufsichtsräte:EU knickt ein

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Der Sturmlauf der Industrie gegen eine EU-weite Verschärfung der Unternehmenskontrolle scheint zu fruchten. Binnenmarktskommissar Bolkestein, der Manager und Aufsichtsräte Mindeststandards unterwerfen wollte, mildert sein Vorhaben ab. Die Veröffentlichtung von Managergehältern dürfte jetzt auch nicht mehr zwingend vorgeschrieben werden.

Von Christian Wernicke

Frits Bolkestein hatte sich viel vorgenommen. Mit strengen Standards wollte der Brüssels streitbarer Binnenmarkt-Kommissar an der Spitze von Europas Konzernen eine neue, selbstverständlich "bessere" Unternehmenskultur verbreiten.

Und er glaubte, die Skandale von Großunternehmen wie Enron oder dem italienischen Lebensmittel-Multi Parmalat hätten ihm den nötigen Rückenwind beschert — etwa, um mittels EU-weiter "Mindeststandards" mehr unabhängige Wachhunde in Aufsichtsräten von Aktiengesellschaften zu installieren und zu verhindern, dass altgediente Vorständler quasi automatisch zu den Chefs ihrer Nachfolger avancieren. Oder auch, um Unternehmensvorstände zur Offenlegung ihrer Gehälter und Tantiemen zu nötigen.

Das war einmal. Nach massiven Protesten vor allem auch des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) gegen die Brüsseler Pläne ist der Holländer inzwischen zurückgerudert.

Unverbindlich

Die endgültige Fassung seiner "Empfehlungen zur Stärkung der Corporate Governance" will Bolkestein zwar erst Ende September präsentieren. Aber jene Entwürfe, die seine Beamten nun via Internet publizierten, weisen die Richtung: Statt die EU-Staaten daheim zur Durchsetzung von Mindestnormen anzuhalten, mag Bolkestein nunmehr nur unverbindlich von "zusätzlichen Empfehlungen" reden. Und die Brüsseler Vorgaben zur Preisgabe der Manager-Einkünfte dürften kaum strenger ausfallen als das, was in Deutschland - per nationalem Corporate Governance Kodex - inzwischen zum guten Ton im Unternehmen gehört.

Deutsche Industrievertreter und Gewerkschafter können also zufrieden sein. Als "bedenkliche Überreaktion" hatte der BDI noch im Juni die damaligen Entwürfe gegeißelt. Demnach sollte jede EU-Regierung eine "Sammlung detaillierter Prinzipien" verbindlich festschreiben, die die Gepflogenheiten vor allem in deutschen Konzernen verändert hätten. Erst nach einer Sperrfrist von fünf Jahren hätten Vorstandsmitglieder als unabhängige Aufsichtsräte agieren dürfen, zudem wäre ihre Amtszeit auf maximal 12 Jahre begrenzt worden.

Auch wären Repräsentanten von Mutterkonzernen weitgehend ausgesperrt worden, genauso wie Verwandte von Eigentümern einer Familiengesellschaft. Und die Gewerkschaften irritierte das Ansinnen des liberalen holländischen EU-Kommissars, künftig keine Mitarbeiter oder Betriebsräte mehr im Aufsichtsgremium zuzulassen. Das stellte das Modell der deutschen Mitbestimmung im Kern in Frage.

Sonderklausel

Den deutschen Gewerkschaften ist Bolkestein jetzt mit einer Sonderklausel entgegen gekommen: Ausdrücklich werden gesetzliche Arbeitnehmer-Vertreter in Aufsichtsräten von den EU-Vorgaben ausgenommen. Zudem räumt Bolkestein nun ein, dass es letztlich die Entscheidung eines jeden Aufsichtsrates selbst sei, nach welchen Kriterien es seine Mitglieder als unabhängig einstuft.

Und insgesamt wird jedem Land frei gestellt, wie es künftig seine heimische Unternehmenskultur pflegen will. Zwar zählt die EU-Kommission als mögliche Mittel zum Zweck auch strenge Vorschriften in nationalen Aktien- oder Unternehmensgesetzen auf. Aber ebenso zulässig sei auch "jedes andere verbindliche Mittel, das auf nationaler Ebene für angemessen gehalten wird". In der Wirklichkeit dürfte sich damit wenig ändern.

© SZ vom 06.08.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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