Umstrittener Jobwechsel:Staatssekretär auf Abwegen

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Alfred Tackes Wechsel in die Industrie empört die Opposition. Sein künftiger Arbeitgeber, die Steag, gehört ausgerechnet zu jenem Bergbaukonzern, der von Tackes Entscheidungen als Staatssekretär im Wirtschaftsministerium profitiert hat.

Von Ulrich Schäfer

Alfred Tacke schweigt. Er will nichts sagen. Nicht in der Öffentlichkeit. Soll FDP-Chef Guido Westerwelle im Bundestag schimpfen: "Die Sache stinkt zum Himmel."

Soll Michael Glos, der Chef der CSU-Landesgruppe, stänkern: "Das kann sich eine seriöse Regierung nicht leisten". Der Staatssekretär aus dem Bundeswirtschaftsministerium will keine Interviews geben.

Nur hinter verschlossenen Türen mag er an diesem Donnerstag gemeinsam mit Minister Wolfgang Clement erklären, warum er seinen Wechsel an die Spitze des fünftgrößten Stromversorgers der Republik für nicht anrüchig hält und dies, anders als der FDP-Politiker Rainer Brüderle behauptet, kein "Skandal" ist.

Die Personalie Tacke ist das einzige Thema, mit dem sich der Bundestagsausschuss für Wirtschaft und Arbeit befasst.

Union und FDP haben die Sondersitzung beantragt, der Ausschussvorsitzende Rainer Wend (SPD) eilends die Einladung verfasst.

Später Dank für umstrittene Entscheidung

Im Paul-Löbe-Abgeordnetenhaus will die Opposition hinterfragen, ob hier ein Staatsdiener von der Wirtschaft im Nachhinein belohnt wird — und ob das Jahresgehalt von geschätzt 500 000 bis 600 000 Euro ein später Dank für eine umstrittene Entscheidung des Staatssekretärs ist.

Denn Tacke (derzeitiges Salär: rund 130 000 Euro) hat vor zwei Jahren im Auftrag seines Ministers Werner Müller, der sich als ehemaliger Energiemanager für "befangen" erklärt hatte, eine der größten deutschen Unternehmensfusionen genehmigt: die Übernahme von Ruhrgas durch Eon.

Der Sozialdemokrat hat sich dabei über Bedenken des Kartellamts und der Monopolkommission hinweggesetzt. Er hat, wie das Düsseldorfer Oberlandesgericht später bescheinigt hat, "schwerwiegende Verfahrensfehler" begangen.

Auch eine zweite, veränderte Ministergenehmigung lehnte das Gericht ab — die Fusion kam, weil Eon sich außergerichtlich mit den Klägern einigte, dennoch zustande.

Und jetzt, so fragt die Opposition, soll Tacke ausgerechnet in jenen Konzernverbund wechseln, der von seiner Entscheidung profitiert hat? Nun soll er wie der einstige EU-Kommissar Martin Bangemann beim umstrittenen Wechsel zum spanischen Kommunikationskonzern Telefonica in eine Branche abtauchen, die er selber reguliert hat?

Nur wer das Industrienetz an Rhein und Ruhr durchdringt, kann erahnen, warum der Wechsel des Staatssekretärs für so viel Wirbel sorgt.

Tackes künftiger Arbeitgeber, die Steag, gehört zum Bergbaukonzern RAG, und dieser wiederum ist teilweise im Besitz des von ihm begünstigten Stromriesen Eon.

Auch die RAG hat von dem komplizierten Milliardendeal profitiert, denn sie erhielt im Zuge der Eon-Ruhrgas-Fusion die Mehrheit am Chemieunternehmen Degussa. Und, ach ja: Heutiger Chef der RAG ist Ex-Wirtschaftsminister Müller.

Bereits dessen Wechsel in die Energiewirtschaft hatte 2003 die Opposition empört, die Personalie Tacke verschärft nun deren Argwohn. "Wir werden diese Sache aufdecken", verkündet FDP-Chef Westerwelle.

Tacke unterliegt keinen Beschränkungen

Clements Ministerium kann die Aufregung nicht verstehen. Weil Tacke freiwillig aus seinem Beamtenjob ausscheide, unterliege er, anders als entlassene Staatsdiener, "keinen Beschränkungen", versichert eine Sprecherin.

Auch Ausschuss-Chef Wend verteidigt seinen Parteifreund: "Tacke hat bei seiner Entscheidung vor zwei Jahren doch nicht wissen können, dass er irgendwann mal in die Stromwirtschaft wechseln würde."

Im Übrigen, so Wend, sei der Staatssekretär auch in anderen Branchen ein begehrter Mann: "Der hat aus zwanzig Angeboten auswählen können."

Vielleicht muss Tacke auf eine dieser Offerten noch zurückkommen. Denn angesichts des Wirbels um seinen Steag-Job halten es Regierungsinsider für möglich, dass sein Wechsel an die Ruhr noch platzen könnte.

© SZ vom 9.9.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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