Umsatzeinbußen:Sättigung im Schleckerland

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Noch führt die blau-weiße Kette den Markt an, doch die Drogerieketten dm und Rossmann holen auf. Der Betriebsrat befürchtet weitere Filialschließungen und Entlassungen. Ein Unternehmenssprecher streitet das ab.

Von Cornelia Knust

Verschwunden ist der Männerpo auf bordeauxrotem Grund. Blau-weiße Schriftzüge sollen künftig die Schaufensterscheiben in der Münchner Kolumbusstraße verschatten.

Die blau-weiße Drogeriekette kämpft mit Umsatzueinbußen. Der Konkurrenzkampf ist kein Zuckerschleken! (Foto: Foto: AP)

Die Drogeriemarktkette Rossmann verabschiedet sich vom wenig frequentierten Standort mitten im ruhigen Wohngebiet.

Konkurrent Schlecker übernimmt ihn mit Wonne, obwohl wenige hundert Meter links und rechts von hier schon Schlecker-Läden vorhanden sind: Das Familienunternehmen aus Ehingen bei Ulm expandiert, wie es immer expandiert hat - auf kleinen Flächen in mittelmäßigen Lagen.

Pro Quadratmeter weniger Umsatz

Und doch scheint nichts mehr wie es war beim größten deutschen Drogeriemarktbetreiber. Inhaber und Firmenchef Anton Schlecker, der in diesen Tagen seinen sechzigsten Geburtstag feiert, habe in Deutschland mit sinkenden Umsätzen auf vergleichbarer Fläche zu kämpfen, heißt es.

Fachleute aus allen Ecken der Branche wollen das jedenfalls an Schleckers Orderverhalten abgelesen haben. Ein Schlecker-Sprecher sagt auf Anfrage: "Das kann so pauschal nicht bestätigt werden."

Erstmals wolle das Unternehmen mehr Filialen schließen, als es neu eröffne, und Mitarbeiter in großem Stil kündigen. Das berichtet zumindest die Gewerkschaft Verdi. Im Zuge der begonnenen Standortoptimierung drohe 1000 umsatzschwachen Filialen die Schließung.

Schlecker: Keine Kündigungen, kein Expansionsstopp

"Das ist falsch", sagt der Schlecker-Sprecher. Wo einzelne Standortoptimierungen geplant seien, werde den Angestellten zudem eine Beschäftigung in einer anderen Filiale angeboten.

"Die Nachricht stimmt", sagt dagegen Marion Tesche, stellvertretende Betriebsratsvorsitzende bei Schlecker. Sie rechnet mit betriebsbedingten Kündigungen für 3000 bis 4000 Kollegen.

Die Probleme auf dem Heimatmarkt sind offensichtlich so groß, dass die für 2004 angekündigte Expansion nach Osteuropa gestoppt oder zumindest verschoben wurde. In Polen sei etwas eröffnet worden, wissen die Marktforscher von Planetretail in Frankfurt: "In Tschechien, Ungarn, der Slowakei und Slowenien ist nichts geschehen."

Die Annahme eines Expansionsstopps sei nicht zutreffend, meint dagegen der Schlecker-Sprecher. Polen sei erfolgreich angelaufen, Tschechien werde nächstes Jahr folgen.

Die Konkurrenz wächst schneller

Schlecker hat bei Drogeriemärkten die Führungsposition in Deutschland. Auf 5,9 Milliarden Euro Umsatz dürfte er hier in diesem Jahr kommen, schätzt das Handelsforschungsunternehmen Tradedimensions in Frankfurt. 2003 war er mit 5,4 Milliarden Euro und 45 Prozent Marktanteil fast dreimal so bedeutend wie die nächsten Konkurrenten dm oder Müller.

Die Rossmann-Gruppe mit ihrem potenten chinesischen Gesellschafter Hutchison Whampoa kommt nur auf 10 Prozent Marktanteil. Doch dm und Rossmann wachsen derzeit doppelt bis dreifach so schnell wie Schlecker, der langsam an eine Sättigungsgrenze zu stoßen scheint.

11.000 Drogeriemärkte will Anton Schlecker nach eigenen Angaben Ende dieses Jahres in Deutschland betreiben, 250 mehr als noch im Jahr zuvor. "Ich habe nicht den Eindruck, dass das sein letztes Wort ist", sagt ein Experte beim Fachblatt Lebensmittelzeitung.

Doch seiner Kenntnis nach haben sich die Schließungen in den vergangenen Jahren nur auf 150 bis 200 belaufen. Wenn die neuen Verdi-Zahlen stimmten, zeige dies, dass Schlecker nun genauer hinsehe, wo sich seine Standorte zu sehr ballen.

Mit Sonderangeboten und Rabatten die Kunden locken

2,1 Millionen Quadratmeter Verkaufsfläche unterhält Schlecker in Deutschland, mit Schwerpunkt Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen. An ihm kommen die großen Konsumgüterhersteller nicht vorbei.

Seine Einkaufsmacht wusste er stets in hohe Rabatte umzumünzen und die Lieferanten auf sein ausgeklügeltes Logistikkonzept mit den 17 Verteilzentren einzunorden. Dennoch scheint Schlecker die "Preisführerschaft", derer er sich gerne brüstet, nicht mehr zu haben.

Wettbewerber dm beispielsweise hält sich bei einem repräsentativen Warenkorb für 22 Prozent billiger. Branchenkenner sprechen von mindestens zehn Prozent Preisunterschied. Der Schlecker-Sprecher weist dies zurück und zweifelt die Zusammensetzung des Warenkorbs an: Die wöchentlich wechselnden Sonderangebote seines Hauses seien darin sicher nicht enthalten.

Wie kann Schlecker auf den wachsenden Wettbewerb reagieren? An der Kostensituation wird er im Vergleich zum Ist-Zustand nur schwer etwas verbessern können. Da er teure Innenstadtlagen und große Flächen meidet, zahlt er ohnehin die niedrigsten Mieten. Sein Geiz und seine Kontrollwut gegenüber der Belegschaft sind Legende.

Nicht selten muss eine Mitarbeiterin über Stunden allein die Stellung im Laden halten, erzählt Betriebsrätin Tesche. Nur wer spurt und unbezahlte Mehrarbeit leistet, hat nach ihrer Darstellung einen sicheren Job. "Wer krank wird oder sich wehrt, wird fallen gelassen."

Klein, kompakt und voll gestopft

Noch heute haben von 300 Verkaufsbezirken nur 80 einen Betriebsrat. Dass es mehr werden könnten, da ist Schlecker vor. Tesche: "Er schlägt mit dem Knüppel drauf." Die kleinen Ladenflächen (im Durchschnitt 200 Quadratmeter) begrenzen den Spielraum beim Sortiment, das rund 4000 Artikel zählt - knapp halb soviel wie bei seinen Wettbewerbern.

"Die Läden sind so voll gestopft, da kommen Sie ja gar nicht mehr durch", sagt ein Konsumforscher. Der Versuch, mehr Lebensmittel (11 Prozent Umsatzanteil) und mehr Hartwaren (5 Prozent) anzubieten, fiel beim Kunden durch, wie Schlecker kürzlich selber zugab.

Nun will sich Schlecker wieder ganz auf Drogerieartikel konzentrieren, gleichzeitig den Eigenmarkenanteil (rund 15 Prozent) weiter hochfahren. Sogar an das sensible Produkt Babynahrung will er sich damit wieder heranwagen, berichten Insider.

Kann das Auslandsgeschäft den Ausgleich für die Flaute in Deutschland bringen? Die Europa-Expansion - begonnen 1987 in Österreich - soll jedenfalls fortgesetzt werden, hieß es vergangene Woche auf einer Betriebsrätekonferenz.

Mehr als 3200 Läden mit insgesamt wahrscheinlich einer guten Milliarde Euro Umsatz (Planetretail) unterhält Schlecker in Ländern wie Spanien, Frankreich, Italien und den Niederlanden.

Familienmitglieder führen die Geschäfte

Aber eine Einkaufsmacht wie auf dem deutschen Markt kann er dort nicht ausspielen. Die ausländischen Tochtergesellschaften seien Verlustbringer, heißt es in der Branche. Aus dem Unternehmen war dazu keine Stellungnahme zu erhalten.

Schlecker ist so zugeknöpft wie die Branchenkollegen Aldi und Lidl. In der Rechtsform des Einzelunternehmens geführt, gibt es in der Geschäftsleitung nur Familienmitglieder: neben Anton Schlecker seine Frau Christa und die beiden Kinder Lars und Meike.

Dass zumindest die Finanzsituation noch alles andere als besorgniserregend sein dürfte, kann man aus dem Bundesanzeiger erfahren, wo Schlecker alljährlich, aber mit großer Verspätung seine Konzernbilanz veröffentlicht. Die letzte aus dem Jahr 2002 zeigt ein kerngesundes Unternehmen mit fast einer halben Milliarde Eigenkapital und einer Bankverschuldung von nahe null.

© SZ vom 26.10.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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