Ukraine warnt vor Folgen des Konflikts:Europa bekommt weniger Gas

Lesezeit: 2 min

Russland hat die Ukraine vor ernsten Lieferengpässen in Europa gewarnt. Nun schaltet sich auch die Bundesregierung ein.

Thomas Urban und Daniela Kuhr

Die Auswirkungen des Streits um russische Gaslieferungen an die Ukraine bekommen immer mehr Länder in Mittel- und Osteuropa zu spüren. Entgegen den Beteuerungen Russlands und der Ukraine kommt in Polen, Rumänien, Ungarn, Tschechien und der Türkei inzwischen weniger Gas aus Russland an, das überwiegend durch die Ukraine geleitet wird. Deutschland bleibt bislang von Lieferengpässen verschont. Doch ein Ende des Konflikts ist nicht in Sicht.

Kontrolle gefordert

Sowohl der russische Lieferant Gazprom, als auch der Kiewer Abnehmer Naftogaz kündigten Klagen gegeneinander vor internationalen Gerichten an. Moskau beschuldigte die Ukraine, in großem Umfang Gas aus den in die EU-Staaten führenden Transitleitungen abzuzapfen. Vor dem 3. Januar habe Kiew 50 Millionen Kubikmeter zurückgehalten, die für Westeuropa bestimmt gewesen seien. Die Führung von Gazprom forderte die EU auf, den Transit durch die Ukraine von Inspektoren kontrollieren zu lassen. Die staatliche Naftogaz in der Ukraine erklärte dagegen, sie setze sogar eigene Reserven ein, um die Lieferungen nach Westen sicherzustellen. Gazprom habe seine Gaslieferungen in die EU um 52 Millionen Kubikmeter auf 20 Millionen Kubikmeter reduziert.

Die Folgen des Streits sind bereits vielerorts in Europa spürbar: Der polnische Pipeline-Betreiber Gaz-System gab bekannt, dass seit Freitag elf Prozent weniger Gas durch die ukrainische Pipeline angekommen seien als vereinbart. Rumänien erklärte, seine Gaslieferungen lägen ein Drittel unter dem normalen Niveau. Auch Bulgarien meldete, die Lieferungen seien binnen 24 Stunden um bis zu 15 Prozent zurückgegangen. Alle Länder gaben jedoch an, die Ausfälle derzeit durch Reserven oder andere Pipelines ausgleichen zu können.

Lager sind noch gut gefüllt

Oleksander Schlapak, der Wirtschaftsberater des ukrainischen Präsidenten Viktor Juschtschenko, appellierte am Sonntag an die Europäische Union, Kiew in dem Konflikt beizustehen. Falls die EU jetzt nicht helfe, werde der Kreml mittelfristig auch gegenüber Westeuropa seinen Energiekurs verschärfen. Russland missbrauche seinen Rohstoffreichtum, um andere Länder zu erpressen.

Zuvor hatte Moskau mitgeteilt, dass Kiew noch Schulden in Höhe von 614 Millionen Dollar begleichen müsse. Gazprom erhöhte außerdem seine Forderung für den künftigen Gaspreis: Kiew solle in Zukunft 450 Dollar pro tausend Kubikmeter zahlen. Noch Ende 2008 hatte Moskau 250 Dollar gefordert, Kiew aber hatte auf eine Quote von 210 Dollar bestanden. Die Verhandlungen waren daraufhin abgebrochen worden, wofür sich beide Seiten am Wochenende gegenseitig die Schuld gaben.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie das Bundeswirtschaftsministerium vorgeht.

Die tschechische Regierung, die seit Neujahr die EU-Präsidentschaft innehat, warnte vor übertriebener Sorge vor einer drohenden Gasknappheit. "Die Lager sind voll", sagte der tschechische Vizepremier Alexander Vondra nach einem Treffen mit Gazprom-Vizechef Alexander Medwedjew. Prag sehe keinen Anlass, sich stellvertretend für die EU als Vermittler in dem Konflikt anzubieten.

Das Bundeswirtschaftsministerium führe seit Beginn der Krise "intensive Gespräche mit der russischen und der ukrainischen Regierung", sagte eine Sprecherin des Ministeriums am Sonntag. Dabei werde an beide Seiten appelliert, die Versorgungssicherheit bei allen Entscheidungen zu berücksichtigen und die Lieferverträge einzuhalten. Bislang scheint sich der Streit zwischen Gazprom und der Ukraine nicht spürbar auf die Versorgung in Deutschland auszuwirken. "Dem Bundeswirtschaftsministerium liegen keine Meldungen vor, dass hier weniger Gas ankommt", sagte die Sprecherin.

Auch Eon Ruhrgas, der größte deutsche Gas-Importeur, sieht nach eigenen Angaben keine Probleme. "Zwar bekommen wir momentan geringfügig weniger Gas geliefert, aber das bewegt sich im Rahmen der üblichen Schwankungen", sagte ein Sprecher. Zudem seien die Speicher gut gefüllt. Die Versorgung der Kunden sei sicher.

© SZ vom 05.01.2009/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: