Überwachung im Internet:Deutsche Technik für iranische Spitzel?

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Iran hat offenbar eines der weltweit besten Systeme zur Kontrolle der Kommunikation - Nokia Siemens Networks soll geholfen haben.

Sicher ist es nur ein Zufall, dass die Filmmusik von Miss Marple ertönt, wenn man beim deutschen Vertreter von Nokia Siemens Network anruft. Miss Marple ist bekanntlich die sehr britische Dame, die in der Literatur und im Film mit viel Spürsinn Verbrechen aufklärte.

Nokia Siemens Networks hat in Iran Technik für mobile Netzwerke geliefert, die sich auch missbrauchen lassen könnte. (Foto: Foto: dpa)

Mit der Technik des Gemeinschaftsunternehmens soll ebenfalls mancher Täter dingfest gemacht werden können - etwa, wenn Daten und Informationen aus den Telekommunikationsnetzen ausgewertet und bei der Fahndung eingesetzt werden.

Iran hat von "Tätern" eine ganz eigene Vorstellung - und hat angeblich mit Hilfe von Nokia Siemens Networks mittlerweile eines der weltweit ausgeklügelsten Systeme zur Kontrolle und Zensur des Internets entwickelt. Es ermöglicht, die individuelle Kommunikation im Internet zu verfolgen, berichtet das Wall Street Journal. Die Aufregung ist groß.

Ben Roome, Pressesprecher von Nokia Siemens Network (NSN), erklärt sueddeutsche.de , seine Firma habe mit dem Ausspähen im Internet, worüber das US-Wirtschaftsblatt berichtet, überhaupt nichts zu tun. Das Unternehmen habe nur für die mobilen Netzwerke eine Technik geliefert, die es ermögliche, entsprechend den Gesetzen Gespräche zu überwachen und aufzuzeichnen. Dies sei in den meisten Ländern längst Standard.

Nach Angaben von Experten blockieren die iranischen Behörden indes nicht bloß bestimmte Webseiten oder kappen Verbindungen. Stattdessen würden Informationen über einzelne Personen gesammelt, aber auch zur Desinformation gefälscht weiterverbreitet.

Blitzschnell durchkämmt

Das Wall Street Journal hatte berichtet, dass die technische Ausrüstung dafür zumindest teilweise von dem Joint Venture Nokia Siemens Networks (NSN) in der zweiten Jahreshälfte 2008 zur Verfügung gestellt worden sei.

Das sogenannte Monitoring Center sei Teil eines größeren Vertrages gewesen, mit dem das Land die Mobilfunktechnologie erworben habe.

Das im finnischen Espoo residierende Joint Venture beschäftigt rund 60.000 Mitarbeiter. Es enstand im April 2007, wobei Siemens eine untergeordnete Rolle spielt.

Über die Geschäfte der finnisch-deutschen Firma mit Iran war bereits im vergangenen Jahr von der österreichischen Internetpublikation Futurezone berichtet worden.

In einem Artikel des Magazins hatte es unter Berufung auf einen NSN-Sprecher im April 2008 geheißen: "Wir vermarkten diese 'Intelligence Solution' für Strafverfolger und Geheimdienste global, hauptsächlich im Nahen Osten, in der Region Asien-Pazifik und Europa". Diese Anfage habe sich seinerzeit auf eine noch von Siemens entworfene "Intelligence Platform" bezogen. Dabei handelt es sich um eine Software, die Informationen aus verschiedenen Datenbanken und andern Quellen zusammenführen könne, um damit beispielsweise Profile von Menschen zu erstellen.

Mit "Intelligence Mining"-Programmen würden dann die Profile nach bestimmten Mustern durchwühlt.

Nach Informationen des Wall Street Journal kann die Regierung Datenpakete im Internet - also E-Mails, Internettelefonate, Bilder oder Mitteilungen in sozialen Netzwerken - blitzschnell durchschauen, nach Schlüsselwörtern durchsuchen und wieder komprimieren lassen.

In Iran werde dies für das ganze Land an einer Stelle durchgeführt. Allerdings schreibt das Wall Street Journal selbst, dass nicht genau gesagt werden könne, ob die NSN-Technologie auch dafür eingesetzt werde.

Angaben zufolge hat NSN den Bereich "Intelligence Solutions" Ende März an die Beteiligungsgesellschaft Perusa verkauft, da er nicht mehr zum Kerngeschäft des Unternehmens gehöre. Perusa lehnte eine Stellungnahme ab.

Die iranische Regierung soll die Technik wiederholt in den vergangenen Monaten genutzt haben - allerdings nur sporadisch. Daher seien die technischen Möglichkeiten bis zu den jüngsten Unruhen im Land nicht so offensichtlich gewesen.

"Jetzt wissen wir, dass sie sehr genau verfolgen können, was im Netz passiert", zitiert das Blatt einen Experten.

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