Übertragungsrechte:Olympisches Kartell

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Die EU-Kommission prüft, ob ARD und ZDF trotz niedrigerer Offerten die Spiele 2010 und 2012 korrekt erhielten.

Von Klaus Ott

Die Beamten in Brüssel wollen alles wissen. Sämtliche Summen und Angebote. Und sie wollen alles sehen, jeden einzelnen Brief und sogar die E-Mails. Die Europäische Union (EU) prüft bis ins kleinste Detail, ob der Verkauf der Übertragungsrechte für die Olympischen Spiele 2010 und 2012 in Ordnung war.

Vor knapp drei Monaten hatten ARD und ZDF erneut den Zuschlag erhalten, trotz höherer Offerten der privaten Konkurrenz. Die Pro Sieben Sat 1 Media AG und der Abosender Premiere waren bereit, 150 bis 170 Millionen Euro zu zahlen.

Doch das Internationale Olympische Komitee (IOC) entschied sich wieder für die EBU, den Verbund der öffentlich-rechtlichen Anstalten in Europa, dem auch ARD und ZDF angehören. Deren Anteil am Gesamtpreis der EBU beträgt aber nur 115 Millionen Euro.

Geld oder Zuschauer?

Nun prüft die Brüsseler EU-Kommission, ob ein Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln vorliegt.

Der Fall mit dem Aktenzeichen C2/36100 R, IOC + EBU, hat grundsätzliche Bedeutung. Was zählt künftig bei der Übertragung von Olympischen Spiele mehr? Der Wunsch des IOC, möglichst viele Disziplinen einem möglichst großen Publikum zu zeigen, was wohl am besten im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gewährleistet ist. Oder das Kartellrecht, das dafür Sorge tragen soll, dass möglichst viele Sender Zugang zu den Bildern von attraktiven Sportereignissen erhalten.

Das schließt natürlich auch Abonnementskanäle wie Premiere ein, bei denen nur eine Minderheit der Zuschauer Kunde ist. Premiere hofft, mit Hilfe der EU nachträglich das Rennen zu machen.

Das in München ansässige TV-Unternehmen will in seinen Bezahl-Programmen viele Disziplinen zeitgleich präsentieren und darüber hinaus mit einem frei empfangbaren Sender kooperieren. Der soll dann 100 Stunden von den Winterspielen 2010 und 200 Stunden von den Sommerwettbewerben 2012 übertragen.

"Keine Chance"

Da könne man vielleicht noch nachbessern, sagt Premiere-Chef Georg Kofler. "Aber das IOC hat nie mit uns verhandelt und uns gar keine Chance gegeben."

Bei den Sommerspielen kürzlich in Athen hatten ARD und ZDF jedenfalls viel umfangreicher berichtet. Die Vorkämpfe und die 301 Entscheidungen im Schwimmen, bei der Leichtathletik, beim Reiten, Schießen und den anderen Sportarten liefen beinahe rund um die Uhr in den beiden Hauptprogrammen, dem Ersten oder dem Zweiten, und auf bis zu vier digitalen Zusatzkanälen.

So breit müssten die Spiele auch weiterhin übertragen werden, verlangt das IOC. Vizepräsident Thomas Bach propagiert eine "ganzheitliche Präsentation".

Und der Vizechef von ARD und EBU, Fritz Pleitgen, fügt hinzu, die Weitergabe ganzer Sportarten wie Schwimmen oder Rudern an die kommerzielle Konkurrenz sei ausgeschlossen. Das lasse der Vertrag zwischen IOC und EBU nicht zu. Doch inzwischen untersucht die Europäische Kommission, ob dieses Abkommen überhaupt zulässig ist.

Die Generaldirektion Wettbewerb in Brüssel hat alle Beteiligten aufgefordert, alles vorzulegen. Die deutschen Anstalten sind dem bereits nachgekommen und sorgen sich nun um ihre Übertragungsrechte.

Einkaufskartell

"Wir haben den Eindruck, die EU will die Spiele dem Wettbewerbsrecht unterordnen, obwohl die olympische Idee andere Ziele verfolgt", sagt ZDF-Justitiar Carl-Eugen Eberle und fügt hinzu, das IOC strebe nicht nach maximalen Gewinnen. Die Konkurrenz widerspricht.

Die deutschen Anstalten hätten über die EBU Druck gemacht, trug Premiere in Brüssel vor. Die EBU habe das IOC wissen lassen, man kaufe die Spiele nur im Paket für ganz Europa. "Nur so konnten ARD und ZDF zu schlechteren Preisen den Zuschlag erhalten", klagt Kofler. Der Premiere-Chef hofft, Brüssel werde einschreiten. "Die EBU ist ein Einkaufskartell, das verboten werden muss."

Unterstützt wird Kofler von Bayerns Regierungschef Edmund Stoiber. Der fordert, die Anstalten müssten bereits bei den Spielen 2006 in Turin und 2008 in Peking einen Teil ihrer Übertragungsrechte an Privatsender verkaufen. Bei der Rundfunkgebühr, aus der sich ARD und ZDF finanzieren, könne dann gespart werden. Offenbar hat Stoiber aber nicht genau gerechnet. Es ginge, wenn überhaupt, um ein paar Cent; die Gebühr beträgt derzeit 16,15 Euro im Monat.

© SZ vom 11.09.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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