Überraschender Abgang:Finanzchef verlässt Karstadt-Quelle

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Der Handelskonzern muss seinen Vorstand erneut umbauen: Finanzvorstand Harald Pinger verlässt überraschend das Unternehmen.

Stefan Weber

In einer eilig zusammengestellten Mitteilung bestätigte Karstadt-Quelle am Mittwochnachmittag, was nach einer Meldung des Manager-Magazins bekannt geworden war: Finanzchef Harald Pinger verlässt überraschend den Handelskonzern.

Der Finanzvorstand der KarstadtQuelle AG, Harald Pinger, verlässt überraschend das Unternehmen. (Foto: Foto: ddp)

Nach Angaben des Unternehmens hatte sich der 46-Jährige bei der Verlängerung seines Vertrages im Oktober die Zusicherung erbeten, "eine operative Verantwortung außerhalb des Konzerns" zu suchen.

Im Umfeld des Unternehmens heißt es, er habe nicht länger als Finanzvorstand tätig sein wollen, sondern habe Verantwortung für einen Geschäftsbereich übernehmen wollen. Weil dies bei Karstadt-Quelle nicht möglich sei, habe er sich für einen Wechsel entschieden. Er werde jedoch solange an Bord bleiben, bis ein Nachfolger gefunden sei.

Zwist im Vorstandsbüro

In Kreisen, die dem Unternehmen nahestehen, wird diese Version stark bezweifelt. Vielmehr ist die Rede davon, dass es zwischen Middelhoff und Pinger in den vergangenen Monaten wiederholt gekracht haben soll.

Das Manager Magazin berichtet, dass der Finanzvorstand Gegenwart und Zukunft des Unternehmens weit weniger optimistisch einschätzt als Middelhoff.

Der Vorstandschef betrachte die Sanierung des Unternehmens als weitgehend abgeschlossen. Das lange Zeit kriselnde Warenhausgeschäft hat nach seiner Überzeugung die Wende geschafft; auch in der Touristik gehe es deutlich bergauf. Die einzige Schwachstelle, die Middelhoff einräumt, ist der Versand.

Fortsetzung des Konzernumbaus

Um dieses Geschäftsfeld wieder auf Kurs zu bringen, hatte der Konzern vor zwei Wochen eine unerwartete Wende vollzogen: Neckermann soll an die Börse gebracht werden, und für Serviceaktivitäten rund um den Versand wird ein neuer Eigentümer gesucht. Auch einige Spezialversender stehen zum Verkauf. Im Versand will der Konzern in Zukunft sämtliche Kräfte auf Quelle konzentrieren und plant zudem einen Einstieg in den Bereich Teleshopping.

Middelhoff wehrt sich seit Monaten dagegen, dass Karstadt-Quelle von einigen Seiten immer noch als "angeschlagener Handelskonzern" bezeichnet wird. Nach dem Verkauf von nahezu sämtlichen Immobilien im Wert von 5,1 Milliarden Euro sieht er das Unternehmen in der Lage, Akquisitionen für mehrere hundert Millionen Euro zu stemmen.

So bemüht er sich derzeit, den Anteil der Lufthansa an der gemeinsamen Touristik-Tochter Thomas Cook zu erwerben. Für diesen Kauf müsste Karstadt-Quelle nach Schätzungen aus der Branche zwischen 500 und 800 Millionen Euro bezahlen.

Spekulationen zurückgewiesen

Karstadt-Quelle hat am Mittwoch sämtliche Spekulationen über ein Zerwürfnis im Vorstand zurückgewiesen. Es gebe weder gegensätzliche Auffassungen noch Meinungsverschiedenheiten im Führungsgremium, wird betont.

Der Handelskonzern sucht nach eigenen Angaben bereits seit Oktober nach einem Nachfolger für Pinger. Trotzdem wurde der erst im Herbst 2007 auslaufende Vertrag Pingers bereits vor acht Wochen um drei Jahre verlängert. Ein Firmensprecher sah darin keinen Widerspruch. Mit der Vertragsverlängerung wolle man die Zeit überbrücken, bis ein Nachfolger gefunden sei, hieß es.

Nach Angaben von Karstadt-Quelle werden derzeit "aussichtsreiche Gespräche" mit mehreren Kandidaten geführt. Als Favorit gilt Peter Diesch, der bei Linde zum Jahresende als Finanzchef ausscheidet.

Pinger, der "Koordinator"

Pinger war im Herbst 2004 von Messer Griesheim zu Karstadt-Quelle gewechselt. Das Unternehmen war damals stark insolvenzgefährdet. Pinger erwarb sich rasch große Anerkennung für sein Geschick in den Verhandlungen mit Kreditinstituten und Investmentbanken, die damals bei dem Unternehmen stark mitbestimmten.

Nach dem plötzlichen Abgang des damaligen Vorstandschefs Christoph Achenbach im April 2005 übernahm Pinger im Vorstand bei Karstadt-Quelle für kurze Zeit die Rolle des "Koordinators", ehe Thomas Middelhoff auf den Chefposten rückte. Später übertrug ihm Middelhoff zusätzlich zu den Finanzen die Verantwortung für das Versandgeschäft.

Dort war er Platzhalter für Marc Sommer, der zu Beginn dieses Jahres zu Karstadt-Quelle wechselte. Nach dem Abgang von Pinger ist Middelhoff gezwungen, die Führungsmannschaft zum wiederholten Mal neu zusammenzustellen.

© SZ vom 14.12.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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