Übernahmeschlacht:Pariser Sanofi will deutsch-französische Aventis schlucken

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Der französische Konzern Sanofi-Synthelabo wagt sich an die feindliche Übernahme des weit größeren Konkurrenten Aventis. Dieser wehrt sich vehement gegen die für ihn bittere 50-Milliarden-Euro-Pille.

Über dem deutsch-französischen Pharma-Riesen Aventis kreisen "die Geier". So jedenfalls sieht es der Chef des Pariser Konkurrenten Sanofi-Synthélabo, Jean-François Dehecq, und sagt eine Übernahmewelle in der Branche voraus.

Vor der Sanofi-Zentrale in Paris. (Foto: Foto: AP)

Weil aber jedes der beiden Unternehmen durch "die Geier" gefährdet gewesen sei, habe schnell gehandelt werden müssen. "Ohne Gespräch, ohne Verhandlung", so versichert der 64-jährige hemdsärmelige Pharma-Manager, habe er den Aventis-Aktionären deshalb eine Übernahme im Wert von 47,8 Milliarden Euro angeboten.

Doch die Straßburger Aventis mit ihren 70.000 Mitarbeitern will nicht gefressen werden und lehnte die Offerte als feindlich ab.

Kräftige Kursschwankungen

Seit Wochen sind Mitarbeiter, Börsenmakler und Aktionäre aufgeschreckt. Fusionsgerüchte sorgten für kräftige Kursschwankungen.

Aber offiziell gab es nur Dementis. "Wir sprechen mit niemandem über eine solche Verbindung", sagte Aventis-Vorstandschef Igor Landau. Und er sagte offensichtlich die Wahrheit. Denn der Pariser Konkurrent wischte alle guten Gepflogenheiten beiseite, um ohne jedes Sondierungsgespräch einen Frontalangriff zu starten.

"Das ist eine Operation, die direkt, offen und öffentlich über die Bühne geht," verkündet Dehecq. Sanofi-Synthélabo wolle "die Nummer eins in Europa werden".

Die geplante feindliche Übernahme ist in jeder Hinsicht ein starkes Stück. Mit einem Jahresumsatz von acht Milliarden Euro - gegenüber mehr als 20 Milliarden für Aventis - und einem Forschungsbudget, das ebenfalls nur ein gutes Drittel erreicht, will der eindeutig kleinere Riese den größeren schlucken.

"Das hat uns die Beine weggehauen"

Davon wurde auch der Aventis-Betriebsrat in Frankfurt am Main überrascht. "Das hat uns die Beine weggehauen", sagt Betriebsrätin Marion Bomm. Sie kann es nur begrüßen, dass die Aventis-Spitze den Vorstoß zurückweist.

Die französische Gewerkschaft Force Ouvrière sorgt sich, die Fusion werde zur "Streichung vieler Stellen führen".

Sanofi-Chef Dehecq spricht nicht von Stellenstreichungen, sondern sieht "Einspareffekte von 1,6 Milliarden Euro im Jahr".

Schon seit Jahren ist die Chemie- und Pharmaindustrie ein Tummelplatz der Fusionen. Auf den Zusammenschluss der Schweizer Sandoz und Ciba-Geigy 1996 folgten drei Jahre später die Fusion von Rhône-Poulenc und Hoechst zu Aventis sowie von Sanofi und Synthélabo, 2000 dann Glaxo Wellcome und Smith-Kline Beecham, im vergangenen Jahr schließlich die Übernahme von Pharmacia durch den US-Giganten Pfizer.

Ständig neue Medikamente

Das Karussell scheint sich immer schneller zu drehen. "Die Pharma-Unternehmen stehen ständig unter dem Zwang, neue Medikamente zu entwickeln, weil andere aus dem Patentschutz fallen", sagt Rolf Hömke vom Verband der Forschenden Arzneimittelhersteller (VFA).

Dabei seien für die Entwicklung eines Medikaments bis zur Marktreife im Schnitt rund 800 Millionen Dollar erforderlich. Effektiv greife der Patentschutz in der Regel nur zehn Jahre, gleich anschließend seien Generika auf dem Markt.

Zwar hat Aventis mit dem Allergiemittel Allegra/Telfast und dem Thrombosemittel Lovenox zwei wahre Kassenschlager im Programm, die derzeit rund 3,5 Milliarden Euro im Jahr einspielen. Aber die Patente laufen in zwei Jahren ab.

Mit Gesundheitsreformen wird seit Jahren international der Druck auf Ärzte und Patienten erhöht, von den Original-Medikamenten auf die billigeren Nachahmerprodukte umzusteigen.

Hohes Forschungsbudget

Gemessen an seinem hohen Forschungsbudget von 3,2 Milliarden Euro hat Aventis derzeit nur recht wenig Medikamente in der Pipeline, die zur Patentierung anstehen. Es sind 29, genauso viele wie bei Sanofi.

Solche Faktoren könnten bei der von Dehecq behaupteten "Zerbrechlichkeit" des Aventis-Konzerns eine Rolle spielen. Aber Landau und seine Leute habe noch nicht aufgesteckt und suchen nach anderen Möglichkeiten mit einer "stärkeren industriellen und sozialen Logik".

Mit Hilfe von Großbanken und treuen Aktionären wollen sie die "feindliche" Attacke aus Paris parieren.

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