Überkapazitäten:Tankstellen vor neuem Preiskampf

Lesezeit: 2 min

Die polnische Tankstellenkette PKN Orlen will sich in Deutschland als Billig-Anbieter profilieren. Experten rechnen daher mit einem Preiskampf auf dem von Überkapazitäten geplagten Markt.

Von Meite Thiede

(SZ vom 18.08.03) - Vom großen Tankstellensterben, das die Branche noch vor Jahresfrist prognostiziert hatte, ist bisher nichts zu spüren. 3.000 bis 4.000 der rund 16.000 Stationen hätten mittelfristig keine Überlebenschance, hatte der Mineralölwirtschaftsverband (MWV) vermutet.

Nach Angaben einer Verbandssprecherin wird diese Prognose aber aufrechterhalten. Denn an den Rahmenbedingungen habe sich nichts geändert: Der Kraftstoff-Verbrauch sinke kontinuierlich. So sei im ersten Halbjahr die Nachfrage nach Benzin um weitere fünf Prozent, die nach Diesel um zwei Prozent geschrumpft.

Eine Chance zur Bereinigung des Marktes hatten die großen Anbieter in der Umsetzung der Kartellauflagen für die Fusionen von Shell/Dea und Aral/BP gesehen. Die jeweils letztgenannten Marken werden vom Markt verschwinden. Die übernehmenden Konzerne müssen den Auflagen zufolge bis Ende 2003 einige tausend Stationen verkaufen und damit Marktanteile abgeben.

Hoffnungen erfüllten sich nicht

Allerdings erfüllten sich Hoffnungen nicht, die Tankstellen könnten an kleinere Ketten gehen, die dann ihre eigenen, weniger wirtschaftlichen Stationen hätten stilllegen können.

Grund dafür ist die mangelnde Finanzkraft des Mittelstandes. So hat Aral 494 Tankstellen an den polnischen Newcomer PKN Orlen verkauft, 247 weitere an die österreichische OMV. Shell gibt 950 Stationen an Agip, Avia, Total und andere Betreiber ab.

Nach den Zahlen des Energie Informationsdienstes (EID) gewinnen bis zum Jahresende, wenn alle Verkäufe abgewickelt sein sollen, fast alle Gruppen am Tankstellenmarkt hinzu. Denn die bisherigen Marktanteile von BP und DEA fallen weg. An der Spitze finden sich weiterhin Aral und Shell.

Signifikant größere Anteile haben nun unter anderem OMV, Agip und Avia, neu im Markt ist PKN Orlen.

Nach Meinung des EID-Herausgebers Heino Elfert ist bei dieser Konstellation, die das Mittelfeld sowie die regional operierenden Newcomer besonders stärkt, der nächste Preiskrieg bereits programmiert.

Marktanteil von zehn Prozent angepeilt

Vor allem das weitere Verhalten von PKN werde ganz entscheidend dafür sein, ob ein so erbitterter Preiskampf wie im Jahr 2000, als die Branche tief in die roten Zahlen abstürzte, noch verhindert werden könne. Immerhin peilen die Polen mittelfristig einen Marktanteil von zehn Prozent an.

PKN wird eine Zwei-Marken-Strategie fahren: Von den knapp 500 übernommenen Tankstellen sollen nur 150 unter der Marke Orlen geführt werden, die preislich mit den teuren so genannten A-Marken (Aral, Shell, Esso, Total, Avia, Agip) gleichzieht.

An den übrigen 350 Stationen von PKN aber soll der Kraftstoff billiger verkauft werden (B-Segment). Nach Brancheninformationen wollen die Polen dafür mit der Marke "Star" auftreten. Unter den 350 Tankstellen befinden sich rund 170 ehemalige Aral- und BP-Stationen, die bis zum Jahresende von teuer auf billig umgerüstet werden und im regionalen Wettbewerb für erheblichen Wirbel sorgen dürften.

Spielraum für Preissenkungen scheint es durchaus zu geben. Nach Angaben von Branchenexperten ist die Ertragslage im Kraftstoffgeschäft im Moment gut, auch wenn einzelne Firmen über schlechte Margen klagen.

Der Schock des Jahres 2000 sitzt den Konzernen noch in den Gliedern, und sie versuchen, mit Marketing-Ideen Marktanteile zu gewinnen. Der Bundesverband Tankstellen und Gewerbliche Autowäsche Deutschland ist allerdings skeptisch, ob diese Strategie Bestand haben kann: Mittelfristig könnten die Überkapazitäten kaum ohne Preiskämpfe abgebaut werden, heißt es.

ExxonMobil nur noch im Mittelfeld

Der amerikanische ExxonMobil-Konzern zählt zu den Verlierern des neu geordneten Tankstellenmarktes. Das Kartellamt hatte Esso Zukäufe untersagt. Vor den Fusionen der Wettbewerber war Esso Dritter am Markt; heute muss sich der Konzern den dritten Platz mit dem Bundesverband Freier Tankstellen (bft) teilen und befindet sich nur noch im Mittelfeld.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: