Turbulente Schuhbranche:Lurchis langer Marsch

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Die Beschäftigten des schwäbischen Traditionsunternehmens Salamander stehen vor einer ungewissen Zukunft. Trotz hohem Bekannheitsgrad der Marke und wachsendem Umsatz muß Salamander Insolvenz anmelden.

Von Dagmar Deckstein

"Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, heute ist in der Salamander-Historie ein ganz besonderer Tag". So beginnt das Schreiben des Garant-Vorstandes an die Salamander-Beschäftigten vom 1. Oktober 2003.

Marken mit extremem Bekanntheitsgrad: Salamander und Lurchi. (Foto: Foto: dpa)

"Nur wenige Monate vor dem 100. Geburtstag der Marke Salamander ist nun die planmäßige Überleitung der Schuhaktivitäten der Salamander AG an die Garant Schuh + Mode AG erfolgreich vollzogen.

Um auf diesem eingeschlagenen Weg erfolgreich weitergehen zu können, brauchen wir Sie", heißt es in dem Schreiben weiter.

Am Mittwoch war wieder ein besonderer Tag für die Mitarbeiter. Zwei Tage nach dem Düsseldorfer Schuhhändler Garant beantragte auch die Tochterfirma Salamander beim Amtsgericht Ludwigsburg Insolvenz.

Knapp 1000 Mitarbeiter stehen vor einer eher ungewissen Zukunft — die noch verbliebenen 71 im Stammhaus Kornwestheim und die 900 in den etwa 100 deutschen Filialen.

Verblasste Größe

Und weil die Geschichte stets ironische Volten liebt, begann der Morgen nach dem Abend des Insolvenzantrags, der 9. September, ausgerechnet mit der pompösen Eröffnung des riesigen Salamander-Geschäfts in Dresden.

Trösten können sich nur die weiteren 1000 Beschäftigten in den 130 Filialen im europäischen Ausland, die als selbstständige Töchter fungieren. Sie sind von der Insolvenz bislang nicht betroffen. Die Mitarbeiter von Salamander sind Kummer gewohnt.

In den vergangenen drei Jahrzehnten sind die Spuren einstiger Größe im schwäbischen Traditionsunternehmen immer mehr verblasst. Ende der 60er Jahre fertigte der Konzern mit 17 800 Mitarbeitern jährlich 13,5 Millionen Paar Schuhe.

In den vergangenen sechs, besonders turbulenten Jahren unterm Dach des Karlsruher Energiekonzerns EnBW verkümmerte der einstige Star der Branche fast zum Ladenhüter.

Schon der frühere EnBW-Chef Gerhard Goll wollte sich 2002 von Salamander trennen, fand aber keinen Käufer.

Großreinemachen

Golls Nachfolger, Utz Claassen, veranstaltete kurz nach seiner Amtsübernahme Anfang 2003 ein beispielloses und temporeiches Großreinemachen im unübersichtlichen Konzern, in dessen Zuge die Schuhsparte von Salamander für 16 Millionen Euro an Garant losgeschlagen wurde.

Der Düsseldorfer Schuhhändler sollte eine schuldenfreie und mit 50 Millionen Euro Eigenkapital ausgestattete Gesellschaft übernehmen. "Wir machen hier einen kompletten Neuanfang", hatte Garant-Aufsichtsratschef Kurt Merse vor einem knappen Jahr versprochen: "Salamander hatte und hat viele Probleme, aber in dem Zustand, in dem wir es übernehmen, ist es gesund und ertragsträchtig."

Nun hat sich Garant doch an Salamander überhoben. Bereits im April wies die Verbund-Gruppe erstmals in ihrer 80-jährigen Firmengeschichte rote Zahlen aus: Den Verlust von 14 Millionen Euro schrieb Garant Restrukturierungskosten für Salamander in Höhe von 24 Millionen Euro zu.

"Garant ist ein Laden mit 130 Leuten, und dann kamen durch Salamander plötzlich 2000 dazu. Es gab in Düsseldorf doch nie die Management-Kapazitäten, um das zu stemmen", sagt ein früherer Mitarbeiter von Salamander.

Der Stuttgarter Rechtsanwalt Hendrik Hefermehl, der jetzt in Kornwestheim als Insolvenzverwalter eingezogen ist, legt nach: "Salamander war vielleicht zu groß und Garant möglicherweise zu klein." Mit dem Führen eines eigenen Filialnetzes betrat Garant jedenfalls Neuland.

Liquiditätsklemme

Während Garant derzeit intensiv mit den Banken verhandelt, um aus der Liquiditätsklemme zu kommen, macht Hefermehl den Salamander-Beschäftigten Mut: "Die Aussichten sind gut, dass das Unternehmen erfolgreich weitergeführt werden kann", sagt er. Auch unabhängig von der Mutter Garant, von deren Liquidität Salamander abhängig gewesen sei.

Somit hätten deren Finanzprobleme zwingend zum Insolvenzantrag von Salamander geführt. Salamander jedenfalls sieht sich auf dem Weg nach oben: Um 5,6 Prozent habe das Geschäft in den deutschen Filialen bis Ende Juli zugelegt, während es in der gesamten Branche um 4,1 Prozent schrumpfte.

Im August habe man 10,4 Prozent mehr Schuhe verkauft. Eines der wertvollsten Guthaben des Schuhhändlers sind die Marken Salamander und Lurchi, die mit einem Bekanntheitsgrad von 90 Prozent in der Liga von Coca-Cola oder McDonald's spielen.

"Es würde wohl keiner auf die wahnwitzige Idee kommen, diese Marken mit extremem Bekanntheitsgrad einschlafen zu lassen oder aufzugeben", meint Markenexperte Peter Littmann.

© SZ vom 10.9.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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