Trotz Heuschrecken-Debatte:Rekordjahr für Firmenjäger in Deutschland

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Heuschrecken-Debatte hin oder her: Nie zuvor haben ausländische Finanzinvestoren in Deutschland so viele Unternehmen gekauft wie in diesem Jahr. Dabei investierten sie mindestens 30 Milliarden Euro. Bis die Risikofonds einen Dax-Konzern übernehmen, ist es wohl nur noch eine Frage der Zeit.

Martin Hesse

Zugleich sammelten die Risikofonds Rekordsummen bei ihren Geldgebern ein. Analysten rechnen für das kommende Jahr erstmals auch mit der Übernahme eines Dax-Konzerns durch ausländische Beteiligungsfirmen.

Hoher Kommunikationsbedarf: Das Geschäft der Risikonfonds läuft immer schneller. (Foto: Foto: AP)

Damit dürfte die im Frühjahr von dem damaligen SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering angestoßene Debatte über die Rolle der Finanzinvestoren, die er als "Heuschrecken" bezeichnet hatte, neue Nahrung erhalten.

Finanzinvestoren haben im Jahr 2005 in Deutschland 133 Unternehmen übernommen und dabei 29,6 Milliarden Euro investiert. Nur etwa eine halbe Milliarde Euro kam von deutschen Beteiligungsgesellschaften, der Rest von meist angelsächsischen Firmenkäufern wie Kohlberg Kravis Roberts (KKR), Blackstone oder CVC. Das ist das Ergebnis einer Studie des Wirtschaftsprüfungsunternehmens Ernst & Young.

Tatsächlich noch mehr investiert

Tatsächlich dürften Beteiligungsgesellschaften noch weit mehr in deutsche Firmen investiert haben, da die Studie nur Firmenkäufe berücksichtigt, deren Preis bekannt ist.

Beteiligungsfirmen übernehmen Unternehmen mit überwiegend geliehenem Geld, bürden den Firmen die Schulden auf und verkaufen sie nach einigen Jahren mit Gewinn weiter. Die größte Übernahme 2005 war der Kauf der Wohnungsgesellschaft Viterra durch die britische Terra Firma für sieben Milliarden Euro.

"Viele deutsche Unternehmen haben in den letzten Jahren die Effizienz gesteigert sowie die Marktposition verbessert", sagt Wolfgang Taudte, Partner bei Ernst & Young. Diese Fortschritte würden gerade von ausländischen Investoren gesehen. Falls die Zinsen nicht deutlich stiegen, werde der Boom der Beteiligungsbranche in Deutschland anhalten.

Dax auf höchstem Stand seit vier Jahren

Das wachsende Interesse ausländischer Investoren an deutschen Firmen schlägt sich auch am Aktienmarkt nieder. So stieg der Leitindex Dax in diesem Jahr um 27 Prozent und erreichte am Mittwoch den höchsten Stand seit fast vier Jahren.

Deutsche Aktien entwickelten sich damit besser als amerikanische und die meisten anderen europäischen Märkte. Als Motor des Anstiegs gelten ausländische Aktienfonds und Hedge-Fonds, also Risiko-Anleger.

Anders als Aktienfonds kaufen Beteiligungsgesellschaften Unternehmen komplett und nehmen erheblich größeren Einfluss auf das Management.

Im Frühjahr hatte der damalige SPD-Vorsitzende Franz Müntefering, der heute Bundesarbeitsminister ist, Finanzinvestoren mit Heuschrecken verglichen. Er warf ihnen vor, aus kurzfristigem Gewinninteresse Firmen zu übernehmen, sie abzugrasen und geschwächt zurückzulassen. Kurz darauf war in der SPD-Bundestagsfraktion eine Liste aufgetaucht, auf der einige Beteiligungsgesellschaften namentlich genannt wurden.

Die Branche wehrte sich gegen den Vorwurf, Werte und Arbeitsplätze zu vernichten. Im Herbst legte der Verband der Europäischen Beteiligungsindustrie eine Studie vor, die zu dem Ergebnis kam, dass die Branche per Saldo Arbeitsplätze schaffe.

Diskussion dürfte 2006 neue Nahrung erhalten

Die Diskussion um die Beteiligungsfirmen dürfte 2006 neue Nahrung erhalten. Nach Zahlen der Dachfondsgesellschaft Adveq haben die Finanzinvestoren 2005 weltweit weitere 240 Milliarden Euro bei ihren Anlegern eingesammelt, um weitere Übernahmen zu finanzieren. Da sie für Firmenkäufe meist zusätzlich etwa das Dreifache an Schulden aufnehmen und sich zu Käufergruppen zusammenschließen, können die Risikofonds immer größere Übernahmen stemmen.

"Die Mammut-Fonds könnten im nächsten Jahr versuchen, einen der ersten Konzerne aus dem Dax zu erobern", sagte Ralf Huep, Deutschlandchef der Beteiligungsgesellschaft Advent der Süddeutschen Zeitung.

In den nächsten Tagen dürfte eine weitere Traditionsfirma, der Motorenhersteller MTU Friedrichshafen, an einen Finanzinvestor veräußert werden. Der Verkauf an die schwedische Beteiligungsfirma EQT steht nach Informationen der SZ unmittelbar bevor.

Verschuldung stößt zunehmend auf Kritik

Die hohe Verschuldung, die Beteiligungsgesellschaften ihren Firmen aufbürden, stößt aber auch in der Branche zunehmend auf Kritik. "Es ist gut mit Bleiweste zu trainieren, aber nicht, wenn die Weste so schwer ist, dass man sich nicht mehr bewegen kann", sagte Hans Albrecht, Chef der Beteiligungsgesellschaft Nordwind Capital.

© SZ vom 28.12.05 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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