Trinkkultur:Mehr als Fass und Flasche

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Teurer Wein aus billiger Dose? Was hierzulande eher als Kulturschande gebrandmarkt wird, ist in den USA ein großer Trend. (Foto: oh)

Gute Tropfen in Dosen abgefüllt: In den Vereinigten Staaten boomt der Markt für alternative Getränkebehälter. Das wird als schick und praktisch angesehen, liegt aber auch an den amerikanischen Gesetzen.

Von Jürgen Schmieder, New York

Es ist dieses unverwechselbare Geräusch, dieses erfrischende Zischen, gefolgt vom blechernen Klacken, bei dem der Hörer sofort weiß: Da hat sich jemand ein Büchsenbier gezapft. Bei kaum hörbarem Zischen ist es ein Energygetränk, bei zu lautem und zu langem Zischen ein Softdrink, die richtige Zisch-Klack-Mischung bekommt der Öffner nur mit Bier hin. Natürlich, das weiß der Genießer des Gerstensaftes, sollte ein Pils aus der Tulpe, ein Helles aus dem Willibecher und der Zoigl aus dem Steinkrug genossen werden - und natürlich klingt Dosenbier immer ein bisschen nach Tankstelle, nach Abschlussfeier, nach Einwegpfand. Aber handlich sind sie schon, die Blechbüchsen.

Genau darum geht es bei den neuen Erfindungen für den Transport alkoholischer Getränke -und Menschen mit feinen Geschmacksnerven sei an dieser Stelle aufgrund akuter Verletzungsgefahr für eben diese Nerven geraten, nicht weiterzulesen. In den Vereinigten Staaten boomt der Markt für alternative Weinbehälter, vor allem der Dosenwein erfreut sich großer Beliebtheit. Es gibt etwa ein kleines 187-Milliliter-Döschen mit dem Francis Ford Coppola Blanc de Blancs, es gibt die 375-Milliliter-Variante mit dem Alloy Wine Grenache Rosé oder auch die 500-Milliliter-Büchse mit einem Field Recording Fiction Red aus dem Jahr 2013. Es gibt kein Riechen und kein Schütteln, laut Hersteller soll der Traubensaft direkt aus der Dose getrunken werden, bei Coppolas Weißwein ist ein Strohhalm integriert.

Natürlich klingt Dosenwein geradezu barbarisch, doch zum einen ist so ein Barrique dann doch umständlich zu transportieren, und zum anderen die übliche Darreichungsform für unterwegs ein wenig kompliziert: eine Weinflasche ist im Vergleich zur Büchse doch recht schwer, es braucht dazu einen Korkenzieher und (natürlich zum jeweiligen Wein passende) Gläser. Ein paar Dosen sind unkomplizierter, sie können schnell in den Rucksack oder auch in eine Plastiktüte gesteckt werden -was aufgrund der Alkohol-in-der-Öffentlichkeit-Gesetze in den USA ein nicht zu unterschätzender Vorteil sein kann.

Zahlreiche Supermärkte und auch eine Fluglinie bieten mittlerweile Dosenwein an. Laut Experten boomt der Markt, weil sich nun auch Neulinge ohne Angst vor einer Blamage an Wein herantrauen würden. Wer aber noch immer die Nase rümpft, dem sei versichert, dass da noch ganz andere Varianten feilgeboten werden. Es gibt etwa Vino2Go, eine Mischung aus Weinglas und Schnabeltasse. Es gibt StackWine, eine Art ein Einwegglas mit Joghurtdeckel. Es gibt Flask2Go, eine Plastik-Flachmann-Tüte. Es gibt Wein aus Kartons und natürlich gibt es auch noch die Fünf-Liter-Umhänge-Kühltasche mit Zapfhahn. Dann vielleicht doch lieber eine kleine Weindose für die nächste Wanderung oder den nächsten Ausflug an den Strand. Auch bei der gibt es übrigens ein unverwechselbares Geräusch: kein erfrischendes Zischen, nur zwei Mal ein blechernes Klacken.

© SZ vom 18.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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