Trennung von Chrysler:Das Daimler-Debakel

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Es ist ein Lehrstück über den Größenwahn von Managern, über die Globalisierung in der Autoindustrie und über den weltweiten Druck der Finanzmärkte: Aus DaimlerChrysler wird wieder Daimler und Chrysler.

Michael Kuntz

Neun Jahre lang hat das größte deutsche Industrieunternehmen gebraucht, um zu trennen, was nie zusammengehörte.

Bei der Hauptversammlung Anfang April in Berlin hatte Konzernchef Dieter Zetsche noch gequält gelächelt, als Aktionäre mit bissigen Worten die Rückabwicklung der teuren Fusion verlangten. Nun ist es so weit, Chrysler wird an den internationalen Finanzinvestor Cerberus verscherbelt. Die Welt AG wird als Daimler AG wieder ein schwäbischer Konzern, und die Traditionsmarke Mercedes kann durchstarten, endlich wieder allein.

Später Schrempp-Schaden

So hat sich das Jürgen E. Schrempp ganz sicher nicht vorgestellt, als er im Mai 1998 die deutsche Industrie-Ikone Daimler-Benz und den amerikanischen Allerweltshersteller Chrysler unter tätiger Mithilfe zahlreicher Investmentbanker, Unternehmensberater und Anwälte zu einem Weltkonzern zusammenfügte, zu dem später auch Mitsubishi in Japan und Hyundai in Korea gehören sollten.

Schrempp hielt sich für den Größten, er glaubte, den globalen Markt beherrschen zu können. In Wirklichkeit hat er seine Geschäfte auf dem Rücken der Mitarbeiter, Kunden und Aktionäre gemacht und am Ende viele Milliarden Euro verbrannt. Der einstige Vorzeige-Manager ist als globaler Unternehmer grandios gescheitert. So gesehen ist das aktuelle Daimler-Debakel noch ein später Schrempp-Schaden - zumindest teilweise.

Denn besonders schmeichelhaft ist die Entwicklung bei Chrysler auch für Zetsche nicht. Er hatte sich durch die Sanierung von Chrysler als Nachfolger von Schrempp empfohlen. Was von den Aufsichtsräten wohl keiner ahnte, als sie Zetsche im Jahr 2005 aus den USA zurückholten: Die Sanierung der amerikanischen Konzerntochter hielt nicht lange vor.

Chrysler wies für das vorige Jahr bereits wieder einen Verlust in Milliardenhöhe aus. Der Grund: Das Unternehmen hatte seinen Händlern die Höfe mit gigantischen Monsterautos zugeparkt. Solche Fahrzeuge sind zwar beliebt bei amerikanischen Autofahrern, werden aber in Zeiten steigender Benzinpreise zunehmend unerschwinglich. Die Käufer wanderten zur Konkurrenz. Toyota und Honda eröffneten neue Werke in den USA, während General Motors, Ford und Chrysler Fabriken schlossen.

Befreit von Chrysler machen die Deutschen nun als Daimler AG weiter - mit einer eindrucksvollen Eigenkapitalquote von mehr als 40 Prozent. Allerdings gibt es auch für das geschrumpfte Unternehmen keinen dominierenden Aktionär. Daimler als Aktiengesellschaft muss also mit dem durch die Abspaltung von Chrysler gewachsenen Risiko leben, an den Finanzmärkten selber Ziel einer Übernahme zu werden.

Kurze Begeisterung an der Börse

Die Finanzfirma Cerberus will angeblich Chrysler fortführen, nicht zerschlagen und nach Heuschreckenart filetiert veräußern. Der jetzige Verkaufserlös wird überwiegend in die Krisenfirma investiert. Beide Autobauer starten neu - jeder auf seine Weise gestärkt. Offenbar konnten Zetsche und der frühere amerikanische Finanzminister John Snow, der für Cerberus handelte, sogar die Bedenken der einflussreichen Automobil-Gewerkschaft UAW gegen den Verkauf ausräumen.

Die Begeisterung an der Börse über das Ende von DaimlerChrysler war heftig, aber nur kurz. War der Aktienkurs zunächst in die Höhe geschossen, schmolz das Plus noch im Tagesverlauf weitgehend ab. Es blieb ein Erfolg, wie ihn an anderen Börsentagen schon ein Gerücht um den Kleinstwagen Smart auslöst - nicht weiter bemerkenswert also.

Denn zu viele Fragen bleiben offen: Was hat Cerberus mittelfristig mit Chrysler vor? Wahrt eine Anstandsfrist den schönen Schein? Folgt dann doch die Zerschlagung? Jonglieren die Finanzakrobaten Chrysler so lange, bis ein Autohersteller aus China oder Indien die Firma als Sprungbrett in die USA attraktiv findet und sie auch bezahlen kann?

Fest steht bisher: Dieter Zetsche, der nette Mann mit dem Schnauzbart, der raffinierte Taktiker, hat dem Drängen des Kapitalmarktes nachgegeben und DaimlerChrysler faktisch zerschlagen. Als Minderheitsaktionär mit 20 Prozent kann er sich zwar noch für die Projekte aus der gemeinsamen Zeit einsetzen, doch das Sagen in Detroit haben künftig die Leute von Cerberus.

Chrysler wird wie seine ebenfalls harten Preiskämpfen in Nordamerika ausgesetzten Konkurrenten General Motors und Ford einen Sanierungsplan nach dem anderen umsetzen, weiter Automobile bauen. Über Jahrzehnte hinweg hat der Konzern von spritschluckenden

Pickups, Minivans und Geländewagen gut gelebt. Nun ruhen alle Hoffnungen auf jenen 34 neuen Modellen, die klein und sparsam sind. Mit ihnen will Chrysler die Kunden von den asiatischen Wettbewerbern zurückholen.

Denn der Verkauf des amerikanischen Autoherstellers allein löst dessen zentrales Problem nicht: Zu wenige Menschen wollen Chrysler fahren.

© SZ vom 15.5.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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