Treffen auf Bellevue:Euro-Fan im Schloss

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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier lobt Ökonomen für ein mutiges deutsch-französisches Reform-Konzept. Und ist so in die Rolle des Wahlhelfers geschlüpft.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat den Euro im Blick. Und die Europawahlen im Mai. (Foto: Wolfgang Kumm/dpa)

Ökonomen auf Schloss Bellevue - klingt das nicht ungewöhnlich, beinahe exotisch? Kommt darauf an. Am Sitz des Bundespräsidenten empfängt man zuweilen nerdige Besucher, Computerspezialisten etwa oder digitale natives. Dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an diesem Montag in Berlin ein Dutzend Wirtschaftswissenschaftler aus Deutschland und Frankreich eingeladen hatte, war dennoch besonders. Der Präsident habe eingeladen, weil er über den Euro reden wolle, sagt einer der Gäste. Und wissen wolle, was das deutsch-französische Team da aufgeschrieben habe zur Reform der Euro-Zone. Und, selbstverständlich, da sei man angereist.

Die Sonne hat am Montag in Berlin den Zenit überschritten, als Steinmeier die renommierten Ökonomen auf seinem Amtssitz empfängt. Der Gruppe gehören unter anderen Ifo-Chef Clemens Fuest und der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, an. Von französischer Seite sind die Pariser Ökonomin Agnès Bénassy-Quéré sowie Präsidenten-Berater Jean Pisani-Ferry eingeladen. Fotos dürfen gemacht werden, ansonsten ist die Runde vertraulich.

Kaum zu glauben, aber wahr: Steinmeier ist der erste deutsche Amtsträger, der sich dafür interessiert, wie die Ökonomen die traditionell gegensätzlichen Sichtweisen beider Länder - die Deutschen betonen Marktdisziplin, die Franzosen Risikoteilung - zusammengebracht haben. Steinmeiers Interesse ist bemerkenswert. Selbst, wenn das Konzept nicht mehr taufrisch ist. Im Januar 2018 hatten die Ökonomen den gemeinsamen Reformvorstoß gewagt, um den Stillstand bei der Vertiefung der Währungsunion zu überwinden. Sie hatten erklärt, wie man die Positionen - bessere Instrumente zur Stabilisierung und mehr Risikoteilung auf europäischer Ebene versus mehr Marktdisziplin für verantwortungsvolle Fiskalpolitik auf nationaler Ebene - zusammenbringen könnte. Unter anderem forderten sie, es solle einen finanziell begrenzten Schlechtwetterfonds geben, aus dem Länder mit der Gemeinschaftswährung bei tiefen konjunkturellen Krisen Hilfen bekommen können. Das war nicht der Euro-Haushalt, den Emmanuel Macron vorgeschlagen hatte. Aber immerhin ein Instrument, um die Euro-Zone zu stabilisieren.

Man hätte annehmen können, dass die Bundesregierung der Ökonomentruppe das gemeinsame Konzept aus der Hand reißen würde, da sie doch mit der Regierung in Paris an einem gemeinsamen Reformkonzept arbeitete. Aber - weit gefehlt. Weder im Kanzleramt noch im Bundesfinanzministerium sei große Begeisterung ausgebrochen, erinnert sich einer der Autoren. Ein offizielles Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)? Aber nein. Mit Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD)? Sicher nicht. Freilich, auf Beamtenebene habe man geredet, aber auch da: wenig Begeisterung. Ein Autor erinnert sich, im Kanzleramt ermuntert worden zu sein, so ein Konzept doch mal für die Beziehungen mit China zu entwickeln, das sei doch wichtiger als die Euro-Zone.

Beim Bundespräsidenten ist zu hören, das Treffen mit den Ökonomen sei als öffentliche Würdigung ihrer Arbeit gedacht. Er habe die Arbeit der französischen und deutschen Ökonomen gelobt, verlautet es in präsidialem Tonfall nach dem 90 minütigem Treffen aus Teilnehmerkreisen. "Ihre Vorschlägen zeigten, dass die Konflikte um die Zukunft der Wirtschafts- und Währungsunion in der Sache lösbar seien". Besonders wichtig: Steinmeier ermutigte die Teilnehmer, ihre Reformideen weiterzuentwickeln.

Das deutsche Staatsoberhaupt ist in die Rolle des europäischen Wahlhelfers geschlüpft. Er hat - die Europawahlen in sechs Wochen fest im Visier - einige Veranstaltungen geplant, um für die Gemeinschaft zu werben. Mitte Mai lädt er ein zu einer Diskussion über die Europäische Union: "Was auf dem Spiel steht" lautet der Titel. Er hat Kroatien und Bulgarien besucht, um den kleineren Ländern am Rande der Europäischen Union seine Wertschätzung zu überbringen. Die nächste Reise soll nach Slowenien gehen.

Dass Steinmeier das vertrauliche Gespräch mit den Ökonomen trotzdem öffentlich ankündigt, zeigt, dass er den Scheinwerfer auf das richten will, was zu sehr vernachlässigt wird: die Zukunft des Euro.

© SZ vom 09.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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