Top-Manager:Unethisch - na und!

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Rutscht der Aktienkurs in den Keller, fordern sie saftige Gehaltserhöhungen. Steigt der Kurs entlassen sie Mitarbeiter. Über sich dulden sie niemanden. Wie die Kaste der Topmanager ihre Glaubwürdigkeit verspielt.

Von Judith Raupp

Josef Ackermann kommt zu spät. Das schont seine Nerven. Wäre der Chef der Deutschen Bank rechtzeitig zum Management-Symposium über "Freiheit, Vertrauen und Verantwortung" an die Universität St. Gallen gereist, hätte er seinem Landsmann Moritz Leuenberger zuhören müssen.

Die New Yorker Wallstreet - Wahrzeichen des Kapitalismus. (Foto: Foto: AP)

Der Schweizer Umwelt- und Verkehrsminister mokiert sich über Ackermanns Ausrutscher beim Mannesmann-Prozess. Das V-förmige Siegeszeichen sei wohl "eine moderne Variante des Rütli-Schwurs" gewesen, sinniert er.

Beim legendären Rütli-Schwur hätten die Eidgenossen drei Finger gen Himmel gestreckt, um auf die Schweiz zu schwören - drei Finger, die Freiheit, Demokratie und Verantwortung bedeuteten. Ackermann habe es später mit zwei Fingern versucht. Das hätten die Deutschen glatt als Victory-Zeichen "missverstanden", sagt Leuenberger, was er natürlich ironisch meint.

Freiheit ohne Verpflichtung

Man mag die Episode als Polemik abtun. Sie zeigt jedoch, dass es dem Minister wie vielen Menschen geht. Er regt sich über das mangelnde Verantwortungsbewusstsein zahlreicher Manager auf.

Unternehmer und Firmenlenker fordern mehr Freiheit: weg mit staatlicher Regulierung, runter mit Kündigungsschutz und den Steuern. Dabei entgeht vielen Verantwortungsträgern, dass mit der Freiheit die Verpflichtung zur gesellschaftlichen Verantwortung steigt.

Beispiele für moralisches Fehlverhalten gibt es viele. Es ist noch in guter Erinnerung, als der ehemalige Chef der Deutschen Telekom, Ron Sommer, einen überzogenen Lohnaufschlag forderte, während der Aktienkurs in den Keller rauschte und das Unternehmen Tausende Stellen strich. Als er gehen musste, kassierte er monatelang sein Gehalt weiter.

Kriminelle Energie

Angesichts sinkender Reallöhne der Arbeiter und Angestellten und zunehmender Arbeitslosigkeit erscheint das deplaziert. Ebenso überheblich hat Nestlé-Chef Peter Brabeck agiert. Trotzig drohte er mit Rücktritt, nur weil die Aktionäre fragten, weshalb er auch noch Verwaltungsratspräsident werden und somit die Kontrolle über sich selbst übernehmen wolle. Noch dreister haben sich die Manager von Enron oder Parmalat verhalten. Ihnen mangelt es nicht nur am Gewissen. Sie haben geradezu kriminelle Energie entwickelt.

Die Diskrepanz zwischen den ethischen Vorstellungen in der Bevölkerung und dem Verhalten vieler Führungspersonen ist groß geworden. So groß, dass sich die Manager öffentlich mit dem Problem beschäftigen müssen. Peter Wuffli, Chef der Großbank UBS, sagt es so: "Der moralische Kompass ist verloren gegangen."

Die mangelnde Sensibilität wird mit zunehmender internationaler Verflechtung von Unternehmen und Völkern erst recht zum Problem. "Wie können wir behaupten, in Freiheit zu leben, wenn gleichzeitig eine Milliarde Menschen mit weniger als einem Dollar pro Tag auskommen müssen?", fragt Lord Griffith, Vizepräsident der Investmentbank Goldman Sachs.

Schützenhilfe für umstrittene Kollegen

Noch deutlicher wird der Äthiopier Asfa-Wossen Asserate. Der Autor des Bestsellers "Manieren" berät deutsche Investoren in Entwicklungsländern. Er klagt, dass Deutschland nicht einmal für die Hälfte der afrikanischen Länder staatliche Ausfallbürgschaften gewähre und die Handelspolitik einseitig sei: "Ihr wollt, dass wir für Euch die Tore öffnen, dann müsst Ihr das selbe auch für uns tun. "

Solange Manager und Politiker in den eigenen Reihen moralische Fehltritte dulden, werden sie in der öffentlichen Meinung zunehmend als unehrlich wahrgenommen. Man glaubt es ihnen nicht, dass sie ernsthaft über die sozialen Konsequenzen ihres Handelns nachdenken. Es klingt nach Platitüde, wenn Deutsche-Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke Wirtschaftsstudenten erzählt, dass kein Manager gerne Arbeitnehmer entlasse. Es klingt nach bloßer Schützenhilfe für Ackermann, wenn er in Anwesenheit des umstrittenen Banken-Chefs sagt, manchmal müssten Unternehmen Stellen abbauen, auch wenn sie große Profite machten.

Die Menschen könnten das nicht immer verstehen, schiebt Ricke nach, aber in den Unternehmen sehe man die Trends eben weiter voraus. Mit anderen Worten: Die Gesellschaft soll die Manager machen lassen, dann werde schon alles gut. Ricke fordert Vertrauen ein. Dabei hat die Führungselite das Vertrauen durch eigenes Verschulden längst verspielt.

"So ethisch wie jeder einzelne Mitarbeiter"

Nicht umsonst erfährt die Kapitalismuskritik in Deutschland eine Renaissance. Das Unbehagen zieht sich durch alle Bevölkerungsschichten. Es beschränkt sich nicht auf Krawallmacher, verkappte Kommunisten oder notorische Globalisierungsgegner. Die Vertrauenskrise sitzt tief, und sie ist gefährlich, weil sie einen Angriff auf die freiheitliche Gesellschaft bedeutet.

Wer kein Vertrauen mehr hat, will kontrollieren, ruft nach Überwachungssystemen - vielleicht sogar nach solchen, die mit demokratischem Grundverständnis schwer vereinbar sind.

Die Führungselite muss ihre Glaubwürdigkeit schnellstens zurückgewinnen. Das geht nur, wenn Manager und Politiker moralische Werte vorleben und Fehltritte mit aller Härte bestrafen. "Jedes Unternehmen ist genau so ethisch wie jeder einzelne Mitarbeiter", sagt UBS-Chef Wuffli. Das schließt die Topmanager mit ein - auch solche wie Josef Ackermann.

© SZ vom 21.5.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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