Thyssenkrupp:Nerven aus Stahl

Lesezeit: 2 min

Billigimporte aus China, drohende Zölle in den USA: Die Stahlherstellung ist ein wechselhaftes Geschäft. Daher sieht Thyssenkrupp seine Zukunft eher im Bau von Aufzügen, Autoteilen oder Rolltreppen. (Foto: Oliver Berg/dpa)

Der Konzern will sein krisenanfälliges Stammgeschäft abspalten. Doch die Fusionsgespräche mit dem Konkurrenten Tata verzögern sich um Monate. Vorstandschef Hiesinger steht unter Druck.

Von Benedikt Müller, Düsseldorf

Es war als Befreiungsschlag gedacht, doch es gerät zur Geduldsprobe: Seit zwei Jahren arbeitet Thyssenkrupp nun daran, seine Stahlwerke abzuspalten und in ein Gemeinschaftsunternehmen auszulagern. Der Traditionskonzern will unabhängiger werden von den schwankenden Stahlpreisen, zumal billige Importe aus China und drohende Zölle in den USA die Hersteller belasten. Thyssenkrupp sieht seine Zukunft daher in lukrativeren Geschäften wie Aufzügen oder Autoteilen.

Doch die Loslösung vom Stammgeschäft zieht sich hin. Eigentlich wollten Thyssenkrupp und der indische Konzern Tata schon Anfang dieses Jahres besiegeln, dass sie gemeinsam den zweitgrößten Stahlhersteller Europas bilden, mit etwa 48 000 Beschäftigten in Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden. Dieser soll all den Schwankungen trotzen. Doch die Verhandlungen sind ins Stocken geraten - und damit der gesamte Umbau des Konzerns. Nun könnte der Aufsichtsrat "im ersten Halbjahr 2018" über die Stahlfusion entscheiden, teilt Thyssenkrupp mit.

Die Stahlwerker in Duisburg wollen nicht alleine für Verluste anderer Standorte aufkommen

Am Donnerstag kam der Aufsichtsrat zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen - einer "sehr intensiven", wie es heißt. Zwar sind Thyssenkrupp und Tata nach eigenen Angaben "nahezu" fertig, ihre Bücher zu prüfen. Doch als größtes Problem gilt, dass sich Tata mit seinen Stahlwerkern noch längst nicht einig ist. In Essen gilt dies jedoch als "Hausaufgabe", die der Partner nun schleunigst machen müsse.

Es geht, wie so oft, ums Geld: Bislang gehen Beschäftigte am profitabelsten Tata-Stahlwerk in den Niederlanden davon aus, dass dieser Standort seine Gewinne auch künftig nicht an das Gemeinschaftsunternehmen abführen muss. Die Spitzen von Thyssenkrupp und Tata seien sich jedoch einig, heißt es in einer Mitteilung, dass nach einer Fusion "alle Unternehmensteile und Standorte integriert und als gemeinsames Unternehmen geführt werden".

Auch die mächtigen Arbeitnehmer-Vertreter von Thyssenkrupp wollen keine Sonderrechte des niederländischen Standortes hinnehmen. Die hiesigen Stahlwerker wollen nicht Gefahr laufen, alleine für etwaige Verluste der Tata-Standorte in Großbritannien aufzukommen.

Wenn jedes Werk nur für sich wirtschaften würde, argumentiert die Gewerkschaft IG Metall, könnte von einem gemeinsam geführten Unternehmen ja keine Rede sein. Die Arbeitnehmer-Vertreter fordern deshalb eine genaue Prüfung: "Es gilt das Prinzip: Sorgfalt vor Eile", sagt Markus Grolms, stellvertretender Aufsichtsratschef von Thyssenkrupp. Tata Steel meldete jüngst, dass die Beratungen mit den Betriebsräten voranschritten.

Doch je länger sich die Verhandlungen ziehen, desto mehr gerät Thyssenkrupp-Chef Heinrich Hiesinger unter Druck. Längst kritisieren Investoren wie der Großaktionär Cevian, dass der Ruhrkonzern mit seinen verschiedenen Sparten wie Stahl, Anlagenbau oder Aufzüge zu kompliziert aufgestellt sei - und auch deshalb weniger Gewinn erwirtschafte als jeweilige Konkurrenten. Hiesinger glaubt indes, dass sich die Konzerntöchter gegenseitig befruchten - etwa wenn sie ihr Wissen teilen, um neue Techniken zu entwickeln.

Eigentlich wollten Vorstand und Aufsichtsrat im Mai die Strategie des gesamten Konzerns überprüfen - und womöglich weitere Umbrüche einleiten. Doch welche Optionen Hiesinger zur Verfügung stehen, hängt maßgeblich davon ab, ob die geplante Stahlfusion nun kommt oder nicht. Deshalb will der Essener Konzern seine neuen Ziele nun erst im Sommer ausrufen.

Thyssenkrupp hatte sich mit seinen Arbeitnehmern schon vor Weihnachten auf einen Tarifvertrag für das geplante Gemeinschaftsunternehmen geeinigt. Zwar sollen nach der Fusion bis zu 4000 Arbeitsplätze wegfallen, die Hälfte davon in Deutschland. Im Gegenzug würde der Konzern allerdings bis in den Herbst 2026 keine Kündigungen aussprechen. Thyssenkrupp und Tata erwarten, dass ihr Gemeinschaftsunternehmen jährlich 400 bis 600 Millionen Euro mehr Gewinn erwirtschaften würde, als wenn beide Stahlhersteller unabhängig blieben.

Ob es so kommt, wird - wenn der Vorstand seinen Zeitplan diesmal einhalten will - spätestens Ende Juni feststehen.

© SZ vom 13.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: