Thyssen-Krupp:"Ich gebe zu, das klingt nach Vertrauensbruch"

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Brisante Themen: Thyssen-Krupp-Chef Ekkehard Schulz äußert sich über die Salamitaktik beim Konzernumbau und betriebsbedingte Kündigungen.

H.-W. Bein

Ekkehard Schulz, 67, ist seit über 40 Jahren im Stahlgeschäft. Der Vorstandschef von Thyssen-Krupp hat bereits manche Krise überstanden und sich den Ruf als "Mister Stahl" erworben. Jetzt aber stößt er mit den Plänen zum Konzernumbau auf massiven Protest der Betriebsräte und der IG Metall.

"Mister Stahl:" Thyssen-Krupp-Chef Ekkehard Schulz. (Foto: Foto: Reuters)

SZ: Herr Schulz, früher wurden bei Thyssen-Krupp Krisen sozialpartnerschaftlich mit den Arbeitnehmern gemeistert. Jetzt herrscht Konfrontation. Was ist los?

Schulz: Die Wirtschafts- und Stahlkrise hat sich von Monat zu Monat verschärft. Das ist bekannt. Und die Krise wird vermutlich länger dauern als bisher erwartet. Dementsprechend müssen wir reagieren. Wir müssen im Konzern jetzt Krisenmanagement betreiben und das Unternehmen strategisch neu ausrichten. Dass das nicht nur Freude hervorruft, ist in dieser Situation verständlich.

SZ: Soll es denn jetzt Kündigungen geben oder nicht?

Schulz: Ich bleibe dabei: Wir haben keine Kündigungen geplant. Seit Beginn der Krise im November weise ich immer wieder darauf hin, dass wir alles tun werden, um auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten. Damit unterstreichen wir unsere soziale Verantwortung. Wir haben Krise und Anpassungsprozesse immer im Dialog mit der Arbeitnehmerseite vollzogen und dabei viel schwierigere Phasen etwa von 1992 bis 1995 sozialverträglich gestaltet. Ich bin der festen Überzeugung, das werden wir auch diese Mal schaffen.

SZ: Trotzdem geben Sie keine Job-Garantie?

Schulz: Auch hier bleibe ich dabei, dass es unseriös ist, in der derzeitigen Krise einen Personalabbau grundsätzlich auszuschließen. Eine Garantie, auf Kündigungen und Standortschließungen zu verzichten, kann und werde ich nicht geben können. Dass dies unmöglich ist, das wissen auch die Betriebsräte, und das weiß auch die IG Metall.

SZ: Das sagen Sie. Die Arbeitnehmerseite sieht das offenbar als Wortbruch. Zu Recht?

Schulz: Ich bin offene Worte gewöhnt. Aber gegen den Vorwurf des Wortbruchs verwahre ich mich. Wir haben mündlich und schriftlich vereinbart, alles zu tun, um betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Dabei bleibt es.

SZ: Wie viele Arbeitsplätze stehen bei Thyssen-Krupp auf der Kippe?

Schulz: Das kann ich noch nicht sagen.

SZ: Auch keine Größenordnung.

Schulz: Das wäre reine Spekulation. Wir machen das ja nicht nach der Methode Rasenmäher. Sondern es wird eine Funktionsanlayse erstellt und dazu Bereich für Bereich und Ebene für Ebene untersucht. Erst wenn die Arbeit abgeschlossen ist, wissen wir, welche Stellen wir brauchen. Das ist sein sehr aufwendiger Prozess.

SZ: Wann soll die Analyse abgeschlossen sein?

Schulz: Drei Monate werden wir sicher brauchen. Ziel ist es, die neue Konzernstruktur im Oktober einzuführen. Dann muss bis zur Sommerpause die Basis erarbeitet sein.

SZ: Konfrontation statt Konsens. Ist das der neue Ekkehard Schulz?

Schulz: Ich habe meinen Führungsstil in den 40 Jahren, die ich im Geschäft bin, nie groß geändert. Ich werde auch in Zukunft meine Linie behalten. Dazu gehörte auch immer ein vertrauensvoller Umgang mit der Arbeitnehmerseite. Und dazu zählt die Mitbestimmung. Zu einem vertrauensvollen Miteinander gehören aber zwei Seiten. Wenn ich im Vertrauen über Pläne des Vorstands informiere und dies wird umgehend in die Öffentlichkeit getragen, dann ist das mehr als eine Missachtung meines Vertrauens.

SZ: Warum aber die Salamitaktik? Warum wird Ende März der Konzernumbau beschlossen und jetzt mit der Abschaffung der Zwischenholdings nachgelegt?

Schulz: Ich gebe zu, das ist unglücklich gelaufen. Dass es auf der Koordinierungsebene künftig keine selbständigen Aktiengesellschaften mehr gibt, ist der Entfall einer Führungsebene. Das will ich nicht bestreiten. Ich gebe auch zu, das klingt nach Vertrauensbruch. Ich hatte aber schon auf unserem Managementforum Mitte Februar auf die Notwendigkeit einer flacheren Hierarchie und die Abschaffung einer Führungsebene hingewiesen. Die Arbeitnehmerseite wollte das nicht mittragen. Deshalb wurde in der Aufsichtsratssitzung Ende März diese Variante nicht behandelt. Allerdings wurde der Beschluss gefasst, bis zur nächsten Sitzung am 13. Mai ein Gesamtkonzept zu erarbeiten. Inzwischen ist die Situation von Woche zu Woche dramatischer und die Notwendigkeit einer straffen Führung größer geworden.

SZ: Warum denn gerade jetzt?

Schulz: Die Strukturen stammen noch aus der Zeit der Fusion von vor zehn Jahren. Natürlich haben wir schon länger festgestellt, dass sie hier und da nicht optimal sind. Gerade die Krise zeigt: die Struktur ist nicht geeignet, den Konzern straff zu führen. Wir haben eine strategische Ebene. Das ist die Konzernholding. Und wir haben die Geschäftseinheiten, die weiterhin dezentral geführt werden. Dazwischen brauchen wir aber keine Segmentebene. Bisher müssen wir durch alle Gremien den zum Teil gleichen Leuten die gleichen Themen erläutern. Das können wir uns nicht mehr leisten.

SZ: Also weniger Mitbestimmung?

Schulz: Mitbestimmung gibt es im Konzern. Damit wird nichts genommen. Es ist doch nicht einzusehen, dass die gleichen zustimmungspflichtigen Geschäftsvorgänge auf drei Ebenen behandelt werden. Das sehe ich als Über-Mitbestimmung und ist einer straffen Führung des Konzerns nicht angemessen.

SZ: Und die Montanmitbestimmung?

Schulz: Bleibt erhalten. Die Stahltochter Thyssen-Krupp Steel bleibt erhalten - in der Montanmitbestimmung.

SZ: Wie sind die Chancen zur Einigung mit der Arbeitnehmerseite?

Schulz: Meine Erfahrung aus der Stahlkrise 1992 bis 1995 und der Fusionsphase 1997/98 ist: Wenn Entscheidungen gefallen sind und klar ist, wo der Zug hin laufen soll, finden sich immer Wege, zueinander zu finden und die Dinge auch gemeinsam umzusetzen. Im Vorfeld wird von Arbeitnehmern und Gewerkschaften versucht, so viel wie möglich von der eigenen Position durchzusetzen. Das ist auch legitim. Auch wenn das mit Protesten und Aktionen versucht wird. Wir haben hier sehr wenig Spielraum. Was die Abschaffung der Segement-Ebene angeht gibt es gar keinen Spielraum. Wo ich Möglichkeiten sehe, werden wir alles tun, die neue Struktur ohne Kündigungen hinzubekommen.

SZ: Aber die Zwischenholdings werden ab geschafft?

Schulz: Da gibt es kein Zurück.

SZ: Haben Sie zu spät reagiert?

Schulz: Das ist ein gutes Beispiel für die Notwendigkeit des Konzernumbaus. Mehr Transparenz und bessere Durchgriffsmöglichkeiten hätten dazu geführt, dass wir schneller reagieren können. Da setzen wir mit der Neuordnung an.

© SZ vom 28.04.2009/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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