Thilo Bode:Für zivilen Ungehorsam

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Der Ex-Greeenpeace-Chef Thilo Bode ist ein Gegner der Machtpolitik.

Norbert Sturm

(SZ 20.10.2001) Gäbe es seine Kritiker nicht, der frühere Greenpeace-Chef Tilo Bode hätte als Umweltschützer oder als Globalisierungskritiker weit weniger Einfluss, als ihm die Medien heute nachsagen.

Denn für die großen Schlagzeilen sorgten stets die Wortgefechte seiner Gegner, die sich lautstark mit Bodes Thesen auseinander setzen. Er selbst wirkt mehr aus dem Hintergrund heraus - ohne sich dort auszuruhen.

Denn Bode ist auch Aktivist vieler Protestbewegungen. Diese kämpferische Rolle passt allerdings wenig zu seinem Auftreten. Der 54-jährige Bayer aus Eching am Ammersee bevorzugt als Freund klassischer Musik den dezenten Ton und fühlt sich in intellektuellen Zirkeln, in denen differenziert argumentiert werden muss, sichtbar wohler als auf poltrigen Straßen-Veranstaltungen. Nicht selten gerät er deshalb in den Verdacht, ein Softie zu sein, der die direkte Auseinandersetzung scheut. Doch gegen diese Charakterisierung spricht vieles. Auch seine Karriere.

Macht als Herausforderung

Der gelernte Diplomvolkswirt, der mit einer Arbeit über Direktinvestitionen in Malaysia zum Dr. rer. oec. promovierte, stand viele Jahre an der Weltspitze der Umweltschutzorganisation Greenpeace.

In dieser Zeit machte er die Gruppe schlanker und schlagkräftiger, oft auch gegen Widerstand aus den eigenen Reihen. Schon das erforderte einiges Stehvermögen.

Seine Durchsetzungskraft wird auch in öffentlichen Streitgesprächen deutlich, wenn etwa der frühere deutsche BDI-Präsident Olaf Henkel ihn, wie Bode sagt, als Rattenfänger bezeichnet und ihm vorwirft, die Terror-Anschläge in den USA mit Armut und Hunger in der Welt zu begründen und den Terroristen damit eine moralische Rechtfertigung zu liefern.

Sprecher anderer Protestbewegungen würden bei solchen Anschuldigungen womöglich an die Decke gehen, lauthals schimpfen und es dem Gegner mit gleicher Münze heimzuzahlen versuchen. Bode taktiert anders. Er kontert cool mit differenzierten Antworten, wohl wissend, dass bei solchen Streitgesprächen nur Sachlichkeit weiter hilft. Dies erfordert Disziplin, also Härte gegen sich selbst, weiß Bode. Gewalt - und sei es auch nur mit Worten - setzt den Urheber schnell ins Unrecht.

Das aber will Bode vermeiden. Denn nach den Anschlägen in den USA kommt es bei den Protestbewegungen mehr denn je auf Glaubwürdigkeit an. Bode wendet sich gegen Randaliererei, will aber demokratisch legitimierten zivilen Ungehorsam weiter unterstützen. Dieses Recht vor Missbrauch zu schützen, komme einer Gratwanderung gleich, sagt der frühere Greenpeace-Chef. Missverständnisse lauern überall.

So seien die meisten Globalisierungsgegner nicht gegen freien Welthandel als Wohlstandsmotor. Was zum Widerstand reize, sei die unter dem Deckmantel der Globalisierung betriebene Machtpolitik. Die Globalisierungsdebatte sei verlogen, behauptet Bode. Die propagierte Öffnung der Märkte werde recht einseitig ausgelegt.

Entwicklungsländer würden gezwungen, die eigenen Grenzen zu öffnen. Die Europäische Union schotte dagegen ihre Agrarmärkte ab. "Man darf den Freihandel nicht nur predigen, sondern muss ihn auch leben", sagt er. Außerdem dürfe Freihandel kein Freibrief für Umweltsünder sein. Die Welthandelsorganisation WTO müsste sich viel stärker um ökologische Belangte kümmern, statt sie auszuklammern.

Genau so wichtig wie Umweltanliegen sind Bode ungelöste Legitimationsprobleme. Internationale Organisationen wie WTO oder Internationaler Währungsfonds (IWF) arbeiteten quasi unkontrolliert, kritisiert er. Dies gehöre geändert. Macht und Kontrolle sind für Bode zwei Seiten einer Medaille. Sie bedingen einander. Das war für ihn schon zu Greenpeace-Zeiten so, und das Streben nach einer besseren Machtbalance werde ihn, sagt er, auch künftig leiten.

Seitdem Bode im Februar den Chefsessel bei Greenpeace geräumt hat, arbeitet er an einer neuen Karriere. Er hat Angebote auch aus der Industrie bekommen. Aber die lehnt er ab. Er will sich weiter gesellschaftspolitisch engagieren. Das heißt:"dem Gemeinwohl mit Hilfe einer privat finanzierten Organisation dienen".

Er braucht die Praxis, weil ihm sonst die Ideen ausgehen. Näheres will Bode in einigen Wochen verkünden. Die Vorbereitungszeit dauert ihm schon viel zu lange. Doch die Auszeit hat ihm gut getan. Nur hat er Speck angesetzt. Und der soll jetzt runter.

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