Themenpark:Mozzarella und Trüffel

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Im Themenpark werden viele Spezialitäten hergestellt. (Foto: Vincenzo Pinto/AFP)

Die Feinkost-Kette Eataly eröffnet in Bologna einen kulinarischen Themenpark. Dort können Besucher den Weg der Lebensmittel nachverfolgen.

Von Ulrike Sauer, Bologna

Der Begriff Fico ist italienisch und bedeutet Feige, aber auch geil oder auf neudeutsch cool. Das Kürzel Fico steht für Fabbrica Italiana Contadina. Als ob das Industriesymbol Italiens nicht mehr die Turiner Autowerke Fiat wäre - Fabbrica Italiana Automobili Torino -, sondern eine Agrarfabrik in Bologna. Fico ist aber mehr als eine landwirtschaftliche Produktionsstätte. "Ich habe mich an Disneyland inspiriert", sagt Oscar Farinetti. Vor zehn Jahren eröffnete er in Turin sein erstes kulinarischen Kaufhaus und mischte mit der Kette Eataly den Lebensmittelhandel auf. In Bologna eröffnet er am Mittwoch einen Erlebnispark für Gourmets, der das Schaufenster der italienischen Esskultur sein soll.

Das Ereignis passt in die Aufbruchsstimmung, die nach zähen Krisenjahren Italiens Wirtschaft ermuntert. Auch Regierungschef Paolo Gentiloni wird erwartet. Farinetti verspricht, sechs Millionen Besucher im Jahr nach Bologna zu locken. Touristen bringen Geld und damit Arbeitsplätze, sagt der Unternehmer. In wenigen Jahren hat er mit seinem Feinkost-Imperium Eataly 6000 Stellen geschaffen. In Bologna dirigierte er einen kollektiven Kraftakt von Stadtverwaltung, Finanzinvestoren, 150 Unternehmen, die im Park mitmachen, dem italienischen Fremdenverkehrsamt und seiner Stiftung Fico, die mit vier Universitäten den Themenpark wissenschaftlich begleitet. 140 Millionen Euro kostete der Umbau des ehemaligen Großmarkts der Stadt Bologna, die sie in Italien la grassa nennen, die Fette. Von der Idee bis zur Eröffnung der 100 000 Quadratmeter vergingen vier Jahre. Die Italiener haben so Lyon geschlagen, wo die Franzosen 2019 ihre Cité Internationale de la Gastronomie eröffnen wollen.

Mit der Kaufhaus-Kette Eataly landete Farinetti, vor 63 Jahren in der Trüffel-Hochburg Alba als Sohn eines Partisanenkämpfers geboren, einen Marketingcoup. In 38 Filialen, von Rom über Moskau und München bis nach Boston und Tokio, treibt er die Expansion handwerklich erzeugter Leckerbissen aus Italien an. Das Umsatzziel für 2017: 500 Millionen Euro, was einem Zuwachs von 30 Prozent entspräche. Fico fügt Farinettis Erfolgsformel "Kaufen-Essen-Lernen" eine vierte Ebene hinzu: das Erlebnis des Ursprungs und der Transformation von Nahrung. Vom Feld bis auf den Teller. Draußen gibt es 2000 Pflanzenarten und 200 Tiere. Drinnen zeigen 40 Miniaturfabriken den vollständigen Herstellungsprozess - von der Tortellini-Manufaktur, der Brauerei bis zur Käsewerkstatt. In 45 Lokalen kann man Italiens Spezialitäten kosten, im Sternerestaurant oder in der Eisdiele. Es gibt sechs Märkte und sechs multimediale Themenräume, 50 Workshops und Sportanlagen.

Der Eintritt ist frei. Bezahlt wird für Verzehr, Einkauf und die angebotenen Aktivitäten. Man kalkuliert, dass jeder Besucher zwischen 20 und 22 Euro ausgibt. Für die Tour stehen 500 Fahrräder mit Shoppingkörben und Kühltaschen zur Verfügung.

Am Eingang tritt der Besucher erst einmal vor eine Wand aus Äpfeln aus dem Trentiner Nonstal. 1200 Apfelsorten gibt es in Europa, 1000 davon sind italienisch. "Aus diesem Grund haben wir Fico gemacht", sagt Farinetti. Dank seiner Lage mitten im Mittelmeer sei Italien das Land mit der größten Vielfalt an essbaren Pflanzen und Agrarprodukten der Welt. "Unser Glück ist die einmalige Kreuzung der Winde hier", sagt der Genuss-Botschafter und leiert Zahlen runter: Es gibt in Italien 1200 bodenständige Rebsorten, in Frankreich gut 200. Die USA, weltweit größter Produzent von Hartweizen, bauen sechs Sorten an, die Italiener 140. Die Vielfalt hat sich auf die Gastronomie übertragen. Italiens Küche ist mit ihrer Zahl traditioneller Spezialitäten Spitze.

Der Besucher versteht, warum Olivenöl nicht drei Euro pro Flasche kosten kann

Die Oliven zum Beispiel. Es gibt auf der Apenninen-Halbinsel insgesamt 533 Ölbaumsorten, in Spanien nur 70. Paolo Boeri, der in Ligurien unter dem Markennamen Roi exklusive Cru-Öle herstellt, hat in der Fico-Halle eine Ölmühle aufgebaut, die zwischen Oktober und Januar täglich Oliven presst. Der junge Hipster lädt zur Verkostung und zu Kursen ins Roi Ulivo Bistrot ein. Seine Familie baut seit vier Generationen in der Valle Argentina oberhalb von Sanremo die bei Feinschmeckern besonders begehrte Taggiasca-Olive an. In Bologna geht es dem 25-jährigen Boeri, der Marketing und Design studiert hat, in erster Linie um Aufklärung. "Wer hier sieht, wie Olivenöl entsteht, kapiert selbst, dass eine Flasche echtes natives Olivenöl im Supermarkt unmöglich für drei Euro verscherbelt werden kann", sagt Boeri. Er erzählt von seinem Vater, der als Hippie in den Achtzigerjahren in einem alten Fiat Ducato nach Frankfurt fuhr und als einer der ersten handwerklich erzeugtes Olivenöl auf den deutschen Markt brachte. Da das ungefilterte Naturprodukt trüb ist, kam er damit anfangs nicht gut an. "Man hielt es für verunreinigt", sagt der Sohn.

Nebenan erlebt der Besucher live, wie eine Mozzarella entsteht. Oder die Mortadella, nach der sie in Bologna verrückt sind. Wie Spaghetti-Fäden trocknen und wie Trüffelhunde Jagd auf die Luxuspilze machen. Fico ist eine Bühne. Die Metzgerei heißt Teatro della Carne, Fleischtheater.

Macht Eataly aus Slow Food in Bologna Show Food? Der Vergleich mit der fantastischen Disney-Welt ist gewollt und gewagt. Denn bei Fico soll alles echt sein und nichts vorgetäuscht werden. "Wir wollen das Essen von seinem Ursprung her erzählen und nicht wie üblich nur das Ende mit dem Kult der Fernsehköche", sagt Farinetti. Seinen größten Erfolg hat er bisher in der Heimat des Fast Food erzielt: Das New Yorker Eataly im Flatiron an der 5th Avenue wurde zu einem Besuchermagnet der Touristenmetropole. Das italienische Delikatessen-Kaufhaus rangiert hinter der Freiheitsstatue und dem Empire State Building an dritter Stelle. Es nimmt im Jahr 80 Millionen Euro ein. Aus den USA kommen 38 Prozent des Umsatzes der Kette, fast so viel wie aus Italien. Am 3. November eröffnete Farinetti in Los Angeles seine vierte US-Filiale.

Vier Tage zuvor fiel in Turin der Startschuss für den Börsengang von Eataly. Anfang 2019 soll es spätestens so weit sein. Die Banken stehen Schlange, um die Kaufhaus-Kette an die Börse zu begleiten. Ihre Bewertungen von Eataly reichen von 1,8 bis 3,6 Milliarden Euro. Der Berechnung liegt ein Preis-/Gewinnverhältnis zugrunde, von dem selbst Luxusmarken nur träumen können.

© SZ vom 13.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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