Terror in Istanbul:Die Angst kehrt zurück

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Die schweren Attentate in Istanbul haben die Finanzmärkte geschockt, doch Panik-Reaktionen blieben aus. Selbst bei Reise- und Versicherungsaktien hielten sich die Kursrückgänge in Grenzen. Zur Erleichterung der deutschen Wirtschaft reagierten der Dollar und die Öl-Preise kaum.

Von Gerd Zitzelsberger

(SZ vom 21.11.03) - Dass die Bombenanschläge in der türkischen Wirtschaftsmetropole Istanbul - das zweite schwere Attentat seit dem Irak-Krieg in der Türkei - dem Vertrauen der Verbraucher und der Investoren einen Stoß versetzen, glauben viele der deutschen und internationalen Analysten.

Die erneuten Explosionen in Istanbul verunsicherten die Anleger. (Foto: Foto: AP)

Doch sie warnen auch vor überzogenen Ängsten nach der Terror-Attacke: "Ich glaube nicht, dass das Attentat die Wirtschaft in die Rezession schickt und die Dinge entgleisen", sagte der Londoner Chefvolkswirt der niederländischen ABN Amro-Bank, Debbie Orgill. Ähnlich äußerte sich in Deutschland Hans Jäckel von der DZ Bank: "Der Stimmungsaufschwung, den wir haben, ist im Moment langsam, aber recht verlässlich."

Diese Einschätzung spiegeln auch die Kursentwicklungen an den Finanzmärkten wider: Kräftige Rückschläge mussten Reise- und Versicherungswerte hinnehmen. So lag die Aktie des Tourismuskonzerns TUI an der deutschen Börse zeitweise mit fünf Prozent im Minus, Lufthansa notierte am Nachmittag gut vier Prozent und die Münchener Rück um knapp zwei Prozent niedriger.

HSBC mit moderatem Minus

Erstaunlich widerstandsfähig zeigte sich die Aktie der globalen Großbank HSBC, vor deren Istanbuler Dependance einer der beiden Sprengsätze explodiert war. Ihr Kurs rutschte bis zum Nachmittag in London um lediglich 1,4 Prozent ab.Im Durchschnitt büßten die 30 wichtigsten deutschen Aktien nach den Attentaten 1,2 Prozent ein.

Auch nach der Nachricht über die vorübergehende Evakuierung des Weißen Hauses in Washington rutschte der Dow Jones-Index in New York im frühen Handel nur um 0,16 Prozent ab.

Manche Anleger wechselten allerdings vom Aktien- auf den Anleihenmarkt, wo ihnen die Risiken geringer erscheinen. So zog der Terminkontrakt auf deutsche Bundesanleihen um 0,25 Prozentpunkte auf 112,91 Prozent an. Auch der Schweizer Franken galt als "sicherer Hafen" und verbuchte am Devisenmarkt Gewinne. Bei Gold tendierten die Notierungen ebenfalls nach oben. Sie blieben jedoch deutlich unter 400 Dollar pro Feinunze.

Ölpreis zieht nur mäßig an

Obwohl die Attentate nach Meinung der Finanzanalysten zeigen, dass die arabische Terror-Organisation Al-Kaida sich reorganisiert hat, blieben die Auswirkungen auf den Ölpreis gering. Die Nordsee-Leitsorte Brent wurde am Nachmittag mit 30,16 Dollar pro Barrel gehandelt. Dies bedeutet einen Aufschlag von lediglich 0,38 Dollar gegenüber Mittwoch.

Mit Erleichterung registrierte die deutsche Wirtschaft, die auf ein weiter florierendes Exportgeschäft angewiesen ist, vor allem eine stabile Situation an den Devisenmärkten. Die Terror-Anschläge trieben den Dollar nicht noch weiter in die Tiefe, und der Euro strebte keinem neuen Höchststand zu. Am Nachmittag wurden für die US-Währung 1,1929 Euro bezahlt. Die Rekordmarke vom Mittwoch liegt bei 1,1978 Euro je Dollar.

Bemerkenswert ist dies auch, weil sich der Handelsstreit zwischen den USA und China am Donnerstag verschärft hat. Zum Schutz der eigenen Textilindustrie will Washington den Import einiger Produkte in den nächsten zwölf Monaten beschränken.

Nicht bei Vergeltungszöllen belassen

Die Finanzmärkte befürchten, dass es China nicht bei Vergeltungszöllen oder der vorläufigen Stornierung von bestimmten Einkäufen in den USA belassen werde. Vielmehr, so die Spekulation, werde Peking einen kleineren Teil seines Handelsüberschusses mit den USA in amerikanischen Staatsanleihen anlegen. Dies, so hatte es am Vortag noch geheißen, könnte den Dollar und die längerfristigen US-Zinsen unter Druck bringen.

In Istanbul selbst brachen die Kurse nach den ersten Meldungen über die Attentate, die noch nicht das volle Ausmaß hatten erkennen lassen, im Schnitt um mehr als sieben Prozent ein. Wenig später wurde die Börse geschlossen und die Banken schickten vielfach ihre Mitarbeiter nach Hause.

Auch türkische Dollar-Anleihen gaben etwas nach, und die Prämien für eine Versicherung gegen türkische Zahlungsausfälle erhöhten sich von 400 auf etwa 470 Basispunkte.

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