Terror am Telefon:Unerlaubt und unhöflich

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Werbeanrufe von Unternehmen können ziemlich lästig sein. Viele Verbrauchen mögen sie nicht. (Foto: Fredrik von Erichsen/dpa)

Verbraucher beschweren sich weiter über unerwünschte Werbeanrufe. Jetzt will Justizministerin Barley eingreifen. Kunden sollen dem Vertrag schriftlich zustimmen.

Von Felicitas Wilke, München

Wenn schon eine Behörde in drastischen Worten von "Telefonterror" spricht, dann muss es die Verbraucher wirklich hart getroffen haben. Im Dezember verhängte die Bundesnetzagentur gegen einen bayerischen Stromvertreiber das höchstmögliche Bußgeld von 300 000 Euro für unerlaubte Telefonwerbung. Der Anbieter hatte "äußerst hartnäckig, aggressiv, beleidigend und teilweise bedrohend" dafür geworben, den Energieversorger zu wechseln, wie die Behörde damals schrieb. Da die Adressaten in solche Werbeanrufe vorher nicht eingewilligt hatten, waren diese obendrein rechtswidrig.

Allein im Dezember verhängte die Bundesnetzagentur zweimal das höchstmögliche Bußgeld. Auch die Verbraucherbeschwerden lassen Rückschlüsse darauf zu, wie viele Menschen von solchen Anrufen belästigt werden. 2018 sind 62 274 schriftliche Beschwerden bei der Bundesnetzagentur eingegangen, damit hat sich die Zahl, verglichen mit 2016, mehr als verdoppelt. "Das Problem mit den unerlaubten Werbeanrufen ist, dass sie sich immer noch lohnen", sagt Tatjana Halm, Juristin bei der Verbraucherzentrale Bayern.

Nicht nur äußerst leichtgläubige Menschen lassen sich zu einem Vertragsabschluss hinreißen

Zwar trat schon vor Jahren ein Gesetz in Kraft, wonach Werbeanrufe nur dann zulässig sind, wenn die Verbraucher dem vorher ausdrücklich zugestimmt haben - etwa wenn sie dies bei einem Vertragsabschluss getan oder bei einem Gewinnspiel ein Häkchen an der Stelle gemacht haben, wo es um Anrufe zu Werbezwecken geht. Dennoch gilt nach wie vor die Regel: Wird man ohne vorherige Zustimmung angerufen und kommt dabei ein Vertrag zustande, gilt dieser auch ohne schriftliche Bestätigung.

Es sind nicht nur besonders leichtgläubige Menschen, die sich zu einem Vertragsabschluss hinreißen lassen. Bei Energieprodukten etwa fuhren viele Anbieter "eine Art Doppelstrategie", heißt es in einer Untersuchung der Verbraucherzentralen: Im ersten Schritt versuchten die Anrufer, potenzielle Kunden davon zu überzeugen, freiwillig einen Vertrag abzuschließen. Klappt das nicht, erfragen sie - zum Beispiel unter dem Verweis, nur so ein unverbindliches Angebot machen zu können - geschickt Daten. Mithilfe dieser Daten können sie einen Anbieterwechsel in die Wege leiten, auch dann, wenn der Kunde dies nicht bestätigt hat. Hier zeigt sich ein weiteres Problem: Um den Wettbewerb zwischen den Energieversorgern zu erhöhen und den Menschen einen Anbieterwechsel zu erleichtern, hat die Politik es ermöglicht, dass neuer und alter Anbieter den Wechsel unter sich ausmachen. Die Regelung macht Verbrauchern vieles einfacher, bietet aber auch Möglichkeiten für dubiose Firmen. Wer seine Zählernummer mitteilt, kann Strom von einem Anbieter geliefert bekommen, mit dem er nie wissentlich einen Vertrag abgeschlossen hat.

In einem Fall berichtete eine Verbraucherin davon, explizit keinem Vertragsschluss zugestimmt zu haben. Obwohl sie nur ein schriftliches Angebot zugeschickt haben wollte, erhielt sie stattdessen kurz darauf ein Willkommensschreiben des neuen Stromanbieters. Wohl auch aufgrund dieser zerfahrenen Rechtslage betreffen die meisten Beschwerden zu unerlaubter Telefonwerbung die Energiebranche. Beworben werden aber auch Telefonverträge, Versicherungen und Finanzprodukte, heißt es bei der Netzagentur.

Die untergejubelten Strom- und Gasverträge - und damit auch die unerlaubten Werbeanrufe - könnten zumindest bald der Vergangenheit angehören. Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) hatte angekündigt, bis Sommer einen Gesetzentwurf ausarbeiten zu wollen, der für telefonisch abgeschlossene Strom- und Gasverträge eine sogenannte Bestätigungslösung vorsieht. Es soll dann vorgeschrieben sein, dass Verbraucher den Vertrag schriftlich genehmigen müssen, bevor er gültig wird. Auf Anfrage teilt das Ministerium dazu mit, dass der Energiesektor besonders von untergeschobenen Verträgen betroffen sei. Mit dem neuen Gesetz wolle man aber "solche unseriösen Geschäfte branchenübergreifend in den Blick" nehmen. Das Gesetz könnte also doch mehr als nur eine Branche umfassen. Genau dafür plädiert auch der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV). "Unerlaubte Telefonwerbung ist kein isoliertes Problem einzelner Branchen", sagt Ottmar Lell, Rechts- und Handelsexperte beim VZBV.

Geht ein Gesetz "zu Lasten der ehrlichen Kaufleute, die seriöse Telefongespräche führen"?

Bei telefonisch abgeschlossenen Gewinnspielverträgen gelten bereits seit Herbst 2013 strengere Regelungen. Ein Vertrag ist seitdem nur verbindlich, wenn er den Kunden als Brief, Fax oder Mail in Textform vorliegt und sie ihm zugestimmt haben. Das verschärfte Gesetz greift offenbar: Bei der Bundesnetzagentur jedenfalls beschweren sich heute deutlich weniger Menschen wegen Werbeanrufen zu Gewinnspielen als zuvor.

Kritik am geplanten Gesetz kommt aus der Opposition. Zwar beklagt auch der FDP-Rechtsexperte Roman Müller-Böhm, dass noch immer zu viele Menschen Opfer von Telefonmissbrauch werden. Er findet aber, dass missbräuchliche und illegale Anrufe "effektiver und zielführender" verfolgt werden müssten. Eine pauschale Bestätigungslösung gehe "zulasten der ehrlichen Kaufleute, die seriöse Telefongespräche führen". Ähnlich argumentiert der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft. Bei den Stadtwerken, die im Verband kommunaler Unternehmen organisiert sind, hält man die Bestätigungslösung dagegen für eine gute Idee, die "für faireren Wettbewerb sorgen" könne.

Schon heute haben Verbraucher die Möglichkeit, sich gegen untergejubelte Verträge am Telefon zu wehren. Wer auf diese Weise einen Vertrag abgeschlossen hat, kann ihn innerhalb von 14 Tagen widerrufen. Doch weil sich auch hier in der Vergangenheit einige Anbieter quergestellt haben, sollten die Betroffenen im besten Fall einfach auflegen, um Scherereien zu vermeiden. "Das fühlt sich vielleicht unhöflich an", sagt Verbraucherschützerin Halm, "aber unerlaubte Werbeanrufe sind noch viel unhöflicher."

© SZ vom 25.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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