Templeton Fonds:Kaufen, wenn alle mutlos sind

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Chancen in der Krise: Cindy Sweeting, Managerin des Templeton Growth Fonds, können die Einbrüche an den Börsen nicht beeindrucken - sie investiert weiter gegen den Trend.

Simone Boehringer

Sie sagt, was einige denken, aber kaum jemand bislang konsequent umsetzt: Cindy Sweeting, Fondsmanagerin des lange Jahre am erfolgreichsten vertriebenen Aktienfonds in Deutschland, ruft zum Wiedereinstieg in den Aktienmarkt auf: "Für Investoren ist jetzt die beste Zeit, unterbewertete Aktien zu kaufen. So eine Gelegenheit gibt es in 25 Jahren höchstens ein Mal", sagt die Managerin des Templeton Growth Fonds im Interview mit der Süddeutschen Zeitung.

Blick in die Zukunft: Für Cindy Sweeting sind aktuell sinkende Börsenkurse ein Grund, erst recht einzusteigen. (Foto: Foto: Getty Images)

Ihr Arbeitgeber, Franklin Templeton Investments aus Amerika, ist eine der größten und renommiertesten Fondsgesellschaften der Welt. Der von Sweeting gemanagte Growth Fonds ist seit seiner Auflegung im Jahr 1954 das Flaggschiff der Gesellschaft.

Nur drei Fondsmanager hat es seitdem vor Sweeting gegeben, darunter Sir John Templeton, den Firmengründer. Er hat die Investmententscheidungen des Fonds mehr als 30 Jahre lang selbst gefällt, bevor er 1987 andere ans Ruder ließ.

Sweeting führt die Geschäfte seit Anfang vergangenen Jahres. Sie hat keine leichte Zeit erwischt. Denn seit einigen Jahren läuft der einst 40 Milliarden schwere Templeton Growth der internationalen Marktentwicklung hinterher. So gab der Fonds in Euro gerechnet allein im ersten Quartal des Jahres 41 Prozent nach, der Vergleichsindex büßte dagegen 37 Prozent ein. Auch auf Fünfjahressicht schneidet der Templeton Growth Fund schlechter ab als der Aktienindex MSCI Welt.

Nur wenig Geld abgezogen

Knapp 14 Milliarden Dollar Fondsvolumen sind derzeit aufgrund der Kursrückgänge noch übrig. Gut ein Drittel davon stellen Anleger aus dem deutschsprachigen Raum zur Verfügung. Nur ein kleiner Teil der enormen Schrumpfung, etwa 16 Prozent gehen nach Auskunft der Gesellschaft darauf zurück, dass Kunden Mittel aus dem Fonds abgezogen haben.

Die jüngste Erholung nach fast 14 Monaten Bärenmarkt brachte dem Dax bislang immerhin ein Plus von gut zwanzig Prozent. In den Vereinigten Staaten ist das Bild ähnlich. Der für den Gesamtmarkt repräsentative S&P 500 erholte sich binnen sechs Wochen um 25 Prozent. Experten streiten sich nun, ob das ein sogenannter Bärenmarkt ist, also ein Zwischenhoch, bevor es nochmal weiter abwärts geht, oder ob dies eben bereits der Beginn einer neuen Aktienhausse ist.

Sweeting will sich zum Timing nicht festlegen. Für ihre Wiedereinstiegsstrategie spielt das aber keine große Rolle. "Es kann sein, dass der Markt den exakten Tiefpunkt noch nicht gesehen hat, dass es nach dem jüngsten kleinen Aufschwung also noch einmal weiter hinunter geht im Zuge der jüngsten schlechten Konjunkturdaten." Aber den meisten Menschen, inklusive ihrem Team, gelinge es ohnehin nicht, den Wendepunkt exakt zu erwischen.

25 Jahre Erfahrung

"Teilen Sie das Vermögen, das sie ohnehin irgendwann für Aktien vorgesehen habe, am besten in zwölf gleiche Beträge und investieren Sie diese verteilt auf die nächsten zwölf bis 24 Monate", rät Sweeting mit Blick auf Privatanleger.

Sie und ihr 45-köpfiges Analyseteam gingen ähnlich vor. "Wir haben in der Spitze zehn Prozent unserer Mittel in bar gehalten und bauen in den nächsten Monaten auf eine Cash-Quote von ein bis zwei Prozent ab". Der Rest werde investiert, "vornehmlich in Kontinentaleuropa und Großbritannien, weil die Firmen dort im Moment wesentlich günstiger bewertet sind als etwa in den USA oder in Asien".

Für Sweetings Ansichten spricht, dass sie auf eine 25-jährige Erfahrung als Investment-Managerin zurückblickt, davon die letzten zwölf Jahre bei Franklin Templeton Investments. Gegen sie spricht der Markt. Das Schicksal, einmal über längere Zeit schlechter abzuschneiden als das Gros der Marktteilnehmer, teilt Sweeting allerdings derzeit mit anderen renommierten Adressen wie etwa Berkshire Hathaway, der Investmentholding von Warren Buffett.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welcher Strategie sich Cindy Sweeting verschreibt und was sie mit Warren Buffet verbindet.

Mit Buffett verband Sweetings ehemaligen Chef Sir John Templeton so manche Ansicht. Zum Beispiel, dass man stets dann in Märkte einsteigen sollte, "wenn alle anderen mutlos verkaufen, und verkaufen sollte, wenn alle anderen gierig kaufen", wie Templeton es formulierte.

Handelt antizyklisch: Fondsmanagerin Cindy Sweeting. (Foto: Foto: Franklin Templeton Investments)

Beide Häuser gehören zur Riege der sogenannten Value Investoren, deren Prinzip es ist, immer solche Titel auszusuchen, die nach fundamentalen Kriterien unterbewertet sind. Eine wichtige Rolle spielt bei dem Konzept der sogenannte Substanzwert eines Unternehmens, gemessen zum Beispiel an dessen Buchwert. Liegt etwa der Wert des bilanzierten Anlagevermögens einer Gesellschaft über dem aktuellen Börsenwert, und hat das Geschäftsmodell der betreffenden Firma Zukunft, schlagen Value Investoren gerne zu.

Auch Sweeting hat sich dieser Strategie verschrieben. Gleichwohl ist sie für die reale wirtschaftliche Zukunft nur sehr gedämpft optimistisch. "Es gibt keinen Weg der schnellen Reparaturen aus dieser Krise, wir werden für eine längere Zeit wahrscheinlich niedrigere reale Wachstumsraten haben als wir es in den vergangenen 30 Jahren gewohnt waren. Die Zeit war geprägt von sinkenden Zinsen und einer wachsenden Risikobereitschaft vor allem vieler Finanzinstitute, die sich bis zum 30-fachen ihres Eigenkapitals verschuldeten, um Geschäfte zu machen", so Sweeting.

Pessimismus als Chance

Damit sei es jetzt erst einmal vorbei. Und dennoch: "Es kostet zwar Überwindung, aber die Schlagzeilen sind derzeit so schlecht und das Gros der Menschen so pessimistisch, dass es sich lohnt, gegen den Trend einzusteigen", ist sie überzeugt.

Nach Sweetings Ansicht gibt der Blick auf gesamtwirtschaftliche Wachstumsraten ohnehin ein schiefes Bild. "Es geht in erster Linie darum, die Firmen zu finden, die in Zukunft in ihren Märkten profitabel arbeiten und so auch in schlechten Zeiten Marktanteile hinzugewinnen können", meint die Fondsmanagerin. Zu ihren Lieblingsbranchen gehören derzeit die Bereiche Technologie und Gesundheit, insbesondere die Pharmaindustrie. "Der Fonds hat zur Zeit 40 Prozent der Mittel dort investiert", so Sweeting.

Zu den zehn größten Positionen von Templeton Growth zählten zuletzt etwa die amerikanischen IT-Konzerne Oracle und Microsoft sowie die Telekommunikationsgrößen Vodafone und France Télécom. "Aber auch in Siemens haben wir investiert und in den Autobauer BMW", verrät Sweeting im Hinblick auf das Engagement des Fonds in Deutschland. Anteile an heimischen Firmen machen immerhin sechs Prozent des 14-Milliarden-Dollar-Engagements des Templeton Growth Funds aus.

Politik des billigen Geldes

Der Politik des billigen Geldes, wie es die Notenbanken derzeit betreiben, um den schlimmsten Abschwung seit der Großen Depression in den 1930er Jahren abzumildern, sieht Sweeting relativ gelassen entgegen. Sie sieht derzeit keine Gefahr für eine Rückkehr hoher Inflationsraten, wie sie zuletzt Ende der 1970er Jahre die Ersparnisse und Vermögen der Menschen dezimiert haben.

Auch die Vermögensmärkte wird das viele zusätzliche Geld aus der Notenpresse zunächst nicht erneut aufblasen: "Zu einer Blase gehört auch immer eine fast schon animalische Gier, wie wir sie etwa am spanischen oder amerikanischen Immobilienmarkt gesehen haben", so Sweeting. Aber die gebe es derzeit fast nirgends, "nicht einmal der Ölpreis steigt, obwohl der Stoff irgendwann knapp wird".

Wenn Sweeting richtig liegt mit ihren Prognosen, kann sie weltberühmt werden. Schon, weil kaum jemand ein solch kompromissloses Entgegen-den-Trend investieren wagt. Mit John Templeton, Michael Price und Mark Mobius stammen immerhin drei der zehn erfolgreichsten Fondsmanager des 20. Jahrhunderts aus dem Hause Templeton, wie die Investmentfirma gerne wirbt. Und wenn Cindy Sweeting falsch liegt? "Sprechen wir uns in drei Jahren wieder, wenn ich dann immer noch schief liege, und sich die Aktienmärkte in dieser Zeit nicht wie erwartet stark erholen, dann können Sie mich nach einem neuen Job fragen."

© SZ vom 28.04.2009/kaf/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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