Tempelhof:Eine Legende am Ende

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Der Berliner Stadt-Flughafen darf geschlossen werden - seine Geschichte ist wechselvoll.

Von Sibylle Haas

Wir versorgen die Stadt aus der Luft, wir richten eine Luftbrücke für die Rettung der Stadt und ihrer Menschen ein und unser Brückenpfeiler in der eingeschlossenen Stadt ist Tempelhof".

Vorfeld des Flughafens Berlin-Tempelhof. (Foto: Foto: ddp)

Für die Berliner im "Westsektor" war dieser Satz des amerikanischen Generals Lucius D. Clay mehr als das Versprechen, sie nicht verhungern zu lassen. Die so genannte Luftbrücke nach dem Zweiten Weltkrieg 1948/49 wurde von vielen Bürgern Berlins als Befreiung empfunden - die gegen alle Widerstände erfolgen sollte.

Der Name Tempelhof ging deshalb auch gleichbedeutend für das freie Berlin um die Welt. Der Flughafen war wichtigster Start- und Landeplatz für die so genannten Rosinenbomber, aus denen hin und wieder kleine Fallschirmchen mit feinster Schokolade auf die Stadt niedergingen. Über Tempelhof schafften die Alliierten die Versorgung West-Berlins aus der Luft, da der Landweg von den Russen versperrt war.

Befreiung von der Betriebspflicht

Jetzt soll "Tempelhof" geschlossen werden. So zumindest will es die Berliner Flughafen Gesellschaft (BFG) und so ist es ihr nun von der Luftverkehrsbehörde des Landes Berlin beschieden worden. Diese hat den Antrag der BFG auf "Befreiung aus der Betriebspflicht mit Ablauf des Sommerflugplans am 30. Oktober 2004" genehmigt, geht aus der Mitteilung der BFG hervor.

"Die Entscheidung entlastet die Berliner Flughäfen von einer ihrer größten Verlustquellen", sagt Dieter Johannsen-Roth, Sprecher der Geschäftsführung der Berliner Flughäfen. Die BFG betreibt die Flughäfen Tegel, Schönefeld und Tempelhof.

Der Flughafen Tempelhof habe im vorigen Jahr einen Verlust von 15,4 Millionen Euro verbucht, erklärt eine Flughafen-Sprecherin. Zugleich sei die Zahl der Fluggäste um 26,4 Prozent auf rund 450.000 drastisch zurückgegangen. "Der Markt hat sich gegen Tempelhof entschieden. In der Geschäftsfliegerei ist man kostenbewusster geworden", sagt sie.

Der Berliner SPD/PDS-Senat begrüßt die Entscheidung. Der Beschluss entspreche dem verkehrspolitischen Ziel, die beiden innerstädtischen Flughäfen Tempelhof und Tegel zu schließen und Schönefeld als Großflughafen auszubauen.

Auch die Bürgerinitiative (BI) gegen das Luftkreuz auf Stadtflughäfen befürwortet die Schließung des sechs Kilometer vom Stadtzentrum gelegenen Flughafens. Sein Aus bedeute auch das Ende des Fluglärms für die Anwohner.

Bernhard Liscutin sieht das anders. Er ist Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Fluggesellschaften in Tempelhof. Die Verluste des Flughafens kommen nach seinen Worten aus der Immobilie, die nicht voll vermietet sei. Die Arbeitsgemeinschaft werde daher gegen die Schließung klagen, sagt Liscutin.

Neun Fluggesellschaften fliegen nach Angaben der Flughafen-Sprecherin nach Tempelhof, darunter Swiss und die Sabena-Nachfolgerin SN Brussel. Ihnen werde der Umzug nach Tegel angeboten. Auch werde schnell mit den Arbeitnehmervertretern wegen des mit der Schließung verbundenen Stellenabbaus gesprochen, so die Sprecherin.

Mit der Aufhebung der Betriebspflicht ist die Berliner Flughafen Gesellschaft nicht mehr gezwungen, den Betrieb der flugtechnischen Einrichtungen zu gewährleisten. Dazu zählt unter anderem die Flughafenfeuerwehr, ohne die Flugzeuge nicht starten und landen dürfen.

Graf Zeppelin

Der 1923 eröffnete Flughafen Tempelhof hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Für die 1926 gegründete Deutsche Luft Hansa war der Flughafen lange Zeit Heimatbasis. 1929 geriet er durch die erste Landung des Luftschiffs "Graf Zeppelin" in die Schlagzeilen. Unter den Nationalsozialisten wurde er in großmannssüchtiger Manier mit Ehrenhof und Ehrenhalle ausgebaut.

In den fünfziger Jahren war Tempelhof der nach London und Paris drittgrößte Verkehrsflughafen Europas. Mitte der siebziger Jahre wurde er zu klein. Pan Am und British Airways - die Fluggesellschaften der Alliierten - zogen nach Tegel um.

1990 durften nach der Übergabe der Lufthoheit an die deutschen Behörden erstmals seit 1945 wieder Flugzeuge mit deutscher Zulassung in Berlin landen, darunter auch die Lufthansa. Mitte der Neunziger verlegte sie alle Berlin-Flüge von Tempelhof nach Tegel.

Luftbrücke

Zur Legende wurde der Flughafen aber durch den Hauptorganisator der Luftbrücke, General Clay. Bekannt wurde Tempelhof in Billy Wilders Film "Eins, zwei, drei" mit James Cagney, Horst Buchholz und Lieselotte Pulver.

Die Ost-West-Komödie mit den Klischees aus Coca-Cola, Kaugummis, Cadillacs und uniformierten Kommunisten mit verkniffenen Gesichtern musste allerdings wegen des Mauerbaus 1961 im Studio weitergedreht werden. Die Botschaft des Films aber war visionär: Ein Kommunist wird Kapitalist - der Liebe wegen.

© SZ vom 05.06.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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