Telekomunikation:Raus aufs Land

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Um seinen Aktionären Mobilfunktechnik und die Herausforderungen beim Ausbau zu erklären, hatte Telekom-Vorstandschef Tim Höttges eine Antenne auf der Bühne. (Foto: Oliver Berg/AFP)

Die Deutschen wollen schneller surfen, die Erwartungen an die Telekom sind riesig. Konzernchef Höttges setzt auf Kooperationen.

Von Janis Beenen und Benedikt Müller, Bonn

Manchmal scheint Fortschritt ganz einfach zu sein. Zu Beginn der Hauptversammlung schaltet Telekom-Chef Tim Höttges flugs per Video in die 800-Seelen-Gemeinde Megesheim im Landkreis Donau-Ries. Eine Mitarbeiterin nimmt symbolisch eine Antenne in Betrieb, schon hat der Ort in Bayerisch-Schwaben schnellen Mobilfunk. Ein bisschen Show, um die etwa 2000 Aktionäre in Bonn zu verblüffen. Doch dieser Mast, weiß Höttges, steht für Herausforderungen im ganzen Land. Man habe lange gebraucht, um einen Standort zu finden. In Deutschland dauere die Genehmigung für neue Masten so lange wie in keinem anderen Land. Der Telekom-Chef spricht von mehr als zwei Jahren. Schuld daran: die vielen Auflagen.

Seit fünf Jahren ist Höttges nun Vorstandschef - und ständig muss sich der Rheinländer Kritik anhören: Wenn Politikern der Ausbau des schnellen Internets zu langsam vorangeht oder Kunden die Funklöcher im hiesigen Handynetz monieren, dann schimpfen sie gerne auf die Telekom. Höttges kontert nun und warnt vor einer zu starken Regulierung seiner Branche. Er betont die Bedeutung der Telekom. Mit Investitionen in Milliardenhöhe entwickele der Konzern die Infrastruktur doch entscheidend weiter.

Alleine in diesem Jahr will die Telekom weltweit 12,7 Milliarden Euro investieren, so viel Geld wie nie zuvor. Und die neue Maxime lautet: Zusammenarbeit. Der Konzern will Funklöcher im Netz nicht alleine schließen. "Wer 40 Prozent Marktanteil hat, kann nicht 100 Prozent Netz bauen", sagt Höttges. Die Telekom kooperiert daher mit Konkurrent Telefónica ("O2") und lässt Wettbewerber Mobilfunkmasten gegen Miete mitnutzen. Gerade in ländlichen Gebieten setzt die Telekom auf Zusammenarbeit, damit sich die Investition in Masten lohnt. Kooperationen mit Wettbewerbern seien nun fester Teil der Ausbaustrategie.

Im Mobilfunk will die Telekom 2019 etwa 2000 neue Antennenstandorte in Betrieb nehmen. Mittlerweile versorgt sie nach eigenen Angaben 98 Prozent der Bevölkerung bundesweit mit dem Mobilfunk der vierten Generation (LTE). Allerdings stehen schon die Investitionen in den künftigen Mobilfunkstandard 5G ins Haus.

Diese fünfte Generation kann selbst große Mengen Daten nahezu in Echtzeit übertragen. Damit gilt 5G als Grundlage für Zukunftsgeschäfte, etwa mit vernetzten Robotern in den Fabriken. Seit zehn Tagen versteigert die Bundesnetzagentur entsprechende Funklizenzen. Die Mobilfunkkonzerne dürften ein paar Milliarden Euro dafür ausgeben. Dass neben Vodafone und Telefónica bei der Auktion mit 1&1 Drillisch ein vierter Anbieter auf den Markt drängt, nimmt Höttges scheinbar locker: "Warten wir mal ab, bis die ein Netz aufgebaut haben." Bislang mietet der Konkurrent, der für Marken wie Smartmobil oder Yourfone steht, Netzkapazitäten der etablierten drei Betreiber an.

Der Vorstandschef sympathisiert mit Demonstrationen junger Klimaschützer

Auch im Festnetz spricht Höttges über Zusammenarbeit und stellt eine Kehrtwende in Aussicht. Bislang rüstete die Telekom vor allem ihre Kupferkabel in die Wohnungen auf, sodass das Internet zwar schneller wird - aber auch stocken kann, wenn viele Bewohner gleichzeitig surfen. Nun verlegt der Konzern spürbar mehr Glasfaserkabel bis in die Häuser; mit diesen Leitungen surfen Kunden flinker und zuverlässiger als mit dem sogenannten Vectoring.

Vor einer Woche etwa hat die Telekom bekanntgegeben, dass sie gemeinsam mit dem Versorger EWE aus Oldenburg 1,5 Millionen Haushalte und Firmen in Nordwestdeutschland direkt ans Glasfasernetz anbinden will. Beide Anbieter wollen zusammen zwei Milliarden Euro in den nächsten Jahren investieren. Und Höttges strebt weitere Kooperationen mit Stadtwerken an: "Deren Glasfasernetze wollen wir anmieten." Stadtwerke hätten Baukapazitäten, die Telekom wolle das Netz betreiben.

Damit reagiert der Konzern auch auf die Konkurrenz von Kabelanbietern wie Vodafone oder Unitymedia, deren Netze schnelleres Internet ermöglichen als die aufgerüsteten Telefonkabel der Telekom. Dieser Wettbewerb könnte in den nächsten Jahren noch schärfer werden, da die Kabel-Marktführer Vodafone und Unitymedia fusionieren wollen, um der Telekom bundesweit mit eigenem Netz Konkurrenz zu machen. Die EU-Kommission prüft den Zusammenschluss derzeit.

Höttges, dieser für seine Hauptversammlungsreden preisgekrönte Manager, widmet sich in diesem Jahr vielen technischen Details. Einzig beim Thema Klimawandel wird er persönlich. "Wir sind Teil des Problems", sagt er und verweist auf die Energie für Rechenzentren. Höttges verspricht: "Ab Ende 2021 beziehen wir unseren Strom nur noch aus erneuerbaren Energien." Dabei weicht er von seinem Manuskript ab und solidarisiert sich spontan mit den Schüler- und Studentenprotesten für mehr Klimaschutz. Die Bewegung "Fridays for Future" sei eine Ohrfeige für Politik und Firmen, sagt Höttges und schiebt hinterher: "Wären meine Söhne noch auf der Schule, würde ich ihnen freitags ein Attest ausstellen." Von den Aktionären gibt es bei dem Thema netten Applaus.

Die geplante Fusion der US-Tochter macht den Aktionären Sorgen

Mehr interessiert die Anteilseigner aber das Geld. Da gilt ihre Sorge dem US-Geschäft. Die Telekom wird immer abhängiger vom ihrer amerikanischen Tochter T-Mobile US, die in den vergangenen Jahren Millionen Kunden gewonnen hat. Und nun will T-Mobile den hoch verschuldeten Konkurrenten Sprint übernehmen. Mehrere Behörden und Bundesstaaten prüfen den milliardenschweren Fusionsplan derzeit. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Deal zustande komme, werde auf 50 Prozent geschätzt, sagt Thomas Deser, Fondsmanager von Union Investment und verweist auf Risiken: "T-Mobile US müsste den US-Konkurrenten samt Schulden übernehmen und die Integrationskosten sind sehr hoch." Genauso fürchten Aktionäre ein Scheitern der Fusion und eine Schwächung des Geschäfts in den USA.

Höttges versucht, jedes Szenario positiv zu verkaufen. Auch ohne Sprint stehe die US-Tochter blendend da. An Spekulationen, ob die Behörden einwilligen werden, wolle er sich nicht beteiligen. Erste Hürden habe man aber genommen. Jedenfalls könnten T-Mobile und Sprint Kosten im Wert von 43 Milliarden Dollar sparen, wenn sie ihr Netz zusammenlegen dürften. Auch hier setzt die Telekom also ganz auf Kooperation.

© SZ vom 29.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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