Telekom-Bespitzelungsaffäre:Schäuble: Neue Datenschutzgesetze denkbar

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Nach dem Telekom-Skandal schließt Innenminister Schäuble weitere Gesetze zur Vermeidung künftiger Übertretungen nicht aus. Zunächst will er jedoch mit Branchenvertretern sprechen. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter kritisierte das für heute anberaumte Treffen als "reine Schaufensterpolitik".

Nach der Bespitzelungsaffäre bei der Deutschen Telekom schließt Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble neue Gesetze zur Vermeidung künftiger Übertretungen nicht aus. Er wisse nicht, ob Selbstverpflichtungen der Wirtschaft zur Lösung des Problems ausreichten, sagte Schäuble im ZDF.

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hält nach der Telekom-Bespitzelungsaffäre neue Gesetze für möglich, will aber erst mit Branchenvertretern sprechen. (Foto: Foto: Reuters)

"Wir wollen es aber zunächst einmal versuchen. Und wenn es nicht ausreicht, müssen wir überlegen: können wir weitere Gesetze machen?" Die Frage stehe aber am Ende und nicht am Anfang.

Es müsse überlegt werden, ob die institutionellen Vorkehrungen in den Unternehmen im Rahmen der bestehenden Gesetze hinreichend gut funktionierten. "Manche fordern weitere Gesetze. Ich bin gegen Schnellschüsse", sagte Schäuble.

Der Innenminister will sich an diesem Montag mit Vertretern der Telekommunikationsbranche treffen. Nach früheren Angaben soll bei dem Treffen das Thema wirksamerer Datenschutz bei den Firmen im Mittelpunkt stehen. Schäuble erwartet von dem Gespräch noch keine Ergebnisse.

"Lasche Reaktion"

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) kritisierte das Krisentreffen im Bundesministerium als "reine Schaufensterpolitik". BDK-Chef Klaus Jansen sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung: "Es reicht nicht, sich nach den unfassbaren Vorgängen bei der Telekom zu Kaffee und Plätzchen zu verabreden." Diese lasche Reaktion sei fatal.

"So wird der Branche signalisiert, dass alles halb so wild ist, obwohl strikte Vorgaben dringend erforderlich wären", sagte Jansen. Er forderte, dass die Kontrolle der Wirtschaft durch Datenschützer massiv ausgebaut werden müsse.

Die Deutsche Telekom hat eingeräumt, dass zwischen 2005 und 2006 mindestens ein Jahr lang Telefondaten ausspioniert worden sind. Ziel soll gewesen sein, die Veröffentlichung von vertraulichen Informationen zu unterbinden.

Auf die Frage, ob Telekom-Chef Rene Obermann in der Affäre erst dann an die Öffentlichkeit gegen sei, als sich nichts mehr verschweigen ließ, sagte Schäuble: "Bisher habe ich nicht gehört, dass er (Obermann) in dem Verfahren von der Staatsanwaltschaft irgendwie Beschuldigter wäre. Es ist ja auch nicht meine Sache, jetzt Vertrauenserklärungen abzugeben oder keine." Man dürfe aber nicht vergessen, dass es die Telekom und Obermann gewesen seien, die Strafanzeige erstattet hätten.

Die meisten Telekom-Firmen werden an dem Gespräch mit Schäuble indes nicht teilnehmen. Es kämen außer der Deutschen Telekom selbst nur der Branchenverband Bitkom und der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten, hatte das Ministerium am Freitagabend erklärt.

"Verlotterung des Datenschutzes"

Eine Sprecherin hatte einen Vorabbericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bestätigt, wonach Vodafone, Arcor, E-Plus , die spanische Telefonica und deren deutsche Tochter O2 keinen Vertreter ins Innenministerium schicken wollten.

Der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten sieht vor allem die Telekom in der Pflicht, wie VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner der Frankfurter Rundschau sagte. "Es gibt zertifizierte Sicherheitskonzepte, da gab es in zehn Jahren nie Probleme. Wir sind nicht dafür verantwortlich, wenn bei der Telekom etwas schief geht."

Nach seiner Einschätzung hat die Telekom mit der illegalen Auswertung von Telefonverbindungsdaten der gesamten Branche massiv geschadet. "Das Vertrauen ist erschüttert, darunter leiden auch Unternehmen, die sich nichts zu Schulden haben kommen lassen." Höhere Bußgelder hält Grützner für diskussionswürdig. Bislang beträgt die Höchststrafe 300.000 Euro.

Kritik an Schäuble kam vom Datenschutzexperten der SPD-Bundestagsfraktion, Jörg Tauss: Schäuble habe alle Initiativen für einen besseren Datenschutz innerhalb der Koalition abgeblockt. "Mit seiner unsäglichen Parole, 'wer nichts zu verbergen habe, brauche auch vor Überwachung keine Sorge zu haben', hat er die Verlotterung des Datenschutzes in Deutschland eingeleitet", sagte Tauss in Berlin.

Eine in der Koalition diskutierte Verbesserung des Datenschutzes, unter anderem ein Datenschutzaudit für seriöse Firmen, sei vom Innenministerium mit Hinweis auf "Wirtschaftsinteressen" verhindert worden. Dabei habe sich pikanterweise gerade die Telekom sehr positiv für ein Datenschutzaudit ausgesprochen - "Schäuble war es, der es nicht wollte".

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